Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Verehrte Sammlerfreunde, 


    eine Anfangs des Krieges 1870/71 wenig, dann aber recht schnell umso mehr beachtete Truppengattung waren die Pioniere, welche sich im Wesentlichen aus Ingenieurkorps, Sappeure, Pontoniere und Mineure zusammensetzte. Ihre aus vergangenen Kriegen klassische Rolle mit Schanzaufgaben, Einrichten von Annährungsgräben und Stollen zum Sprengen der Mauern von Belagerungsfestungen wurde durch die enorm schnellen Bewegungen im deutsch-französischen Krieg regelrecht überrumpelt.

    Das fing schon bei einer wesentlichen Komponente der neuen schnellen Mobilisierung, dem von Moltke minutiös ausgearbeiteten Eisenbahnaufmarsch an. Hier konnte das zivile Bahnpersonal an den Bahnhöfen im Aufmarschgebiet weder für ausreichende Be- und Entladungseinrichtungen, noch für die erforderlichen Ertüchtigungen am Gleisnetz sorgen. Pioniere mussten dann auch nach Übertritt der Grenze an den dort vom Militär in Anspruch genommenen Bahnhöfen ad hoc bei der Erstellung von zusätzlichen Laderampen und Gleisanlagen mitimprovisieren.

    Während der ersten Schlachten im Unterlessass wurden sie entgegen des tatsächlichen Bedarfs lediglich zu kleineren Wegverbesserungen, zum Bewegen von Geschützen der Artillerie und zum Biwakbau herangezogen. Im Gefecht standen die noch völlig unkoordiniert eingesetzten Brückenkolonnen mit ihren langsam fahrenden Brückenwagen den sich schnell bewegenden Infanterie- und Kavallerieeinheiten mehr störend als helfend im Weg. Da die Pioniere nach den Starkregenfällen Anfang August einige hochwasserführende Bäche auf Feindgebiet nicht frühzeitig für die dringend notwendigen (Behelfs-)Brückenschläge erreichen konnten, ertranken einige sie durchwatend versuchende Infanteristen.

    Auch das hätte nicht passieren müssen. Obendrein aber wurden die z.T. schlecht bewaffneten Pioniere selbst in den Kampfeinsatz geschoben, bspw. in der Schlacht von Woerth-Froeschwiller und dort sogar überraschend erfolgreich. Die Festungspioniere (Sappeure / Mineure) hatten vergleichsweise überschaubare Aufgaben (bspw. Belagerungen von Straßburg, Metz, Verdun), da man auf der „Hatz nach Paris“ die Festungen des Gegners im Wesentlichen einfach umging.

    Das war im Grunde auch richtig und schnell verstand man es die Pioniere ihrer Fähigkeiten gerecht, nunmehr frühzeitig genug für die Errichtung von Flussübergängen, für die dringend nötige Wiederherstellung der vom Feind zerstörten Eisenbahn- und Telegraphenverbindungen, Brücken und Tunnels einzusetzen. Somit fanden sie letztendlich doch ihre - definitiv kriegsmitentscheidende - Rolle. Wem solche gehobenen Aufgaben anvertraut waren, der benötigte dafür auch ausreichend Orientierung im Terrain.

    Und wie wenn er und seine Vorgesetzten es vorausgesehen hätten, bestellt der dem Hessischen Pionierbataillon Nr. 11 in der III. Ingenieur-Inspektion angehörige Premierleutnant von Appell mit anbei abgebildeter Feldpostkarte vom Verlag von Ziegler im heimischen Mainz Kartenmaterial „vom Kriegsschauplatz“. Dazu aber zunächst die Transcription, die einige Schatten vorauswirft:


    Herrn Buchhändler V(ictor) von Zabern

    Hochwohlgeboren Mainz / Ludwigstraße


    Ich bitte für folgende Herren aufgezogene Spezialkarten des Kriegsschauplatzes (z.B. Liebenow): Sec(onde) Lieutenants Lenné (2. Comp.), Haas, (3. Comp.), Schubert (2. Comp.), von Ammon (3. Comp.), dem Feldwebel Grafsmann (2. Comp), Premierlieutenant von Appell (2. Comp.), der 2. und 3. mobilen Pionier-Compagnie im XI. Armee-Corps, 22. Division per Feldpost zu übersenden. Sollten noch keine Pakete befördert werden, dann an die einzelnen Herren per Kreuzband. Betrag (für mich nach meiner re??ierenden Schuld) per Postvorschuss. Adresse: An Herrn N.N. Sec(onde) / Pr(emier) Lieutenants in der 2. (3.) mobilen Pionier-Compagnie Hessisches Pionierbataillon No. 11, XI. Armee-Corps, 22. Division per Feldpost.  

