Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Morsche Ralph,

    Tippfehler ist korrigiert, es war ja wie geschrieben die Folgekarte im August und im Juli konnte man von dem, was da drinne steht ja nicht ansatzweise etwas ahnen. Bedenken muss man für den August, dass nicht einmal höherrangige Offiziere wussten, was von Moltke da so für "Schachzüge" auf Basis der Aufklärung seiner Erkundungsreiter eingeleitet hat. Das hätte er mit Sicherheit nicht gerne den Postkarten eines zivilen Helfers entnehmen wollen und wenn der das noch so gut gemeint hätte.

    Schönen Gruß0

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Morsche Tim,

    das ist richtig - ich denke auch, dass man den Leuten an der Front nicht viel gesagt hat, weil im Falle einer Gefangennahme durch die Franzosen diese geplaudert hätten und damit große Ziele und militärische Hintergründe hätten verraten können. Ist ja heute auch noch so - das Schlachtvieh geht zum Metzger.

    Diese Folgekarten sind m. E. sehr selten, weil sie aus phil. Gründen im Lauf der Jahre (sind ja schon über 150 Jahre her) in alle Winde zerstreut wurden und diese nun zurück zu sammeln, ist schwierig. Toll wäre es, die gesamte Privatkorrespondenz hin wie her mal vorgelegt zu bekommen, also vom Juli 70 bis vlt. Anfang 71 und das dann alles abgleichen könnte mit den historischen Daten.

    "Off topic": Unlängst im TV gesehen, dass ein Amerikaner eine komplett erhaltene Schreibstube eines Offiziers der Nordstaaten aus dem Sezessionskrieg mit allen Briefen, Stempeln, Vordrucken und und und bei sich zuhause gefunden hat, wenn auch in mäßigem Zustand. Da will man fast auf die Knie sinken ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Toll wäre es, die gesamte Privatkorrespondenz hin wie her mal vorgelegt zu bekommen, also vom Juli 70 bis vlt. Anfang 71 und das dann alles abgleichen könnte mit den historischen Daten.

    Moje Ralph,

    das gibt es...vor allem in staatlichen Archiven. Bin schon oft auf sowas bei Suchen im www gestoßen, auch das ist recht heterogen verteilt. Hier finden sich vor allem auch Briefe mit vollständigem Inhalt, was auf dem phil. Markt eher Mangelware ist. So bleibt man wie bspw. bei dem jetzt auch im neuen RB präsentierten Feldpostbrief ohne Inhalt an den Pathologen Dr. von Bollinger leider in Unkenntnis des Anlasses. In den Archiven wiederum dürften auch Belege dabei sein, von deren phil. Wert das Archiv - wie man so schön sagt - "keinen Blassen" hat.

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... das dürfte leider nur allzu wahr sein - und wenn wir nicht dran gehen, wer sonst? Der Krieg 70/71 ist ja unter der heutigen Jungend praktisch unbekannt, für die existieren nur 1. und 2. Weltkrieg und auf politischer Ebene ist eine Aufarbeitung des Krieges gegen den früherern "Erzfeind" und heutigen Verbündeten Frankreich unpassend.

    Da muss man hoffen, dass nichts entsorgt wird, weil die Kuverts den Archivaren und Historikern eh nichts sagen und nur die Inhalte zählen, wenn überhaupt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ...da hast Du`s mal wieder auf den Punkt gebracht und ich weiss auch gar nicht, was das soll. De Gaulle hat uns in seiner Rede vom 9. September 1962 einen historischen Denkzettel verpasst, im gleichen Atemzug aber den Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft gelegt. Und es gehört so manch einem auch heute noch der Denkzettel dafür verpasst, dass er meint, er stünde über alles und sei unbesiegbar, ein auch und gerade mit und nach 70/71 verklärend gepflegter Mythos.

    Schönen Gruß

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (23. Februar 2023 um 15:04)

  • Hallo,

    anbei ein eingeschriebener Brief "Berlin Cabinets-Expedition 30.7.70" potofrei an

    "Dem Oberst Leutnant z.D. Graf Wartensleben Excellenz zu Carow bei Genthin".

    Ich hoffe, dass ich die Inschrift richtig übersetzt habe.

    Adelsgeschlecht Wartensleben

    Adressat Hermann Ludwig von Wartensleben

    Aufgrund des Schriftbildes und dem portofreien Einschreibebrief besteht die Möglichkeit (erstaunlich, dass kein Vermerk 'königliche Angelegenheit' oder 'Militaria' etc. vermerkt wurde, daher ist für mich der Absender fraglich), dass der Brief von König Wilhelm I eigenhändig geschrieben wurde.

