Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Hallo Jürgen,

    ich denke nein, das "Buckauer" passt schon sehr gut. Das Wort fängt definitiv mit einem "B" an, das "ck" sieht man auch. Es war ja auch so, dass die Pferde in Magdeburg auf die Bahn gekommen sind, weil dort die Garnison der 4. Artillerie-Brigade lag. Halle war auf dem Transport nur Durchgangsbahnhof, wo die Karte wohl beim Halt eingeworfen worden ist.

    Viele Grüsse

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,

    bei der routinemäßigen Durchsicht eigener Bestände fiel mir der hier in die Hände: S.B. (Soldaten-Brief) des Königlich Preussischen Feld - Lazareth No. 5 vom 6.8.1870 "An Frau Direktor Burchardt 30. Hollmann Straße 1 Treppe Berlin" mit Absendervermerk: "Feldpostbrief. Absender: Burchardt Chefarzt N 5. Feldlazareths des II. (?) Armee-Corps".

    Siegelseitig nur der Ankunftsstempel vom 10.8.1870, was zur frühen Kriegslage passt.

    Selbstverständlich habe ich zu den Beteiligten nichts im Internet gefunden, wie immer.

    Interessant fand ich nur den Aufgabeort Lingenfeld bei Speyer, der auch heute noch ein verschlafenes Nest ist und das 1870 sicher keine Großstadt war - ich meine auch, keine 10 Belege von Lingenfeld aus der Kreuzerzeit jemals gesehen zu haben und Post von Chefärzten aus dem Krieg kenne ich aus der Pfalz auch keine.

  • Hallo Ralph,

    das Sanitätswesen im Krieg 70/71 ist ja nun nicht gerade das, was man "tip-top" dokumentiert vorfindet, vor allem nicht, wo die einzelnen Feldlazarethe über dessen Gesamtverlauf hinweg disloziert waren. Im vorliegenden Fall darf man aber davon ausgehen, dass der Absender Chefarzt im 1. Kurhessischen Feldartillerie-Regiment Nr. 11 gewesen ist, das in der III. Armee dem XI. Armeekorps (General Julius von Bose) unterstellt und zum 24/25. Juli vom Garnisonsstandort Kassel nach Landau i.d.Pf. mobil gemacht worden war.

    Es war kurz vor dem Treffen in Wissembourg (4. August 1870) mit seinen schweren und leichten Batterien in Kantonnements und Biwaks im Raum Albersweiler - Winden - Rohrbach - Ottersheim - Knittelsheim verteilt.

    Ein Feldlazareth lag in der Regel an einem Ort im nicht unmittelbaren Gefechtsbereich, da würde im vorliegenden Fall Lingenfeld nahe am Rhein recht gut passen. Es hatte einen Oberstabs- oder Stabsarzt als Chef und war zur Aufnahme von ca. 200 Verwundeten / Kranken ausgestattet. Das war für das 1. Kurhessische Feldartillerie-Regiment Nr. 11 lt. der preussischen Offiziersrangliste der Oberstabsarzt Dr. Max Burchardt:


    Er war der nachstehenden Quelle zu Folge vor Ausbruch des Krieges und noch bis 1874 Garnisonsarzt in Königsberg und wurde im deutsch-französischen Krieg zum Regimentsarzt à la suite ernannt.

    https://www.wikiwand.com/de/Max_Burchardt_(Mediziner)

    In dieser Funktion hatte er im Wesentlichen zur Aufgabe, dem Generalkommando Meldung zu erstattten, welche Anzahl von verwundeten Soldaten als beförderungsfähig bzw. nicht beförderungsfähig einzustufen waren. Das wird für Dr. Burchardt nach den beiden großen Grenzgefechten am 4. und 6. August 1870 leider die wahre Hölle gewesen sein, über die er wohl an seine Angehörigen in Berlin berichtet hat (sein Vater war dort Direktor einer Justizvollzugsanstalt). Diese Zeilen wären mit Sicherheit hochinteressant, aber wie das eben so ist, kann man froh sein, wenigstens einigermaßen nachvollziehen zu können, von wem sie (überhaupt) entstammen.

