Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • ...ich bleibe bei unserem mit einem "f" fängt das Wort definitiv nicht an und mit einem und

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

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  • Liebe Sammlerfreunde,


    hierzu folgende Briefhülle: Feldpostbrief vom Sohn an seinen Vater mit Truppenstempel: "5. Westphälisches Inf. Rgt. Nr. 53 Füs. Bataillon" aus Cleve nach Ruhrort vom 25. Juli 1870. Kurze Zeit später kämpfte die Einheit am 6. August 1870 bereits in Speichern. Siehe folgenden Link:


    5. westfälisches Infanterie-Regiment Nr. 53 (altearmee.de)


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,


    tolles frühes und sehr gut erhaltenes Stück vom 25.07, mit Inhalt wäre das natürlich ein Erlebnis. Auch da wird es um Geschehnisse nach der Mobilmachung und möglicherweise schon den Bestimmungsort gegangen sein, wo man dann hinkommandiert worden ist. 6.8. war es nach Weissenburg (4.8.) die zweite Grenzschlacht bei Spichern / Lothringen, die sehr verlustreich, aber auch sehr erfolgreich war. Denn danach war schon recht schnell und überraschend der Weg nach Metz - so gut wie - frei.


    Viele Grüße

    Tim

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  • Liebe Freunde,


    die Auswirkungen des Krieges waren nicht allein beschränkt auf die reinen Kriegshandlungszeiten, sondern trafen auch schon vor dem tatsächlichen Krieg die Öffentlichkeit, indem die Staaten Prioritäten zu setzen hatten und was konnte eine höhere Priorität haben, als ein vaterländischer Krieg gegen den "Erbfeind"?


    Eine württembergische Korrespondenzkarte aus Ludwigsburg mit Stempelung vom 23.7.1870 (Kriegserklärung erst am 19.7.1870 erfolgt, erste Kämpfe in der Südpfalz Ende Juni 1870) war an den Consum Verein in Ulm gerichtet worden. Text:


    Ludwigsburg 22/7/70,

    Ihr Auftrag liegt zum Versandt parat, und wird, sobald die Eisenbahn den Güter- Transport wieder aufnimmt, unverzüglich an Sie abgehen. Achtungsvoll. Gez. Unterschrift.


    Ausweislich des Distributionsstempels von Ulm wurde die Ganzsache anläßlich des 2. Botengangs am 24.7. ausgetragen, währenddessen die Warensendung noch warten musste, bis es nach Ulm ging.


    Wie lange die kriegsbedinten Verzögerungen (Aufmarsch im Westen) die württembergischen Eisenbahnen affektierten, weiß ich leider nicht, aber vlt. ein Anderer?

  • Hallo Ralph,


    solche Belege sind das Salz in der Suppe, meine Gratulation.


    Es war eine kleine Mammutaufgabe, Deine im Speziellen auf die kriegsbedingten Einschränkungen im Württemberger Eisenbahnnetz hin gestellte Frage zu abzuforschen. Aber im Schwäbischen Merkur war dazu dann doch so einiges zu finden, von dem ich ausgehe, dass er sie hinlänglich beantwortet. Du darfst den chronolgischen Anhängen zu Folge so etwa ab dem 10. August 1870 von dem Beginn einer Normalisierung ausgehen. Unterscheiden muss man dabei noch zwischen zivilem Güter- und Personenverkehr, der Letztere genoss mehr Priorität.


    Was mir bei der Recherche noch im Besonderen aufgefallen ist: Es ist auch nach der Entspannung für den zivilen Personen- und Güterverkehr sehr oft die Rede von Verwundeten-Bahntransporten, die auch im wieder allgemein aufgenommenen Eisenbahnverkehr liefen. Es wurde dabei größten Wert auf deren reibungslose Abwicklung gelegt, egal ob es Verwundete des eigenen Kontingents oder des Feindes waren. Es wurden aber ganz auch offen Probleme angesprochen.


    So bspw. ein Beinahezusammenstoß zweier Militärzüge, der nur durch die Aufmerksamkeit eine Zivil-Bahnwärters verhindert werden konnte, ein Auffahrunfall eines Kohletransportzuges auf einen Militärzug, bei dem einige Offiziere und Mannschaften z.T. schwer verletzt wurden, aber auch Erfreuliches von der Eröffnung neuer Nebenstrecken, die anfangs kriegsbedingt z.T. nur eingeschränkt betrieben werden konnten, aber mittelfristig sehr deutliche Verbesserungen des Personen- und Frachtverkehrs innerhalb Württembergs erwarten ließen.


    LG

    Tim :thumbup:

  • Lieber Tim,


    tolle Recherche - topp! :thumbup::thumbup::thumbup:


    Ja, diese Belege sind 100x schwieriger zu finden, als normale Feldpostbriefe, weil sie optisch ganz unscheinbar sind und doch wertvolle Rückschlüsse auf die Zeit zulassen. Zum Preis einer Pizza durfte ich da nicht daran vorübergehen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Einen schönen Tag zusammen,


    sollte doch einmal die Idee reifen, eine Ausstellungssammlung zu machen, dann wäre der Beleg anbei im Moment glasklar das Auftaktstück. Aber nachdem was man so von Ausstellungen zu hören bekommt, wird das wohl eher nicht passieren und es bei hiesigen www-Präsentationen bleiben. Es ist mit Abstand das früheste was mir für`s eigene Sammelgebiet geläufig ist.


