Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • ...ich hatte eine frankierte NDP-Karte vom 26. August gezeigt, wo man das mit Sicherheit nicht mehr sagen kann. Das war meinerseits schon alles, wir drehen uns im Kreis.


    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Ralph, hallo Tim,


    die norddeutschen Korrespondenzkarten wurden lt. Amtsblatt Nr. 37 (Vfg. 76) vom 6. Juni 1870 der

    Norddeutschen Postverwaltung von allen Postanstalten, sowie von den Briefträgern frankiert verkauft.

    Unfrankierte Karten in Mengen von je 100 Stück wurden zum Selbstkostenpreis von 5 Gr., bzw. 18 Kreuzern abgegeben. Die Bestimmungen traten mit dem 1. Juli 1870 in Kraft. Gelaufene Karten sind bereits ab 16. Juli 1870 belegt.


    Drei Tage nach der Mobilmachung gab das General-Postamt mit Feldpost-Ordre Nr. 9 vom 20. Juli 1870 die Ausgabe von Feldpostkarten bekannt. Die für die Heimat bestimmten Karten wurden von den Einheiten kostenfrei abgegeben.


    Es ist durchaus nachvollziehbar, dass zu Kriegsbeginn einige Militärs nicht über die Ausgabe von Feldpostkarten informiert waren und vorsorglich ein Kontingent frankierter ziviler Karten mit ins Feld

    nahmen.


    Derartige Karten kommen durchgehend bis Ende 1870 vor.


    Beste Grüße


    Rudolf

  • Lieber Rudolf,


    vielen Dank für deine Wissensteilung hier. :) :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Derartige Karten kommen durchgehend bis Ende 1870 vor.

    ...na dann bin ich ja mal gespannt, wer da gerade der Rekordhalter ist :P


    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,


    ich habe nur im Aufmarschgebiet, bzw. in Frankreich verwendete frankierte Korrespondenzkarten

    registriert.


    Rekordhalter ist eine am 29. Juli 1870 beim Feld-Post-Amt des IV. Armee-Korps (Standort Frankenthal) aufgegebene Karte (Arge NDP RB 57 S. 76).


    Beste Grüße


    Rudolf

  • :love: :love: :love: Diese Granate war aber nicht gratis - wer kann so etwas schon noch außer dir zeigen?

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Morschen Ralph,


    ja das war ein Auktionslos und dann kennst ja sicher auch noch die im ARGE-Rundbrief vorgestellte Karte vom 4. August aus Dreisen am Donnersberg (mit 2 x 1/2 Groschen NDP im senkrechten Paar). Heute schlägt das Pendel wieder rum und es geht um eine eher frühe Sendung. An anderer Stelle war es ja jüngst thematisiert, das Füsilier-Regiment "von Gersdorf" Kurhessisches Nr 80, jetzt kam wie bestellt eine Karte eines dem Angehörigen. Hier war es der Füsilier Carl Friedrich Bossow, der aus Knittelsheim bei Landau an seine Angetraute Maria Elisabetha Rosalino nach FFM schreibt:



    Feldpostbrief

    Fräul. Elise Rosalino

    Frankfurt a/Main

    Obere Finkenhofstraße 4


    Knittelsheim dem 29. Juli 1870

    Bin munter + gesund, blos die Füße wollen nicht mehr, doch ich ich denke das wird sich auch legen. (?) überbrachte mir gestern Grüße von Papa. Was macht Ihr denn ? Ich habe noch kein Brief bekommen. Schreibt Bericht an genau meine Adresse, dieselbe muss so lauten wir untenstehend. Einen Brief von Dir erwarte ich recht bald. Wetter sehr schlecht. Recht herzliche Grüße an Alle, aber besonders an Dich nebst Kuß von Deinem treuen Carl

    Feldpostbrief - Füsilier Carl Bossow, XI. Armeecorps, 21. Division, 41. Brigade,

    Hessisches Füslierregiment

    No. 80, I.te Compagnie



    Leider liegt hier immer noch nicht die Regimentsgeschichte vor, aber es ist davon auszugehen, dass das Regiment in Knittelsheim, ein sehr schönes Fachwerkdorf zwischen Landau i.d.Pf. und Germersheim, ins Kantonnement gegangen ist. 6 Tage später war es bei dem Grenzgefecht von Weissenburg (4. August), später bei der Schlacht von Woerth-Froeschwiller (6. August), der Vorentscheidung von Sedan (1. September) und bei der Belagerung von Paris beteiligt.


    Füslier Bossow hat den Krieg überlebt und wie man das so aus einem dieser Ahnenforschungsplattformen ersehen kann, seine Elise auch noch heiraten können.


    Als Aufgabeabschlag zeigt sich jener der 21. Infanteriedivision (41. u. 42 Infanteriebrigade, Oberkommandeur General-Lientenant von Schachtmeyer). Sie bestand gemäß Ordre de Bataille aus 2 hessischen Regimentern Füsiliere / Infanterie, 2 nassauischen Regimentern Infanterie, 1 Husaren-Regiment, 1 Jäger-Bataillon, 1 Feld-Artillerieregiment (24 Geschütze) und 1. Feld-Pionierkompanie mit leichtem Feldbrückentrain.