    Der Adressat war dann schon ab dem 6.8. bei der Schlacht in Spichern im Einsatz.

    Grüße

    philast

  • Hallo philast,

    Oberst Graf v. Wartensleben war lt. Rangliste 1870/71 Chef der 3. Abteilung im Großen Generalstab, befand sich also im direkten Umfeld des preußischen Königs.

    Anbei ein Nachdruck der von Wilhelm I. am 3. September 1870 eigenhändig beschriebenen Telegraphen-Depesche.

    Ich bin zwar kein Schriftexperte, halte es aber für nicht ausgeschlossen, daß der Brief vom König persönlich geschrieben wurde.

    Gruß

    1870/71

  • Guten Abend Sammlerfreunde,

    wir hatten ja nun schon einige Belege, die nach der Mobilmachung als Feldpost unnnötigerweise frankiert aufgegeben worden ist. Bei dem Beleg anbei kann man auf den ersten Blick nicht einmal ansatzweise erkennen, dass das der Fall ist. Erst am Inhalt läßt sich der Bezug zur gerade erst mobil gemachten Truppe des Verfassers herstellen. Dazu erst einmal wie folgt:

    Frau Dr. Pauline Simrock

    bei Herrn Dr. V(ictor) Andrae

    Frankfurt a.M.

    Neue Mainzerstraße 32

    Dienstag 26.7.70

    Liebe Pauline !

    Gestern Abend sind wir bis 1 Uhr marschiert bis Nierstein, eine übermäßige Anstrengung, sonst bin ich gesund, wenn auch sehr müd und lahm. Schreibe bald ob du angekommen bist, hoffentlich geht es dir gut. Mit herzl. Gruß an alle u. Kuß für dich von deinem Caspar

    Bitte schicke 2 Handtücher mit

    Jetzt fangen wir erst einmal sozial-philatelistisch an, denn das hat vorliegend waschechte Steigerungseffekte. Der gute Caspar Simrock (1842 - 1897) war seines Zeichens Doktor der Homöopathie...

    Deutsche Biographie - Simrock, Caspar

    ...sein sechs Jahre später verstorbener Vater kein geringerer als der bekannte Bonner Dichter und Philologe Karl Simrock (1802 - 1876):

    Karl Joseph Simrock
    Der Bonner Karl Simrock erhielt den ersten germanistischen Lehrstuhl der Universität Bonn. Seine Übersetzungen und Nachdichtungen mittelhochdeutscher sowie…
    www.rheinische-geschichte.lvr.de

    Caspar hat unmittelbar nach dem deutsch-französischen Krieg die Praxis seines Schwiegervaters, dem Homöopathen und Theologen Dr. Victor Andrae (1817 - 1889) in Frankfurt a.M. übernommen:

    Andreae, Victor | Frankfurter Personenlexikon

    Noch Fragen ? Ja, denn: Wenn man als mobil gemachter Kombattant eine ganz üblich frankierte Postkarte aufgibt, dann muss man sich natürlich auch erst gar nicht mit seiner Einheit ausweisen. Insofern war diese noch fraglich und jedwender nun nicht gerade einfach auf die Spur zu kommen. Bei Betrachtung der Regimentsgeschichten aus dem unterhessischen Raum stößt man allerdings auf das 1. Nassauische Infanterieregiment No. 87, das im Jahre 1870 in der Festung Mainz garnisoniert war.

    Nach der Mobilmachung rückte dieses Regiment zum 25. Juli dort aus und marschierte u.a. über Nierstein in die Südpfalz, um dort gegen den 29. Juli bei Rülzheim ins Kantonnement zu gehen. Das Regiment war dann bei dem ersten Grenzgefecht von Wissembourg am 4. August 1870, bei der Schlacht von Woerth-Froschwiller (6. August), der Schlacht von Sedan (30. September) und schließlich bei der Belagerung von Paris beteiligt.

    All das hat der gute Caspar überstanden, die Nummerierung auf der Karte oben links zeigt an, dass es die erste Nachricht war, die er auf seinem Feldzug gegen Frankreich an seine Lieben daheim verschickt hat.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • ... ui, ui, ui - toller Fund und Glückwunsch dazu. Postgeschichte und Sophy "at it´s best".