    Lieben Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Tim,

    ich bin immer wieder begeistert über Deine tiefgründigen Abhandlungen über den 70/71 Krieg. Super 👍

    Weiter so. Wenn Du schreibst, verstehe ich alles.

    Grüße aus Frankfurt

    Heribert

  • Morsche Tim,

    super Recherche - kann mich Heribert nur anschließen - ich hätte das in 10 Jahren nicht heraus bekommen. Er wird ja auch bald dir gehören ... 8)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo liebe Freunde

    besten Dank für die statements, natürlich ganz besonders an Ralph. Große Freude, das motiviert zum weitermachen !

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Thomas,

    hier ein Transkriptionsversuch dieser Mischung aus lateinscher und Kurrent-Schrift:

    An

    Herrn Friseur Otten

    Bremen



    Homburg in der Pfalz

    d 30' August. 1870


    Am Sontag Nachmittag kam ich in Coblenz an

    und wurden die 2 Wagons mit Nolte. Feldhosen(?)

    weiterbefördert, bei meinem Anschluß in Coblenz

    waren die 12 Wagons welche ich begleiten sollte

    des Morgens um 8 uhr nach Remitley(?) abgegangen

    und ging ich gestern Vormittag von dort nach

    Frankfurt, wo der Delegirte Bremer

    von Bremen mit 2 Wagons durchkam und

    ich von der Comtur(?) Ordre bekam diese 2

    Wagons nach Remilly zu begleiten und

    kamen wir hier um 3 Uhr Nachmittags hier

    an und werden heute Abend via Saarbrücken

    weiter befördert, und hoffentlich bald am Ersten

    Bestimmungsort ankommen. Herzliche Grüße an Alle

    herzliche Gra...lation. Dein Christian.

    Viele Grüße

    Gerd

  • Guten Tag zusammen,

    und zunächst Glückwunsch zu der sauberen Karte von Homburg nach Bremen, die ich gerade jetzt erst sehe.

    Zum Inhalt kann ich noch die Ergänzung Comité liefen und es sieht angesichts des Geschilderten sehr danach aus, dass der Verfasser ein ziviler Helfer gewesen ist. Darauf weist der Bremer Delegierte und das Comité hin. So gab es bspw. in Hamburg die "Vereinigten Comités für die Verwundeten", von denen Delegierte auch Material- und Verwundetentranporte bis auf gegenerischen Boden begleiteten.

    https://www.drk-hamburg.de/fileadmin/Eigene_Bilder_und_Videos/150_Jahre_DRK_Hamburg/Notizen_zur_Hamburger_Rotkreuzgeschichte/Endversion_-_26._Ausgabe__Mai_2020.pdf

    So wird es auch hier gewesen sein, wobei man leider nichts im www über einen Bremer Hilfsverein und auch keine von dort digitaliserten Zeitungen aus dem Jahr 1870 findet, in denen in der Regel sehr viele Anzeigen / Aufrufe / Rechenschaftsberichte der Hilfsvereine zu finden sind. Das ist da oben erstaunlich dünn aufgestellt. Immerhin könnte man, was die Person Christian Otten betrifft, evtl. auf jenen hier schließen, der im Bremer Staatshandbuch als Packetzusteller der Postamts (Abtl. 1) in der Violenstraße aufgeführt ist. Eine solche Profession war bei den Hilfstransporten wohl reichlich willkommen.