    Von Appell Premier-Lieutenant in der 2. mobilen Pionier-Compagnie, Hessisches Pionierbataillon No. 11


    Bellheim bei Germersheim 31. Juli 1870


    Vieles in diesem Bestellschreiben ist bemerkenswert. Der Adressat Victor von Zabern (1810-1880) führte damals den im Jahre 1802 in Mainz gegründeten gleichnamigen Verlag, sein älterer Bruder Karl-Theodor die dazugehörige Druckerei. Interessant zunächst der Hinweis auf den Versand der Karten im Konvolut als Feldpostpaket und alternativ als Einzel-Kreuzbandsendung. Egal wie es dann vom Verlag aus erfolgte, es deutet auf einen doch bereits weitestgehend funktionsfähigen preußischen Feldpostdienst hin.

    Was allerdings nicht so rund lief, war die Beförderung der Bestellkarte, die erst 6 Tage später den „Steinwurf“ von Bellheim nach Mainz hinter sich hatte. Da waren deutsche Truppen bekanntlich bereits tief uns Unterelsass eingedrungen. Aber das ist aufgrund der Prioritätensetzungen des von Moltke energisch in Richtung Grenze konzipierten Eisenbahnaufmarsches durchaus verständlich, in der Gegenrichtung lief deswegen vorerst fast gar nichts.

    Auf den ersten Blick unverständlich erscheint allerdings, dass sich seine Offiziere erst kurz vor dem Konflikt noch selbst Karten zur Orientierung bestellen mussten. Der Verfasser von Appell nennt hier exemplarisch solche des Topographen und Kartographen Johannes Wilhelm Liebenow (1822-1897).

    Dessen Hauptwerk, die erst 1884 vollständig vollendete Spezialkarte von Mitteleuropa mit 164 Blättern im Maßstab 1:300.000, wurde ausdrücklich auf Anregung des Chefs des Generalstabs von Moltke begonnen. Die westlichen Sektionen dieser Karte, welche die Landschaften vom Rhein bis Paris umfassten, mussten wegen des drohenden Krieges mit Frankreich unter großem Zeitdruck hergestellt werden.

    Sie erschienen erst kurz vor der Kriegserklärung und hatten den deutschen Truppen, denen rd. 50.000 Abzüge zur Verfügung standen, während des Marsches wesentliche Dienste geleistet. Liebenow selbst war während des Krieges Mitglied der zum Großen Hauptquartier gehörenden Eisenbahn-Exekutivkommission und erwarb sich durch seine Verdienste das Eiserne Kreuz und den bayerischen Militärverdienstorden. Während der Friedensverhandlungen von Versailles und zu Brüssel wurde er bei der Feststellung der neuen deutsch-französischen Grenze von Bismarck als kartographischer Sachverständiger herangezogen.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    verwendete Quellen:

    https://books.google.de/books?id=C0oMA…%201870&f=false
    https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Liebenow

    https://de.wikipedia.org/wiki/Verlag_Philipp_von_Zabern

  • Hallo Pälzer,

    feiner Vortrag der Situation und ich hätte auch gedacht, dass die Karten längst vorhanden gewesen wären und nicht erst hätten nachbestellt werden müssen.

    Auf der anderen Seite hat Frankreich den Krieg (auch) verloren, weil sie praktisch nur Karten von Deutschland hatten und über die eigenen Gefilden uninformiert waren.

    Auch die Karte kann sich wahrlich sehen lassen - gut geschrieben, nett gestempelt und komplett erhalten, das hat man ja leider nicht immer bei diesen Feldpostkarten, aber die war auch wichtig und bestand nicht nur aus Reisebeschreibungen zur Front, die schnell mit dem Bleistift aufgekritzelt wurden (aber deswegen nichts desto weniger trotz auch hochinteressant sind). :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    merci, kriegst Du noch den Klammersatz in der Poka geknackt, isch sitz mol widda uffm Schlauch, weeeschd.

    + Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Klar:

    "(für mich nach der immer restirenden Schuld" = sinngemäß "ich bleibe immer in deiner Schuld.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ...wau !

    Das hab ich Trottel zuerst auch so gelesen, aber keinen Schuh draus machen können und verworfen, da mir das Wort so nicht geläufig ist. Manchmal muss man anscheinend etwas "kreativer" an sowas rangehen. ^^

    Merci + Gruß!

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo zusammen,

    es ist ja schon öfters einmal angesprochen worden, dass insbesondere am Anfang des Krieges noch die eine oder andere Unklarheit in der Truppe vorherrschte, wie denn nun eingentlich korrekt mit der Aufgabe von Feldpost zu verfahren war. Die einen schleppten unnötigerweise vorfrankierte Formulare mit z.T. in Bayern gar nicht gültigen Marken mit sich, die anderen wussten nicht, dass zur Erlangung der Portofreiheit als Absender Rang, Name und Einheit anzugeben waren. Ersteres wurde hier schon an einigen Beispielen gezeigt, das Letztere trifft auf den anbei gezeigten, am 3. August 1870 im vorderpfälzischen Haßloch aufgegeben Beleg zu.

    Es reichte natürlich bei Weitem nicht aus, wie hier geschehen auf dem Brief einfach nur "Feldpost" und rückseitig den Aufgabeort mit Datum ohne jedwede Absenderangaben in den Briefkasten zu werfen. Hätte ja im Prinzip jeder Zivilist einfach so machen und sich die Freigebühr sparen können. Somit wäre das eigentlich auch zu beanstanden gewesen. Aber für die Haßlocher Postexpedition war in der Höchstphase des Aufmarsches gegen die französische Grenze wohl klar, dass eine Sendung ins weit entfernte Reichenhall / Oberbayern höchstwahrscheinlich schon von einem Armeeangehörigen entstammt, der die Pfalz vor einem - zu diesem Zeitpunkt durchaus nicht auszuschließenden - Einmarsch kaiserlicher Truppen schützt und hat, wie so oft in diesen Anfangswirren, ein Auge zugedrückt.

    Leider hat der Beleg aber auch keinen Inhalt, so dass so nicht einmal ein gesicherter Rückschluss auf die Einheit möglich gewesen wäre. Wie der Zufall es aber so will, taucht just zum Zeitpunkt dieses Neuzugangs auf einer aktuell abgeschlossenen Auktion ein alles aufklärendes Belegstück an den gleichen Adressat vom Oktober 1870 auf. Der klar erkennbar gleiche Absender hat hier dann alles richtig gemacht und sich damit "geoutet": Der Korporal (Unteroffizier) Gottfried Mack war Angehöriger des Königlich Bayerischen 2. Jägerbatallions (Stammgarnison Würzburg), welches dem Königlich Bayerischen 1. Armeekorps (1. Division, 1. Brigade) unterstellt war.

    Es wird beim Aufmarsch in der Pfalz Anfang August 1870 in Haßloch kantonniert oder biwakiert haben und war dann 3 Tage nach der Briefaufgabe in der 1870 Schlacht bei Woerth-Froeschwiller eingesetzt. Später erfolgte die Beteiligung bei der Schlacht von Beaumont, Sedan, der Einnahme von Orléans, bei den Schlachten bei Loigny-Pouvry (Bazches-les-Hautes), bei Artenay, Orléans und Beaugency, im Winter 1870-71 schließlich bei der Belagerung von Paris. Am Aufgabeort Orléans hatten die Bayern eine äußerst schwierige Rolle zu bewältigen:

    Nach dem Gefecht bei Artenay am 10. Oktober 1870 konnte Stadt an der Loire am folgenden Tag besetzt werden. Die Verstärkungstruppen wurden jedoch bald darauf für andere Aufgaben abgezogen, so dass das Bayerische I. Armee-Korps die ersten Kämpfe mit der von General Chanzy kommandierten Loirearmee alleine bestreiten musste. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Coulmier mussten die Bayern auf Artenay zurückgehen, Orléans ging dabei am 9. November 1870 wieder verloren.