    P.S. Vom Juli 1870 darfst du alles schnappen - viele gibt es nämlich nicht und ich meine, dass das früheste Stück vom 24.7.1870 datiert. Da bist du jetzt verdammt nah dran. :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    mein frühester Beleg mit 70/71-Bezug ist vom 21. Juli 1870, einige weitere kurz danach liegen auch vor. Für mich liegt die Latte im Moment (schon) beim 20.

    Schönen Gruß

    Tim 8o

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... was, so früh? Ich hatte einen vom 25.7. und der wurde von einem getoppt, den der liebe 1870/71 hatte. Respekt! :) :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Tim,

    ich habe die Rang- und Quartierliste 1870/71 durchgesehen und bin möglicherweise fündig geworden.

    Beim Reserve-Landwehr-Bataillon (Frankfurt a.M.) Nr. 80 diente ein Assistenzarzt Dr. Simrock.

    Vielleicht hilft dir dies bei deinen weiteren Nachforschungen?

    Beste Grüße

    Rudolf

  • Hallo Rudolf,

    erst einmal vielen Dank für den Hinweis, der erste Ausbau dessen zeigt, dass der Dr. Simrock noch weit nach dem Krieg dem Ersatz-Bataillon als Reservist angehörig war, zumindest geht dies aus der Rang-Liste des Offizier-Corps aus dem Jahre 1888 hervor, da wohnte er dann in FFM in der Weserstraße:

    https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/periodika/periodical/pageview/8983353

    Fraglich ist jetzt, welcher übergeordneten Einheit das Reserve-Landwehr-Bataillon (Frankfurt a.M.) Nr. 80 nach der Mobilmachung im Jahre 1870 zugeordnet worden ist. Naheliegend wäre das Füsilier-Regiment „von Gersdorff“ (Kurhessisches) Nr. 80, aber genau dazu fehlt mir leider noch die Regimentsgeschichte.

    Wenn er von seinem Mobilmachungsstützpunkt FFM an einem Tag nach Nierstein marschiert ist, dann kann man verstehen, dass er sich müde und lahm vorkam. Wahrscheinlich werden es aber zwei Marschtage gewesen sein, die er und seine Einheit durch das hessische Ried nach Nierstein absolviert hat.

    Schönen Gruß

    Tim

  • Hallo Hermann,

    ein außergewöhnlicher Beleg :thumbup: ...hier ging es um am Empfangsort "Eingetroffen 9 Paar Stiefel und Socken", gegengezeichnet von einem "Merkel", die zur sog. "kleinen Montur" des Soldaten gehörten, die er auch nach Außerdienststellung behalten durfte. Solche Monturstücke waren im Dezember 1870 gerade bei der Badischen Felddivision (mit Sicherheit) sehr gut nachgefragt.

    70/71 war ein sehr strenger Winter, man hatte gerade im Raum Dijon mit größter Anstrengung unter 940 Mann Verlust das Gefecht von Nuits gewonnen. Der kommandierende General von Glümer war schwer verwundet und durch den preuss. Korpsgeneral von Werder ersetzt worden. Doch längst erwartete den Verband die nächste große Aufgabe, das Herannahen der unter General Bourbaki nach der Niederlage von Orleans bei Bourges neu formierten Armée de l'Est ...die bekanntlich in eine Katastrophe an der schweizer Grenze geführt hat.

    Den Beleg in post1.215 sehe ich jetzt erst, die französischen Zusätze kann ich kaum lesen. Mit dem hat man wohl aber das Nachporto von 3 Decimen begründet. Die Sendung wurde wahrscheinlich von zivil mit Unterstützung der deutschen Feldpost nach der Kapitulation von Paris im März 1871 dorthin befördert. Allerdings als Feldpost weder vorschriftsgemäß mit Einheitsangabe noch vorschriftsgemäß als evtl. Sendung eines Kriegsgefangenen. Deswegen dann eben das Nachporto.

    Schönen Gruß

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (12. April 2023 um 15:48)

  • Hallo Pälzer,

    ich hätte den Portostempel als eine 5 gelesen?

    Der erste Teil des Textes unten soll lauten: ces lettres sont restées 50ans au ministère et rendues à la famille ...

    Wenn ich das richtig übersetze, soll der Brief 50 Jahre zurückgehalten worden sein ehe er an die Familie ausgehändigt wurde.

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Tim,

    die gestempelte Taxzahl ist unzweifelhaft eine gestempelte 5. Werfe deine Augen mal in die Bücher von Joachim Helbig. In einem von denen habe ich der Erinnerung nach die Zahlen gesehen.

    viele Grüße

    Dieter

  • ... ja, ist ein franz. Taxstempel für 5 Decimes.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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