    Die in völliger Luxuserhaltung - ohne den obligatorischen "Beutelknick" - erhaltene Karte wurde am 22. Juli 1870 verfasst, d.h. gerade einmal 3 Tage nach der Kriegserklärung Frankreichs vom 19. Juli 1870. Aber was hat ein Soldatenbrief aus Giessen nach Friedberg mit der bayerischen Pfalz zu tun ? Dazu erst einmal der Inhalt:



    Soldatenbrief


    Frau Hauptmann Hoffmann

    Friedberg


    Gießen d. 22. Juli 1870


    Liebe Mutter, glücklich kamen wir hier an und bin auch gut einquartiert.

    Morgen kommen wir auf eine andere Ortschaft und werden wahrscheinlich Montag Marschbefehl in die Pfalz erhalten. Letzteres sagte mir Steinberger. Meine Civilkleider gebe ich heute zur Post. Meine Adresse ist: 2. Compagnie 2. Regiment großherzoglich hessisches 2. Infanterieregiment 2. Compagnie.

    Lebwohl dein treuer Sohn Fritz

    Grüße an Alle


    Der Verfasser war also Angehöriger des Infanterie-Regiments „Kaiser Wilhelm“ (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116 mit Stammgarnision in Gießen, welches seine Angehörigen am 17. Juli zu den Fahnen gerufen hatte. Schon nach kurzer Zeit war die Kopfstärke derart angewachsen, dass die Einquartierung außerhalb der Kasernen in der Stadt, die der Feldbataillone später sogar in den Vororten Heuchelheim, Krofdorf, Gleiberg (I. Bataillon), Kinzenbach, Aßbach, Münchholzhausen und Dutenhofen (II. Bataillon) erfolgen musste.


    Genau am Tag der Aufgabe, d.h. dem 22. Juli wurde an der vom preußischen Kriegsministerium aufgestellten Marschtafel bekannt, dass sich das der 25. Großherzoglich Hessischen Division im IX. Armeekorps (von Manstein) der II. Armee (von Steinmetz) zugeordnete Regiment zum 27. Juli in der bayerischen Pfalz im Raum Göllheim zu sammeln hatte. Nachdem die planmäßige Mobilmachung zum 24. abgeschlossen war, ging es am 25. zunächst mit der Eisenbahn über Oberlahnstein nach Biebrich bei Wiesbaden, wo man die Schiffsbrücke bei Castel überschritt, um dann in Klein-Wintersheim Quartier zu nehmen.


    Am 26. erfolgte der Weitermarsch in den Raum um Alzey, am 27. Richtung Worms und Monsheim, wo man bis zum 2. August in den Kantonierungen blieb und Felddienstübungen abhielt. Danach wurde der Abmarsch Richtung Westen in den Raum Winnweiler angeordnet, wo man am 4. August eintraf. Kein geringerer als der Oberbefehlshaber der II. Armee Prinz Friedrich Carl war es, der am 5. August auf dem Pferd sitzend dem gerade am Wegesrand rastenden Regiment die Botschaft über den Sieg bei Wissembourg überbrachte.


    Entsprechend hochmotiviert ging es trotz phasenweiser Starkregenfälle weiter über Otterberg, Rodenbach, Gries, Oberbexbach nach St. Johann bei Saarbrücken, das am 10. August erreicht war. Am 11. überschritt man die Saar und die französische Grenze und nahm zum ersten mal auf gegenerischen Boden Quartier in der Stadt Forbach. Das Regiment kam dann zum ersten am 16. August 1870 bei der Schlacht von Vionville-Mars la Tour (2. Schlacht von Metz) zum Einsatz.


    Viele Grüße

    vom Pälzer


  • Lieber Tim,


    das Stück ist eine kleine Sensation - so früh und noch dazu so schön wird man kein Zweites mehr bekommen. Die frühesten Daten kenne ich vom 25.7.1870 aus der Pfalz (im Zug geschriebene Karten), von daher ist der 22.7. natürlich eine Bombe. :thumbup::thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber Ralph,


    ich finde das vor allem sehr aussagestark, wie der gute Fritz nebenbei davon berichtet, nach der Einquartierung seine Zivikleidung zur Post zu bringen. Von eben auf jetzt ein anderes Schicksal. Und nebenbei kam dann auch noch ein weiterer Komplettband einer Regimentsgeschichte ins Archiv. Diese Art Sammlung ist auch schon recht ordentlich gediehen. So kann das gerne weitergehen.