    Staats-Handbuch der freien Hansestadt Bremen (1874) - Bayerische Staatsbibliothek

    Nun ein weiterer, sehr früher und wieder einmal nicht notwendigerweise freigemachter Beleg, der auch etwas mit der Gegend um Bremen zu tun hat. Er stammt von einem einjährig Freiwilligen aus Syke und steht vom Inhalt her wieder einmal 100% in Übereinstimmung mit der einschlägigen Regimentsgeschichte des 1. Hannoverschen Infanterieregiments No. 74. Zunächst der Inhalt:

    Herrn Mühlenbesitzer H. Schmidt

    Syke bei Bremen

    Heute am 26. des M(ona)ts sind wir aus Köln abmarschiert und am Nachmittag um 4 Uhr in Stolberg angekommen, wohl und munter. Wir sind hier sehr gut von den Bewohnern aufgenommen,

    wenn ich wieder (?) solche gute Quartiere bekomme, bin ich zufrieden.

    Bis jetzt haben wir auch wenig anstrengende Märsche gekommen (Anm.: gemeint ist wohl genommen).

    Liebe Eltern, lebt wohl, lebt wohl. Grüßt alle Bekannte von mir.

    Meine Adresse: eingjährig freiwilliger Schmidt, Feldpostbrief, 1. Compagnie, 1. Hannover.(sches) Inf(anterie) Reg(iment) No. 74, 7. Armeekorps

    Köln

    Die Regimentsgeschichte besagt, dass die zusammen mit der 1. Kavallerie-Division der 1. Armee und dem VII. Armeekorps (General von Zastrow) unterstellte Truppe, nach Köln mobil gemacht wurde. Die einjährig Freiwilligen wurden am 24. Juli in die Verpflegung des Regiments übernommen, das bis zum 25. Juli Exerzierübungen in der Mülheimer Heide durchführte. Für den 26. Juli war vom Großen Generalstab der Abtransport in den Raum Aachen angeordnet.

    Die Quartiersmacher waren schon einen Tag zuvor nach Stolberg vorausgeschickt worden. Nach dorthin erfolgte am 27. Juli der Eisenbahntranport, wo die Unterbringung auch in den umliegenden Dörfern Büsbach, Bith und Mansbach erfolgte. Von Stolberg aus ging es dann im Fußmarsch durch die Eifel nach Trier. Am 6. August lag die Einheit im Raum Lebach und wurde gegen Nachmittag in die sich bei Spicheren entwickelnde Schlacht am Roten Berg involviert.

    Es wurde letztendlich in das Zentrum dieses sehr ereignisreichen Tages gestellt. Den einjährig Freiwilligen Schmidt findet man bei den Verlusten des Regiments nicht, aber es verlor bei Spicheren 7 Offiziere, 13 Unteroffiziere und 106 Mann, verwundet wurden 29 Offiziere, 42 Unteroffiziere, 498 Mann, vermisst wurden ein Unteroffizier und 59 Mann. Später nahm die Einheit an der Belagerung von Metz, Montmédy und Belfort teil.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Lieber Tim,

    ebenfalls ein sehr interessanter Beleg von der Anfangsphase des Krieges, als die Euphorie noch groß war. Nach den hohen Verlusten des Regimentes bei Spicheren dürfte die Stimmung etwas gelitten haben ...

    Beim "?" lese ich übrigens "immer" (statt "wieder").

    Viele Grüße in die Pfalz

    Gerd

  • Hallo Gerd,

    ganz herzlichen Dank für die Klarstellung und ja, die Euphorie lag letztendlich nur bei denen, die noch hintendran im Aufmarsch gegen Frankreich unterwegs waren. Die 74er sind vom Eigen- und Prestigesinn zweier Kommandeure dezimiert worden. Betrachtet man sich die Bilanz der beiden Grenzgefechte im Elsass und Lothringen, dann hatte man bei dem planmäßig von Prinz Friedrich Wilhelm (III. Armee) vorgetragenen Angriff am 4.8. gegen Wissembourg auf deutscher Seite 700 Tote, Verwundete und Gefangene zu beklagen, durch den nicht planmäßigen Angriff vom 6.8. auf die Höhen um Spicheren 4.850 Tote und Verwundete.