    Last but not least haut es einem dann schon ein bischen aus den Latschen, dass es sich bei dem Adressaten, dem Reichenhaller Apotheker Mathias Mack (1801 - 1901) um keinen Geringeren, als den Erfinder der Destillation des legendären Latschenkieferöls handelte, welcher von 1844 - 1856 auch das Amt des Bürgermeisters der Stadt bekleidet hatte:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Mathias_Mack

    https://www.geni.com/people/Mathias-Mack/6000000004096070947

    https://bgl.wiki/bgl/Liste_der_…Bad_Reichenhall

    Und um die Sache dann ganz rund zu machen, konnte hiermit...

    https://www.geni.com/people/Gottfri…000004097190640

    ...klargestellt werden, dass es sich bei dem Absender Gottfried Mack (1846 - 1899) um einen seiner insgesamt sieben Söhne handelte, der den Krieg überstanden und von der Armee sogar im Rang eines Majors in den Ruhestand versetzt wurde. Dass die beiden Belege rechts jeweils etwas verkürzt daherkommen, lässt sich so natürlich getrost verschmerzen.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Hallo Tim,

    das ist natürlich ein Fünfer im Lotto (mindestens), wenn man kurz hintereinander 2 passende Briefe findet und dadurch den 1. (für mich immer wertvolleren, weil Aufmarschzeit in der Pfalz) klar zuordnen kann.

    Ich denke, dass es sogar einer korrekten Franchise gar nicht bedurfte hätte - da stand einer in Uniform herum (in Heimischer, wohlgemerkt!) und wollte seine Post aufgeben - da hat man freudig erregt das Schreiben angenommen, vlt. sogar salutiert und alles Gute für den anstehenden Feldzug gewünscht.

    Oder einer von der Truppe brachte die gesamte Post derselben ein oder zwei Mal am Tag bei der Post vorbei und war auch schon bekannt. Bei den Verhältnissen, die in einem Pfälzer Dorf durch die Soldaten mit ihrem Tross unterstellt werden dürfen, dürfte man froh gewesen sein, dass in ein paar Tagen der ganze Trubel endlich vorbei war und die Normalität einkehren konnte. Hie und da scheinen die Verhältnisse äußerst chaotisch gewesen zu sein, weil kleine Dörfer (Haßloch war ja noch relativ groß, schon damals) für derlei Massenversammlungen überhaupt nicht geeignet waren.

    Umso schöner, wenn aus dieser ja doch recht kurzen Zeit noch immer so viel Material vorhanden ist und man die Geschichte von 1870/71 praktisch im Album heute noch "nachspielen" kann - was kann es Besseres geben?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    tja, das mit der Franchise, das ist so eine Sache. Wenn es tatsächlich so ausreichend (gewesen) wäre, das mit dem persönlichen Erscheinen von Soldaten am Postschalter, dann hätte das ja auch (weit) später gereicht, wenn sie ihre Post ohne Franchise oder Truppenstempel bei der Feldpost-Dienststelle abgegeben hätten. Da hätte die in der Heimat weiterbefördernde Zivilpost ja auch sagen können, brauchen wir keine Franchise, das kommt ja von den Kollegen von der Feldpost, die werden schon richtig angenommen haben. Trotzdem wurde es ja aber gerade im weiteren Verlauf des Krieges mit Franchise generell so praktiziert. Ich glaube das macht auch deswegen Sinn, dass man auf dem Weg der Weiterbeförderung bis zur Zustellung nichts zum spekulieren, sondern egal wo und wann klare Patente hatte. Ansonsten ist das schon eine schöne Kombination, die die Sammlung optisch auflockert, was man so ja wirklich nicht oft hat.

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    klar war am Anfang Unwissen ein fleißiger Mitschreiben von Briefen und Karten und im weiteren Verlauf hat man alles perfektioniert.

