Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Guten Abend,

    als eingefleischter Sammler von Ganzbelegen, konnte ich vor Jahren in Sindelfingen bei dieser Marke nicht widerstehen.

    Hier handelt es sich um die einzig bisher bekannte Marke des NDP mit französischen Telegraphenstempel,

    Es muss wohl nicht darauf hingewiesen werden, dass die NDP-Marken in den

    besetzten Gebieten keine Frankaturkraft besaßen. Obige Marke dürfte vermutlich

    ursprünglich auf einer Korrespondenzkarte geklebt haben.

    Gruß

    1870/71

  • Hallo Rudolf,

    das scheint bei Dir kein Ende mit den krassen Stücken zu nehmen, auch so etwas wie die nicht nötigerweise frankiert ins Feld gelaufene Karte könnte ich im Moment gar nicht zeigen. Hier ist die Wahrscheinlichkeit wohl auch deutlich geringer, dass dergleichen für die Nachwelt erhalten geblieben ist > Klasse ! Die am 25. Juli in Zittau mobilgemachten "102er" standen am 15. September ja schon ca. 50 km nordöstlich von Paris, am 19. sprengten die französischen Verteidiger die letzten Brücken und die Stadt war eingeschlossen. Das gerade einmal 47 Tage nach Beginn des ersten Grenzgefechts (Weissenburg 4. August).

    Der Absender der - sehr gut erhaltenen - Karte anbei war ab 19. September auch bei der Belagerung von Paris dabei. Ausweislich mehrerer anderer Sendungen, die er an seine Mutter nach Halle gesandt hat, war er als Einjährig-Freiwilliger Gefreiter Angehöriger der II. Compagnie im 1. Bataillon des Füsilier-Regiments "Königin" (Schleswig-Holsteinisches) Nr. 86.

    Dieses war zum 24. Juli mobilgemacht und wurde am nächsten Tag mit der Eisenbahn nach Mannheim gebracht. Wie aus der Karte hervorgeht, waren es anstrengende Märsche, die ihn mit seiner Einheit durch die bayerische Pfalz Richtung Frankreich führte. Zum Zeitpunkt als er die Karte verfasste, d.h. am 31. Juli 1860 biwakierte er zum ersten Mal (überhaupt) im Hochspeyerbachtal bei Frankenstein, ca. 20 km östlich von Kaiserslautern. Erst am 30. August 1870 erfolgte der erste Einsatz bei dem Gefecht von Beaumont, der nächste gleich wieder am 1. September bei der Schlacht von Sedan.

    Viele Grüße

  • ... eine Superkarte mit seltenem Halbkreisstempel, den unser Freund Manfred auch mit Kußhand nehmen würde, weil es von dort praktisch gar nichts gibt - und dann soooo eine Karte. :love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    von der Erhaltung her das außergewöhnlichste Stück bisher. Fast wie neu, der typische Faltbug kaum erkennbar, bin auch begeistert. Wenn man mal überlegt, dass ein Regiment im Durchschnitt eine Stärke von 800 Mann Kavallerie und ca. 2.500 Mann Infanterie hatte, dann wird der Expeditor im kleinen Frankenstein in den paar Tagen des Aufmarsches gen Frankreich soviel abgehammert haben wie im Lebtag nicht (mehr). ^^

    Aber viel ist davon ist dennoch nicht erhalten geblieben, Freude entsprechend groß.

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... wir müssen mal auf seine Lebensdaten schauen - vlt. ist er am 2. oder 3. Tag wegen Herzinfarkts verstorben? Na ja, hoffen wir nicht, aber der hatte nicht mal einen 400 Euro Job damals. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Tim,

    bei Feldpostbelegen darf man keine allzu hohe Qualitätsanforderungen stellen. Bei den Karten sind Faltungen die Regel. Insofern ist deine Karte in Spitzenerhaltung.

    Da dir frankierte Korrespondenzkarten so gut gefallen, zeige ich dir eine weitere. Absender war Ullrich v. Boxberg vom 2. Ulanen-Regiment Nr. 18.

    Viel teilt er seinem Vater nicht mit:

    "Ich und die Pferde vollständig gesund Ullrich"

    Obige Karte ist ohne Faltung! Wenn man die Umstände unter denen die Karte geschrieben und aufgegeben wurde kennt, ist dies durchaus verständlich.