    Wie das ?

    Der Kommandeur der I. Armee, General von Steinmetz hatte der Vorhut seiner 14. Division (General von Kameke) befehlswidrig das Überschreiten der Saar angeordnet, dabei nicht nur den Aufmarschweg der II. Armee verlegt, sondern sich in die Artilleriereichweite der um den Roten Berg hervorragend verschanzten Franzosen des Generals Frossard begeben. Das hat zu dem verlustreichen Kampf in schwierigem Gelände geführt. Die sich anbahnende Niederlage konnte gegen 15 Uhr nur durch Eingreifen der II. Armee abgewendet werden, welche von Kameke einen Hilferuf erhalten hatte.

    Der sich dann doch einstellende "Erfolg" der deutschen Initiative war auch mehr oder weniger dem Zufall geschuldet, dass Frossard nicht die an Marschall Bazaine gerichtete Unterstützung erhielt, welche jener mit der Entsendung von 30 Eisenbahnkilometer weiter entfernt bei St. Avold liegenden Einheiten hätte gewähren können. Es war auch für die Verwundeten beider Seiten eine Katastrophe, für sie konnte kaum gesorgt werden, was so gut wie sie es denn nur konnte, die umliegende Bevölkerung übernahm. Ein furchtbares Leid, was dort angerichtet worden und viel zu schnell wieder in Vergessenheit geraten ist.

    Lieben Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (1. November 2022 um 10:19)

  • Guten Abend zusammen,

    nun einmal etwas "Modisches", ja, das musste auch sein:

    Herrn Militair Effecten Händler

    Sachs

    Nancy

    Herrn Militair Effecten Händler Sachs Nancy

    ersuche ergebendst um gefl. umgehende Sendung eines Carmousin Baspoil (~ Karmin-Paspelband, auch "Paspoil") für meinen Waffenrock, u. im Band für Nichtcombattanten von 1866. Den Betrag dafür sende Ihnen umgehend.

    Hochachtungsvoll

    WeishII

    Feld-Apotheker des Bez. Reserve Personals

    Saarebourg d. 19.10.1870

    Schneller Transport über die im Oktober sichere Eisenbahnverbindung Sarrebourg - Nancy, dort war der rückseitig als Ankunfttsstempel angebrachte franz. Zweikreiser Nancy / Meurthe (52) auch noch weit später verwendet.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Guten Morgen zusammen,

    bei dem Brief anbei handelt es sich um eine zweifach verwendete Militaria-Dienstangelegenheit von einer nicht so häufig belebaren Truppengattung; den Pionieren. Vorliegend war es der Kommandeur der 2. Compagnie des Schleswig-Holsteinischen Feld-Pionier-Bataillons No.9, welcher sich in trauriger Angelegenheit an die Lazareth-Commission in Oppenheim am Rhein wenden musste. So muss es auf dem Weg in den Kriegseinsatz zu einem tödlichen Unfall / Ausfall eines dem Bataillon angehörigen Pioniersoldaten gekommen sein. Bei den Lazareth-Commissionen handelte sich um eine Art Schnittstelle zwischen militärischem Sanitätsdienst und den zivilen Krankenpflegeinrichtungen.

    Sie hatten in Abstimmung mit der Lazareth-Intendantur des Militärs darüber zu entscheiden, für welche (Zivil-)Krankenpflegeanstalten aus Staatsmittlen Sanitäts- und Verpflegungsmaterial angeschafft wurde und die Kasse darüber zu führen. Sie führte Krankenlisten, überwachte die dem Militär zu übermittlenden Einweisungen / Entlassungen von Angehörigen der Truppen, die Gestattung von Besuchszeiten und hatte Bericht über das evtl. Auftreten von Epedemien zu erstatten. Im vorliegenden Fall hatte die Commission dem Anliegen des Pionier-Kommandeurs nicht folgen können und sein Ersuchen an das Bürgermeisteramt Oppenheim weitergeleitet.