    Es gibt aber auch dort Postbetrügereien von Leuten, die nicht direkt mit der Armee zu tun hatten, keine Portofreiheit hatten und trotzdem versuchten, ihr Ding zu drehen - aber das sind sehr seltene Stücke, die unerkannt blieben bzw. bei den Massen damals durchschlüpften.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Auf der anderen Seite hat Frankreich den Krieg (auch) verloren, weil sie praktisch nur Karten von Deutschland hatten und über die eigenen Gefilden uninformiert waren.

    Hallo zusammen,

    anbei eine kleine Nachlese zu der vorstehenden Feststellung von @bk.

    Hierzu eine Passage aus den nach der Entscheidungsschlacht von Sedan im Schloss von Donchery am 2. September 1870 gescheiterten Kapitulationsverhandlungen zwischen dem auf französischer Seite kommandierenden General von Wimpfen, Bismarck und Generalfeldmarschall von Moltke.

    Nachdem von Wimpfen die harten Kapitulationsbedingungen von Moltke als für die französische Nation in höchstem Maße ehrverletztend ansah und deswegen seine Bereitschaft bekundete, den Kampf wieder aufzunehmen zu wollen, erwiderte zunächst Bismarck:

    "General v. Moltke wird Ihnen, wie ich hoffe, den Beweis führen, daß jeder Widerstand von Ihrer Seite vergeblich ist." Man setzte sich wieder.

    General v. Moltke nahm das Wort: "Ich bestätige aufs Neue, daß ein Durchbrechungsversuch nie und nimmer gelingen kann; denn abgesehen von unserer großen Ueberlegenheit an Truppen und Artillerie, verfügen wir auch über Positionen, von denen aus wir im Stande sind, Sedan in zwei Stunden in Brand zu schießen."

    "Oh, diese Positionen sind nicht so stark, wie Sie sie schildern,’"unterbrach General v. Wimpfen.

    "Sie kennen nicht die Topographie der Umgebung von Sedan,"fuhr General v. Moltke fort, "und hier ist so recht ein Fall gegeben, um die Einbildungen Ihrer Nation an einem Musterbeispiel zu zeigen.

    Bei Beginn des Feldzuges sind Karten von Deutschland an alle Offiziere der französischen Armee vertheilt worden und so haben Sie sich selber des Mittels beraubt, in entscheidenden Momenten sich im eigenen Lande zurechtfinden zu können."

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (1. Mai 2020 um 21:40)

  • Liebe Sammlerfreunde.

    Ich habe mal wieder in meiner Kiste geschaut und folgenden Brief gefunden.

    Am 30.08.1870 sandte Ludwig Wotschack seinen Brief von Sulzbach nach Wien. Einen Tag später am 31.08.1870 erreichte der Brief Wien. Sein Bruder Hans Wotschack befand sich zu diesem Zeitpunkt bei der Firma Gerold & Comp.

    Der deutsch-französische Krieg war zu diesem Zeitpunkt gute 6 Wochen alt und beeinflusste schon da das Leben der Menschen, wie aus dem Briefinhalt ersichtlich ist.

    Mein lieber Bruder Hans! 


    Für Deinen lieben Brief, sowie für die 

    herzliche Gratulation meinen herzlichen & 

    innigsten Dank. 

    Wegen den Militair Angelegenheiten, kann 

    ich Dir noch nichts näheres angeben, ich habe 

    bis jetzt nichts mehr gehört. Jos(eph). Fellerer 

    mußte vergangenen Mittwoch sofort nach 

    Germersheim zum 4ten Artillerie Regiment 

    einrücken. – 

    Daß in Wien auch so stark gerüstet wird, 

    überraschte mich sehr stark & kann man sich gar 

    nicht denken, was da noch kommen soll.- 

    Lieber Hans, wir wollen das Beste hoffen & 

    wird hoffentlich alles wieder gut werden. – 

    /: Wer auf Gott vertraut, hat auf keinen Sand 

    gebaut! : / 

    Sobald ich etwas hören sollte, kannst Du 

    Dir denken, daß es mein Erstes ist, Dir 

    Nachricht davon zu geben. ./. 

    Nochmals meinen herzlichen Dank sagend, 

    schließt unter den herzlichsten Grüßen & Küssen 


    Dein 

    Dich treu liebender Bruder 

    Eiligst Ludwig 



    Von Allen die herzlichsten Grüße. ./. 