    Viele Grüße

  • Morscht Tim,


    Zischelius lese ich da bei deiner feinen Karte. Wegen der Latinisierung des Namens kam kein u-Strich zur Anwendung.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • ...Danke Dir, für "Zischelius" hat mir völlig die Phantasie gefehlt :wacko:


    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Guten Morgen Sammlerfreunde,


    heute haben wir es einmal mit einem waschechten Schlitzohr zu tun, das offenbar ziemlich genau wusste, was nach der Mobilmachung (14.07.1870) die Uhr in Sachen der Beförderung ziviler Post und Fracht geschlagen hatte.


    Der Absender, der Darmstädter Hofmusikinstrumentenmacher Georg Hermann Walb (lt. Adressbuch Darmstadt 1870 seinerzeit in der Wilhelminenstraße 8 ansässig) schreibt an seinen Geschäftspartner Robert Friedel im schwäbischen Esslingen am Neckar:


    Ersuche Sie dringend alle für mich bis jetzt fertigen Schienen (wahrscheinlich Federschienen für dem Klavierbau) umgehend nach hier zu senden + die anderen möglichst auch noch zu liefern. Auf die Adreße des Paquets bemerken Sie gefälligst Militaria unter dieser Anschrift erleidet die Sendung gar keine Unterbrechung. Hoffenend, dass Sie meinen Wünschen entsprechen zeichnet in Eile G.H. Walb / F. Walb


    Darmstadt 26.7.70


    Natürlich hatte er vom keinem geringeren als Großherzog Ludwig IV. den Sonderauftrag ein besonders robustes Klavier an den Hof zu liefern, damit man im Stab der Großherzoglich Hessischen (25.) Division u.a. auf schwäbischer Qualitätsarbeit mal so richtig ordentlich Die Wacht am Rhein in die Tastatur hauen konnte 8o


    Spaß bei Seite, jeder in der Geschäftswelt sah in diesen Zeiten halt zu wo er blieb. Darmstadt lag an der Linie C (A-F) und Esslingen an der süddeutschen Line I (I-III) des von Generalfeldmarschall von Moltke geplanten Eisenbahnaufmarsches, welche erst gegen Mitte August - noch verhalten - für zivile Zwecke freigegeben worden sind.


    Schönen Gruß

    vom Pälzer

  • Guten Morgen zusammen,


    die nächste unnötig frankierte Feldpostsendung, diesmal von einem Angehörigen A. Neuhaus des 1. Hanseatischen Infanterie-Regiments No. 75 aus Bremen. Wenn man die Zeilen auf der Rückseite zum ersten Mal sieht, dann meint man davon rein gar nichts transcribiert zu bekommen, das ist schon arg. Aber ein Stück weit hat es schon geklappt, wenn auch nicht ganz:


    Herrn Lehrer Carl Stern (oder Sfern ???)

    Kalk auf Deutz

    Coeln


    Meine Adresse ist

    A ??? 4. Comp Hanseatisches Inf.Reg. No.75

    Ko ?????


    Nach mehrtägigen anstrengenden Märschen in Hamburg angekommen. Wohin wissen wir noch nicht ???

    wie ich höre auf höheren Befehl. Hoffentlich wird es ein interessanter Feldzug werden. Von Otto vor ??? Tagen Brief bekommen, Mutter in Holsten mit Marie. Theils habe ich gute, theils schlechte Quartiere.

    ??? Marsch auch noch ???

    In herzlich Liebe

    Dein A. Neuhaus


    Darauf, dass das noch ein "interessanter Feldzug" würde, na da war Verlass. Ein A. Neuhaus ist nicht in den Verluslisten zu finden, so wird er letzhin so einiges weit weit entfernt auf gegnerischen Boden mitbekommen haben. Leider liegt mir nur die Regimentsgeschichte von den 76er-Hanseaten vor, aber mit den 75ern (Stammganison Bremen / Stade) ging es in die Belagerung von Metz und Paris, in die Ausfallgefechte von Paris und auch an die Loire.


    Schönen Gruß

    vom Pälzer

  • Lieber Tim,


    ich glaube, folgendes entziffern zu können:


    Herrn Lehrer Carl Stern [lese ich auch]

    Kalk / Deutz

    Coeln


    Meine Adresse ist

    Art. [=Artillerie ?] 4. Comp / Hanseatisch.

    Inf. Reg. No.75

    Kriegsschauplatz


    Nach mehrtägigen anstrengenden

    Märschen in Hamburg angekommen.

    Wohin wissen wir noch nicht. Man wartet

    wie ich höre auf höheren Befehl. Hoffentlich

    wird es ein interessanter Feldzug wer-

    den. Von Otto vor ? Tagen Brief bekommen,

    Mutter in Holstein mit Marie.