    2te Feld-Pionier Compganie

    Schleswig-Holsteinischen Pionier Bataillons Nr. 9

    s. N.8

    M(obil).Q.(uartier) Schwedelbacher Mühle den 6. August 1870

    (vermutlich beantwortet) 4 Steptb.

    An die königliche Lazareth Commission zu Oppenheim

    Die königliche Lazarteh Commission bittet die 2te Feld-Pionier Compagnie um gefällige Recherche, ob sich das Gewehr, Seitengewehr, Leibriemen mit Schloß und Patronentasche des in vorligen Lazareth verstorbenen Pionier Wagner unter den daselbst aufbewahrten Stücken befindet, ferner um Uebersendung eines Todtenscheins des (?) Wagner

    Fiedler

    Hauptmann und Compagnie-Commandeur

    per Adresse Feld Post Expedition 18te Division, 9. Armee Corps

    Antwort d. 8/9 70

    Einliegend 1 Todtensch(ein) bereits auch 1 Todtensch(ein) an die Heimatsbehörde gesendet. Obige Gegenstände und Bekleidungsstücke des Verstorben (?) wurde von 2 Pionieren abgeholt und wahrscheinlich letzten Orts abgeliefert. Mütze und (?), Militärpaß liegen hier noch zur Verfügung sowie 11 Thaler Geld

    Wenn noch jemand die fehlenden Worte ergänzen könnte wäre das "cool". Genauso war das, nach zweiwöchiger "googlei" sogar noch die Bataillonsgeschichte zu finden, es passt alles. Am 16. Juli hatte die Einheit am Garnissonstandort in Rendsburg den Mobilmachungsbefehl erhalten. Die 2. und 3. Feld-Compagnie sammelte in umliegenden Kantonnements und erhielten je 2 Unteroffiziere, 15 Mann Mineure und 15 Mann Pontoniere zugeteilt. Sie gaben dafür eine entsprechende Anzahl Sappeure an die 1. Feld-Compagnie ab.

    Die Mobilmachung war bis zum 25. Juli abgeschlossen, die 2. Feld-Compagnie mit der Schanzzug-Kolonne trat zur 18. Infanterie-Division, welche zusammen mit der Großherzoglich Hessischen 25. Division und der Korps-Artillerie das mobile 9. Armeekorps (General von Manstein) in der II. Armee (Prinz Friedrich Karl) bildete. Die Ausrückstärke der 2. Feld-Compagnie betrug 4 Offiziere, 20 Unteroffiziere, 3 Hornisten, 179 Pioniere und 22 Trainsoldaten. Am 27. Juli erfolgte der Abtransport nach Altona, nach kurzem Weitermarsch ging es bei Harburg zum ersten Mal ins Biwak.

    Am 29. erfolgte die Ausschiffung nach Mosbach bei Biebrich am Rhein, wo die Einheit am 31. eintraf. An diesem Tag begann der Marsch nach Frankreich, mit der Querung des Rheins bei Mainz. Am Abend kam die Compangie in Nierstein an. Hier muss dem Pionier Wagner ein Unglück widerfahren sein, entweder ein Unfall oder evtl. ein durch die drückende Hitze bedingter Ausfall, in den Verlustlisten findet man ihn nicht. Nach einem Ruhetag am 1. August wurde der Marsch durch Rheinhessen und die Rheinpfalz fortgesetzt, am 2. über Alzey nach Bechenheim und Nack, wo erneut ein Ruhetag erfolgte.

    Am 4. August ging es auf schlechten Wegen weiter nach Ruppertsecken und Rußmühle nördlich des Donnersberges, am 5. nach Gallenmühle bei Otterberg nördlich von Kaiserslautern. Bis dahin waren die Compagnien noch immer in Quartieren untergebracht, vom 6. August an wurde das Biwakieren zur Regel. Das geschah an diesem Tag am Aufgabeort des Briefes bei der Schwedelbacher Mühle. Die weiteren Etappen gingen über Klein-Ottweiler (7. August), Nieder-Bexbach (8. August) und St. Ingbert (9. August).