    Lieb Vater wird heute auch noch schreiben. ./.

    Das Königlich Bayerische 4. Feldartillerie-Regiment "König" befand sich seit 1868 in der Festung von Germersheim.

    Es war an den Schlachten von Weißenburg, Wörth, sedan, Loigny und Poupry sowie Beaugency beteiligt.

    Obwohl von einer starken Rüstung in Wien gesprochen wird, hielt sich Österreich im deutsch-französichen Krieg eher neutral.

    Viele Grüße

    kreuzerjäger

    Der Öffentlickeit ist ein simple Lüge lieber als eine komplizierte Wahrheit.

    (T.R. Richmond)

  • :thumbup::thumbup:

    Österreich hatte, so weit ich weiß, auch Soldaten (Freiwillige) auf deutscher Seite am Start, habe ich mal gehört, von daher wären sie eher gegen, als mit den Franzosen in den Krieg gezogen, aber von Rüstungen wusste ich bisher noch gar nichts. Danke für die Quelle und ein schöner Brief ist es ja allemal.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Kreuzerjäger,

    wieder aus der Kiste und aus dem Leben gegriffen. Sagenhaft ! Kaiser Napoleon III. wollte vor dem Konflikt Österreich und Italien zu einem Dreibund gegen Preussen bewegen, das hat ja aber bekanntlich nicht geklappt. Ende August 1870 hatte lt. Tagebuch des deutsch-französischen Krieges 70/71 Österreich gegenüber Rußland und Großbritannien sogar angeregt, dass man zwischen den Kriegsparteien Mediationsverhandlungen führen möge. Dies allerdings nur aus der Postion jeweils eigener militärischer Stärke heraus. Aber Mediation zwischen den Konfliktparteien ist ja dann wenige Tage später, nach Sedan umso unwahrscheinlicher geworden. Der Erfolg der preussischen Militärführung hat Österreich demgegenüber jedoch umso besorgter über eine damit immer wahrscheinlicher werdende deutschen Einigung werden lassen. Das mögen nur ganz oberflächlich dargelegt, Gründe für die Beobachtungen des Verfassers gewesen sein.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo ihr zwei.

    Das in Wien gerüstet wurde, war mir auch neu. Ich konnte bisher dazu aber noch nichts finden im großen weiten Internet.

    Und das mit dem Dreibund lieber Pälzer , habe ich erst bei der Recherche zu dem Brief herausgefunden.

    Das habe ich aber in meiner "ausführlichen Beschreibung" aufgeführt. Hier im Forum ist nur die Kurzfassung. ;)

    Viele Grüße

    kreuzerjäger

    Der Öffentlickeit ist ein simple Lüge lieber als eine komplizierte Wahrheit.

    (T.R. Richmond)

  • Liebe Freunde,

    im Moment habe ich keinen Scanner zur Verfügung, aber einen Brief vom 18. Juli 1870, ebenfalls aus der Wotschack-Korespondenz, vom Vorabend des Kriegs, habe ich auch.

    Letztes Jahr hatte übrigens ein Händler (war’s Arbeiter?) auf der Münchner Messe ein kleines Konvolut mit Briefen aus dieser Zeit, praktisch alle mit Inhalt, aber leider alle mit schlecht gestempelten und geschnittenen Marken der Nr. 15. Deshalb habe ich auf einen Kauf verzichtet.

    Sulzbach 18. Juli 1870

    Herzlich geliebter Johann!

    Mit Ludwigs & Wedels Reise nach Wien

    ist es nichts. Die kriegerischen Ereignisse haben

    alles zu Wasser gemacht. Wedels Urlaub

    ist gestern von der Ostbahndirektion wieder

    zurückgenommen worden & darf sich Niemand

    von seinem Posten entfernen. Trachte also,

    daß Du rechtbald hieher kommst, ehe etwa

    die Eisenbahnzüge für Private geschlossen

    werden. Am Donnerstag sollen schon die

    Militair Züge beginnen. – Das wird ein

    trauriger Krieg, Gott, wie wird es Ludwig

    gehen! – Alles wird einberufen! Die Zeitungen

    bringen ja das Nähere. –

    Schreibe zu gleich lieber guter Hans

    wann du hieher kommst. – Säume nicht,

    ehe es zu spät wird. Die Geschäfte

    werden jetzt ohnehin überall schlecht gehen.