    Theils habe ich gute, theils schlechte Quartiere

    gehabt. Furchtbare Märsche, doch noch mun-

    ter & gesund. In herzlich. Liebe


    Dein A. Neuhaus


    Viele Grüße

    Gerd

  • Guten Abend Gerd,


    das war ja klar, dass das nicht lange ungeklärt vor sich hineiert, wie immer zutiefst zu Dank verbunden. Vor allem angesichts des diesmaligen Schweregrades.


    Und tja Ralph,


    ich hatte den vergorksten Achter eher für eine sturmgeschädigte Geestland-Schalotte gehalten, aber Dein Röntgenblick durchschaut halt eben auch alles.


    LG

    Tim 8o

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Guten Abend Sammlerfreunde,


    auf den ersten Blick kann man dem Beleg anbei wenig Bezug zum Thema entnehmen; sehr kurze, wenig aussagefähige Privatnachrichten und nicht einmal das Jahr der Aufgabe ist daran ersichtlich. Aber in der Adressierung....von Schlieffen....hmmm, der Name sagt einem doch irgendwas. Ja, man kann es vorwegnehmen: Es ist ein Schreiben mit Bezug auf den späteren Urheber des gleichnamigen "Schlieffen-Plans" gegen Frankreich im 1. Weltkrieg Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913).



    Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913)


    Adressiert wurde aus dem damaligen Heimatort Schwedt an seine Frau Anna Gräfin von Schlieffen (1840-1872), welche kurz nach der Kriegserklärung Frankreichs bei der Schwester des Grafen Frau Gräfin Luise Philippine Egloffstein (geb. von Schlieffen) in Berlin weilt.


    bavarikon
    www.bavarikon.de


    Deren Bruder Alfred sollte nach 70/71 zu höheren Diensten berufen werden. Er hatte 1866 als Hauptmann bei der Schlacht von Königsgrätz gekämpft, wurde im März 1868 in den Generalstab des X. Armeekorps in Hannover berufen und gegen Ende 1869 Kommandeur einer Eskadron im 1. Brandenburgischen Dragoner-Regiment. Dem folgte der Umzug mit seiner Frau Anna nach Schwedt.


    Zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 wurde er dem Generalstab des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin zugeteilt, zunächst zur Küstenverteidigung im Hauptquartier in Hamburg. Etwas zuvor muss es zu dem anbei in Schwedt verfassten Schreiben an seine Frau gekommen. Vermutlich ist es die Zofe , die so disket wie möglich an ihre Gräfin meldet:


    Herzlichen Dank für die Mittheilungen. Elisabethchen ist sehr munter, bleiben Sie unbesorgt dort,

    bis Ihr Herr Gemahl fort geht.

    Ich bin bis zu Ihrer Ankunft hier.

    Von allen Seiten die besten Empfehlungen und Grüße


    Elisabethchen, die erste Tochter von Anna und Alfred von Schlieffen ist im September 1869 auf die Welt gekommen, sie ist erst im Jahre 1943 verstorben. Hier ein Bild von Mutter und Tochter um 1870:


    bavarikon
    www.bavarikon.de


    Ihr Ehemann und Vater wurde am 24. August 1870 zur Verstärkung der Einschließungsarmee von Metz abkommandiert und war danach noch auf verschiedenen Einsatzorten in Frankreich unterwegs. Anna von Schlieffen verstarb nach der Geburt der zweiten Tochter im Juli 1872 in Vendenheim bei Strasbourg am Kindbettfieber. Von Schlieffen überwand diesen Verlust nur durch eines: Arbeit. 1884 wurde er Abteilungschef im Großen Generalstab und somit Stellvertreter des Generalstabschefs von Waldersee, dem er 1891 an die Spitze folgte. 1905 präsentierte er den später als "Schlieffen-Plan" bezeichneten strategischen Offensivplan, mit dem vermieden werden sollte, dass das Kaiserreich in einem Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland aufgerieben würde.


    Dieser, in der Weltgeschichte äußerst umstrittene Plan, der eine Umgehung der von Frankreich an der Grenze zum nach 70/71 annektierten Reichsland Elsass-Lothringen errichteten Barrière de fer über das neutrale Belgien avisierte, konnte nicht so wie ursprünglich angedacht zur Umsetzung gebracht werden. Der unter der Führung von Generalfeldmarschall Helmuth Johannes Ludwig von Moltke (1848-1916) - Neffe des im Krieg 1870/71 erfolgreich agierenden Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke (1800-1891) - anfänglich erfolgreiche Offensivgang, ist bekanntlich schon Mitte September 1914 im Grauen und Elend eines nicht mehr enden wollenden Stellungskriegs stecken geblieben.


    Ein unscheinbarer Beleg...mit dem kleinen, wie dem großen Schicksal im Hintergrund. Das eine berührend, das andere nichts als erschütternd.


    Viele Grüße

    vom Pälzer


    verwendete Quellen:

    Friedrich Magnus Graf von Schlieffen (1796-1864) - Maltes Genealogie

    Bode, Walter: Schlieffen - Mann und Idee, Zürich 1940

  • ... und endlich mal eine sauber beschriftete Karte. 8) 8)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.