    Gruß

    1870/71


  • Hallo,

    der nachfogend gezeigte Prueßische Ganzsachenumschlag zu 1 Sgr. wurde im Dezember 1870 innerhalb von Merseburg (Preuß. Provinz Sachsen) befördert. Das hat natürlich nichts mit dem Thema zu tun.

    Darin befindet sich allerdings ein Brief, der am 11. Dezember 1870 in Dijon geschrieben wurde. Da Dijon im Krieg aber eine gewisse Rolle spielte - es war vom 31. Oktober bis zum, 27 Dezember 1870 von deutschen Truppen besetzt - erwartete ich einige Informationen zur persönlichen Situation des Briefschreibers bzw. zur militärischen Lage. Ich wurde aber enttäuscht. Zwar kann ich wegen mangelhafter "Schriftkenntnisse" nur einen Teil des Textes lesen. In erster Linie geht es um Danksagung für erhaltene Zigarren und Wünsche zum bevorstehenden Weihnachtsfest. Interessant finde ich aber die Klage darüber, dass ein erhaltenes Paket "ganz zerrissen" war und er feststellen musste, dass ein großer Teil der enthaltenen Zigarren fehlte (ich hoffe, daß ich das richtig gelesen habe). Es klingt so, als ob das des öfteren vorkommen würde. War das tatsächlich so oder eine Ausnahme?

    Aus dem Brief geht leider weder der Name noch die militärische Einheit des Briefschreibers hervor.

    Vielleicht können "Schriftgelehrte" dem Brief noch weitere Informationen entnehmen.

    Beste Grüße

    Jürgen

  • Hallo,

    wenn man den Namen von dem Herrn Lieutenant hinbekommen könnte, dessen Diener dem Adressaten die guten Zigarren zukommen gelassen hat, dann könnte man die Einheit über die mir vorliegende Offiziers-Rangliste 1870-71 bestimmen. Ich kann alles lesen, was da geschrieben steht, nur ausgerechnet diesen Namen nicht. Jeder Buchstabe macht für sich ein Problem, es ist wie verhext. Ich sehen ferner, dass der Brief umseitig noch weiter geht, steht da nicht evtl. noch etwas in dieser Richtung weiterführendes ?

    + Gruß

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    es fehlen nur wenige Zeilen mit weiteren Weihnachtswünschen

    .

    Die Frage nach der Einheit ist gelöst, für mich zumindest teilweise. An anderer Stelle in unserer Heimatsammlung habe ich einen weiteren Brief des gleichen Absenders gefunden. Es ist ein kleiner Umschlag (11 x 7 cm), gekennzeichnet als "Feldpostbrief mit Stempel "K.PR.FELD_POSTAMT / 2. ARMEE_CPS" vom 4.2. (1871). Auf der Siegelseite ist der Abssender angegeben, den ich wieder nicht vollständig lesen kann. Wie ist der Dienstgrad und die Bezeichnung des Reserve-Regimentts? Meiner Meinung nach handelt es sich um Kavallerie ("Eskadron").

    Der im Umschlag befindliche Brief wurde am 3. Februar in Buvilly geschrtieben, einem kleinen Dorf am französischen Jura, unweit der Grenze zur Schweiz. Das lässt mich an die Verfolgung der Bourbaki-Armee und deren Grenzübertritt in die Schweiz denken. In dem Brief an einen "lieben Freund" gerichteten Brief geht es wieder nur um Zigarren. Wichtig finde ich den letzten Satz des Briefes "Schreib mir doch ob es bald zum Frieden kommen wird"

    Besten Dank und viele Grüße

    Jürgen

  • Hallo Jürgen,

    super kombiniert ! Das war der Hus(ar) Frank (?) d(er) 4. Esc(adron) Hus(aren)-Reserve-Regiment No. 2. Hier mal ein Bild von vom dritten, so müsste auch er in etwa dahergekommen sein:

    https://www.pinterest.de/pin/536350636853048686/

    Das II. Armeekorps war unter dem Kommando von General Fransecky in der Tat bis 1. Feburar 1872 an der Verfolgung der Bourbarki-Armee beteiligt.

    Da wird er dabei gewesen sein und eigentlich schon einiges von den dramatischen Ereignissen im franzöischen Jura zu berichten gehabt haben. Aber das mit den Zigarren war ihm wohl weitaus am wichtigsten. ^^

    Viele Grüße

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (6. Februar 2021 um 17:30)

  • Hallo Tim,

    vielen Dank für die Informationen. Nun kann ich die beiden Briefe in den richtigen Kontext bringen.