    LG

    Tim :):thumbup:

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  • ....großes Lob für Tim. Wieder eine wunderbare Ausarbeitung zum Umfeld des Textes der Postkarte. Ich hätte nicht die Geduld, alle diese Informationen zusammenzutragen.


    liebe Grüße

    Dieter

  • Lieber Dieter,


    für das was ich mit dem Thema letztendlich vorhabe, braucht`s noch weit mehr Geduld und Aufwand als ein paar Absätze zu den hier gezeigten Belegen. Aber das wird noch lange dauern. Einstweilen Dank und


    Viele Grüße

    Tim :thumbup:

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  • Servus zusammen,

    Lieber Tim, finde den Soldatenbrief traumhaft und der Inhalt zeigt mir wieder einmal das ich (wir) uns glücklich schätzen können in eine vom Frieden in Europa geprägten Zeit leben zu dürfen.


    Darum kann ich es oft wirklich nicht mehr hören wie schlimm und furchtbar die "wütende" Pandemie mit all den schrecklichen Einschränkungen für uns war und ist.

    Ja manche hat es gesundheitlich schwerer getroffen, auch in meinem Umfeld, aber Gott sei Dank musste niemand sterben und alle sind wieder völlig gesund, oder auf den Weg dorthin.


    Solche zeitgeschichtliche Dokumente zeigen erst was schlimm sein kann.


    LG Bernd

  • Lieber Bernd,


    ich weiss nicht, kann es aber erahnen wie das jetzt jemand sieht, der in einer Stadt wohnt, wo SARS-COVID2 heftige und nie wieder vergessliche Spuren hinterlassen hat. Aber an dem von Dir zu Recht erwähnten zeitgeschichtlichen Aspekt läßt sich etwas ableiten, das lange Zeit nicht selbstverständlich war. Gegen Ende des 1. Weltkrieges, als der Influenzavirus A/H1N1, die sogenannte "spanische Grippe" ausbrach, forderte diese (heute noch nur geschätzt) weltweit 25 Millionen Opfer und damit weit mehr als der 1. WK selbst mit rd. 17 Millionen. In dieser Zeit war man noch schneller/engagierter dabei Mittel zu erfinden, um sich gegenseitig, als ruhmreicher eine Pandemie zu bekriegen. Heute hat man immerhin schon mal das Gegenteil bewiesen.


    Viele Grüße

    Tim

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  • Liebe Freunde,


    im Juli und August 1870 war eine Menge los in der Pfalz, weil große Truppenkontingente diese transitierten bzw. sich dort aufhielten, ehe es dann Richtung Frankreich weiterging.


    Im Angesicht des Briefes aus Landau/Pfalz vom 19.8.1870 nach Ludwigshafen, der recommandirt aufgegeben wurde, kann man vlt. den Stress der Kriegswochen noch am ehesten nachvollziehen, wenn man sieht, dass zwar die Reconummer vergeben, aber der Chargéstempel vergessen wurde.


    Viele Postler haben damals unmenschliches geleistet und einige von ihnen wurden, ganz zurecht, später dafür ausgezeichnet.

  • Hallo Ralph,


    Deinen - auch optisch sehr ansprechenden - Kriegs-Contra vom 19. August 1870 könnte man sich in der hier an den Tag gelegten Beförderungsgeschwindigkeit über die Strecke LD-NW-LU von lediglich einem Tag theoretisch nur noch 5 Tage früher wünschen. Denn es war der 14. August 1870, an dem es dann überhaupt erst wieder möglich gewesen war, so schnell als möglich Zivilpost auf dem pfälzischen Eisenbahnnetz zu befördern.


    Dies geht erfreulicherweise aus dem anbei abgebildeten Auszug aus der Pfälzischen Volkszeitung vom 16. August 1870 hervor. Städte wie der Aufgabeort Landau waren voll mit durchziehenden Truppen, Verwundeten und Hilfskräften. Dass mittendrin in diesem Chaos ein Bankhaus gepflegt sein Reco hätte aufliefern können, wäre schon gewagt zu unterstellen, denn wie Du sagst, das war für die Postler Stress pur, was da wegen der transitierenden Heerschar zu bewältigen war.


    LG

    Tim :thumbup:

  • Hallo Tim,


    vielen Dank für deine Quelle - ein paar Tage früher wäre natürlich noch besser gewesen, aber ich bin schon sehr froh überhaupt einen Brief aus dieser schlimmen Zeit gefunden zu haben, der eine Contra zeigt und noch dazu sehr hübsch ist (ich hätte ihn auch genommen, wenn er optisch 2. Wahl gewesen wäre).


    Es ist natürlich von mir reine Spekulation, dies in den Kriegszusammenhang zu bringen, aber ich habe mal einen Aufsatz über genau diese Zeit in der Pfalz von einem Augenzeugen gelesen (vor gut 30 Jahren) und was damals dort abing, ist heute schlicht unvorstellbar - teils wurden Postpakete aus fahrenden Zügen geworfen und auf fahrende Züge aufgeworfen, weil sie keine Zeit hatten, an Bahnsteigen anzuhalten usw. usw..

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.