    Mit aller Liebe unter den herzlichsten

    Grüssen von allen Dein Dich liebender Vater

    D.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

    Einmal editiert, zuletzt von Erdinger (5. Mai 2020 um 14:26) aus folgendem Grund: Bilder ergänzt

  • Lieber Erdinger.

    Auch dieser Inhalt ist sehr interessant, Einen Tag vor Kriegsbeginn.

    Waren denn die Briefe die du auf der Messe gesehen hast, alle aus der Kriegszeit?

    Wenn ja und würden mir diese Briefe jetzt über den weg laufen, dann würde ich versuchen diese für kleines Geld zu bekommen, sofern sie einen Inhalt hätten.

    Viele Grüße

    Kreuzerjäger

    Der Öffentlickeit ist ein simple Lüge lieber als eine komplizierte Wahrheit.

    (T.R. Richmond)

  • Hallo Kreuzerjäger,

    ich muss mich entschuldigen, ich habe das mit dem gescheiterten Versuch einer gegen Preussen gerichteten Triple-Alliance zwischen Frankreich, Italien und Österreich zu oberflächlich angespochen.

    Es ging mir nicht um eine Wiederholung derer, sondern vielmehr darum, dass sie für die vom Briefverfasser zum 30. August 1870 festgestellte Aufrüstung Österreichs nicht wirklich mehr als Anlass in Frage kam. Warum ?

    Merkwürdigerweise wird in den im www schnell auffindbaren Darstellungen des Dreibunds 1868-1870 nicht (klar) angesprochen, dass Russland und Preussen unter Federführung Bismarcks ebenfalls seit 1868 eine Schattenallianz gegen Frankreich und Österreich gebildet hatten.

    War diese lange Zeit noch vage definiert und inoffiziell, so wurde sie drei Tage vor der Kriegserklärung Frankreichs durch ein Telegramm vom 16. Juli 1870 des norddeutschen Geschäftsträgers in St. Petersburg an König Wilhem I. für alle Seiten unmissverständlich:

    „Der Kaiser (Anm.: Zar Alexander II.) hat mich autorisiert, Eurer Majestät zu schreiben, daß, im Fall Österreich aus seiner Neutralität heraustreten sollte, der Kaiser eine Armee von 300.000 Mann an der Grenze aufstellen würde, um die Streitkräfte Österreichs zu parallelisieren. Sollten die kriegerischen Verhältnisse es erheischen, so würde der Kaiser eventuell zur Besetzung Galiziens schreiten. - Der Kaiser ist natürlich sehr betrübt darüber, daß der Krieg nun entschieden ist. Nachdem alles das, was er gewünscht hatte, die Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern, stattgefunden hat, steht er durchaus auf Eurer Majestät Seite. [...] Die Stimmung ist hier im allgemeinen Preußen sehr günstig. Die Mehrzahl hofft, daß der Sieg Eurer Majestät Fahne folgen wird. Es wird im Publikum als ganz selbstredend angenommen, daß Rußland eine Teilnahme Österreichs am Kriege nicht dulden wird. Natürlich spricht da der vom Krimkriege herrührende Haß mit. In Wien ist man auch der Überzeugung, daß im obigen Fall die Kosaken, wie es in der Depesche heißt, gleich in Galizien sein würden.“

    Unverzüglich ließ Wilhelm I. ein überschwängliches Dankschreiben an Alexander II. abschicken, der Zar habe sogar mehr in Aussicht gestellt, als man in Berlin erwartet habe. Insofern kann die vom Verfasser 1 1/2 Monate später zum 30. August 1870 bemerkte Aufrüstung Österreichs, d.h. nach der Einschließung der französischen Rheinarmee in Metz und kurz vor dem Entscheidungsschlag in Sedan eigentlich nicht mehr dem Offensivgedanken einer Triple-Alliance gegen Preussen geschuldet sein.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    verwendete Quelle:

    https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoo…ssay_Becker.pdf

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    2 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (4. Mai 2020 um 21:50)

  • ... alles sehr interessant, was da hinter den Kulissen lief - klasse! :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.