    Dort hatte die Compagnie Gelegenheit Seine Majestät den König von Preussen auf seiner Fahrt nach Saarbrücken zu begegnen. Am 10. August überschritt die Einheit auf einer Pontonbrücke die Saar bei St. Arnual, am 12. die französische Grenze. Zum Einsatz kam sie bei der Schlacht von Colmbey-Nouilly (14. August), bei der Schlacht von Gravelotte-St. Privat (18. August) und bei der Einschließung von Metz (19. August bis 27. Oktober). Nach Beendigung des Krieges wurde das Bataillon in Metz in der Gendarmeriekaserne einquartiert und traf am 1. Oktober 1872 wieder in der Stammgarnison Rendsburg ein.

    Schönen Gruß

    vom Pälzer

  • Lieber Tim,

    Deine Ausführungen sind immer sehr beeindruckend. Ich werde richtig in diese Zeit versetzt. Du siehst einen Beleg und schon wird bei Dir alles zum Leben erweckt.

    Grüße aus Frankfurt

    von einem sehr beeindruckten

    Heribert

  • Hallo Will,

    auf Dich ist immer Verlass, recht herzlichen Dank mal wieder !

    Und lieber Heribert: "In die Zeit reinversetzen", das ist das Stichwort.

    Das gelingt nicht mit Primärliteratur, das gelingt aber u.a. mit den für das Thema aufgefundenen Belegen, wenn man sie in den jeweilgen historischen Gesamtzusammenhang stellt. Das Schicksal eines jeden Verfassers wurde von der Flut der Geschehnisse mitgerissen, ob er es wollte oder nicht. Aus dieser Perspektive findet man auch für die Pfalz leider so gut wie nichts zusammengefasst. Die bekannte Deklaration, des französischen Außenministers, dem Herzog von Gramont am 6. Juli vor der Abgeordnetenkammer, mit welcher er wegen der Kandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern auf die spanische Thronfolge mehr oder minder unverhohlen mit Krieg gegen Preußen drohte, hat nicht nur unmittelbar die Börse geschockt, sondern auch und gerade die bayerische Pfalz.

    Jeder wusste, was eine Kriegserklärung Frankreichs an Preußen dort für katastrophale Folgen haben konnte. Noch mehr Unruhe entstand, als man erfuhr, dass Frankreich bereits Truppen aus Algerien auszuschiffen begonnen und seinen Offizieren eine Urlaubssperre verhängt hatte. Als im Bayerischen Landtag noch am 12. Juli die Bayerische Fortschrittspartei eine deutliche Minderung des Militärbudgets zur Tagesordnung gebracht hatte, schreibt der Pfälzer Kurier: Gerade wir Pfälzer sind dabei am unmittelbarsten betheiligt; denn wer Bayern wehrlos machen will, der giebt die Pfalz dem ersten Anprall der Franzosen preis...

    Und der bayerische Ministerpräsident Graf Bray bemerkte dazu noch nüchtern und vorausschauend, dass die centrale Lage Bayerns in Europa die Unmöglichkeit bedingt, sich von einem europäischen Konflikt fernzuhalten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt also wusste jeder in der Provinz, um was es ging und wie wichtig gerade für sie eine über bisherige Differenzen hinweg gemeinsame Haltung der Bevölkerung in allen deutschen Landesteilen war. Daran erklärt sich viel. Und nur nebenbei zum Abschluss: Es war auch der bayerische Ministerpräsident, der sich im Krieg 1870/71 als einziger deutscher Politiker in maßgeblicher Funktion ursprünglich gegen Annexionen französischer Gebiete ausgesprochen hatte...leider wurde auch er von den Ereignissen fortgerissen.

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (26. November 2022 um 18:22)