    Es ist für mich sehr verwunderlich, dass die Sorge um den Nachschub an Zigarren offensichtlich das größte Problem des braven Husaren war. Die Verfolgung der Bourbaky-Armmee hat ja wohl unter sehr widrigen Wittterungsbedingungen stattgefunden.

    Nochmals mein Dank und beste Grüße

    Jürgen

  • Guten Abend zusammen,

    dem Beleg anbei ist zunächst ein wenig Lokalkolorit vorausszuschicken: Aufgegeben wurde er am 16. September 1870 in Schlanstedt (Harz) ins ca. 18 km weiter südlich liegende Halberstadt (Harz), wo er ausweislich des vorne unten links angebrachten Ausgabeabschlags am 15. September 1870, sprich "einen Tag früher" angekommen ist. Fängt ja schon gut an... Dem Inhalt zu Folge ging es dann um einen Soldaten aus dem ca. 110 km nördlich vom Aufgabeort gelegenen Örtchen Diesdorf in der westlichen Altmark:

    Herrn Günter Vollnhagen / Halberstadt

    Schlanstedt, den 16/9.70

    Lieber Freund,

    meine Schwester schrieb mir gestern: "Heinrich Dreyer aus Diesdorf ist gefallen; der Oberst hat dies selbst seinem Vater geschrieben und dabei bemerkt, dass er (der Oberst) ihm viel Dank schulde; er habe ihm zweimal das Leben gerettet. Als er verwundet worden sei, habe Dreyer das Kommando übernommen und hierbei seinen Heldentod, Kugel durch die Brust, gefunden. Der Oberst bedauert wie auch jeder Diesdorfer den braven Soldaten, denn er hat einen ganz anderen Lebenswandel geführt wie früher". Mit dieser Nachricht glaubt zu dienen, Dein Freund - Unterzeichner -

    Jetzt findet man in der Verlustliste No. 76 in der Tat einen Heinrich Friedrich Wilhelm Dreyer aus Diesdorf, welcher als Unteroffizier der 11. Compagnie des Magdeburgischen Füsilier Regiments No. 36 am 18. August 1870 bei dem Gefecht in Chantraine westlich von Epinal / Vogesen durch einen Schuss in den Unterleib schwer verwundet worden, aber nicht gefallen ist. Die Angabe der Verlustliste, deckt sich auch nicht mit dem in der Karte angegebenen Heldentod in Folge einer durch die Brust gegagenen Kugel.

    1870/71: Verlustliste Nr. 76 - Onlineprojekt Gefallenendenkmäler

    So müsste der tapfere Unteroffizier Dreyer erst ca. 3 Wochen nach seiner Verwundung in einem Lazarett daran verstorben sein. Bei dem besagten Obersten handelt es sich lt. Offiziersrangliste um keinen geringeren als den Regimentskommandeur Oberst-Lieutenant Heinrich von Schramm. Auch er hat seine Tapferkeit offenbar mehrfach bewiesen, da er später am 4. Dezember 1870 in der Schlacht von Orleans trotz eines Schrammschusses am Knie bei seiner Truppe blieb.

    https://adelsquellen.de/adelsforschung1/ehren00.htm

    In Chantraine findet sich ein Denkmal seines Regiments.

    https://books.google.de/books?id=vCY7a…870%20.&f=false

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Lieber Tim,

    trauriger Inhalt, aber eine feine Arrondierung des Themas. :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    da hast Du wirklich Recht. Trotz dem traurigen Anlass, alles so zusammen zu bekommen, und fast allem an der Karte auf den Grund zu kommen ist schon bemerkenswert. Und dann hat auch noch die Post in Halberstadt fast einen ganzen Tag lang falsch datiert gestempelt.

    LG:thumbup:

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo zusammen,

    zwischendrin ein bischen off topic, die schon etwas weiter zuvor angekündigte CH-Neuausgabe mit einem Motiv aus dem Luzerner Panoramabild ("Riesenrundbild") über die Internierung der Bourbaki-Armee in der Schweiz im Winter 1871.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bourbaki-Panorama

    https://blog.nationalmuseum.ch/2019/09/die-bourbaki-armee/

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • ... zur Arrondierung allemal geeignet! :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.