Guten Morgen Sammlerfreunde,
nur wenige Stunden vor dem ersten Grenzgefecht bei Wissembourg lief die Karte anbei aus dem letzten Feldbiwak des 6. Thüringischen Infanterie-Regiments No. 95 vor der Grenze. Es war am 16. Juli 1870 an seinen Garnisonsorten Gotha (1. Batallion), Hildburghausen (2. Bataillon) und Coburg (Füsilier-Bataillon) gegen 7.30 Uhr zu den Waffen gerufen worden. Dabei u.a. seine a la suite des Regiments stehende Hoheit Erbprinz Bernhard von Sachsen-Meiningen, welcher mit Gestattung des Vaters das Studium in Heidelberg unterbrochen hatte und mit dem Regiment am 24. Juli marschbereit war.
Am 25. erging Marschbefehl, die Ausschiffung mit der Eisenbahn erfolgte am 26./27. nach Landau in der Pfalz. Von dort aus ging es nach kurzem Aufenthalt im strömenden Regen ins Feldlager nach Hördt. Bis zum 2. August wurden dort dann Wehrübungen zu den bevorstehenden Kämpfen abgehalten. Am 2. August erfolgte um 7 Uhr abends die Alarmierung, die Regimentsgeschichte erwähnt hierzu: "Es begann der lange siegreiche Vormarsch durch des Feindes Land, der erst am Atlantischen Ocean sein Ende finden sollte".
Bis in die Nacht hinein war man dann zunächst unterwegs nach Insheim und bezog dort gegen 11 Uhr nachts Biwak auf einem Mohnfeld. Früh um 3 Uhr morgens des 4. August ging es dann über Rohrbach, Steinweiler, Winden, Minfeld, Freckenfeld nach Schaidt nahe der Grenze, das um 8 Uhr erreicht war. Dort vernahm man schon das Donnergrollen des um Wissembourg eröffneten Gefechts, auf dessen Boden man zwar bis auf den heftig umkäpften Gaisberg im Südosten der Stadt geführt wurde, aber nicht mehr eingreifen musste.
Dafür kam es am 6. August bei Woerth-Froeschwiller zu erheblichen Verlusten (6 Offiziere gefallen, 21 verwundet, 60 gefallene Unteroffiziere und Mannschaften, 300 verletzt, 45 Vermisste), welchen dort heute ein Denkmal gewidmet ist. Der nächste Einsatz erfolgte in Sedan, es kam weitere bei Orleans, Beaugency, um Paris und die Teilnahme am Vormarsch nach Rouen. Der Verfasser, der Gefreite Recknagel, der in den Verlustlisten nicht zu finden ist, schreibt an seinen Vater in Eisfeld bei Coburg:
Feldpostbrief
Abs: Gefreiter Recknagel
1. Comp. 95. Inf.Reg.
Herrn Johannes Recknagel
Brauereibesitzer
Eisfeld b. Coburg
Sachsen-Meiningen
(bei Weisenburg) Bivouark Mittags d. 3. Aug. 1870
Gestern Abend 7 Uhr sind wir aus Hördt ausgerückt + bis 11 Uhr hier ins Bivouark eingerückt + werden dort nun bald ??? sehen bekommen, worauf wir uns schon längst gefreut haben. ??? gesund + wohl. Ottos Brief habe ich gestern erhalten.
Grüße alle, es grüßt Euch
Euer Wilhelm
Unteroffizier 1. Comp.
Bemerkenswert also: Im Absender noch als Gefreiter betitelt, bei der Unterzeichnung der Karte schon Unteroffizier, da scheint es in der Zwischenzeit wohl eine Beförderung gegeben zu haben. Wer noch bei den fehlenden Worten helfen könnte, die Kopfzerbrechen bereiten, wie immer dann sehr zu Dank verbunden.
Viele Grüße
vom Pälzer