Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Hallo bk,


    hinten fehlt von der Briefklappe doch einiges, da hat der Absender auch öfters mal seine - bisweilen klitzekleinen - Einheitsangaben gemacht, welche also leider rausgerissen sein könnten. Ich weiss auch gar nicht, ob diese Pflichtangaben nötig waren, wenn man im Feld persönlich als Soldat zwecks Aufgabe eines Einschreibens erschien....immer wieder neue Rätsel 8)


    Da es an einen Juwelier nach Regensburg gegangen ist, dann ist davon auszugehen, dass der selbige dem Absender auch bereits hinlänglich bekannt war, sprich, dass er selbst aus Regensburg oder der näheren Umgebung entstammt. Was dazu als Militärverband am wahrscheinlichsten passt, ist das Königlich Bayerische 11. Infanterie Regiment "von der Tann" mit Stammgarnison - eben - in Regensburg.


    Es hatte gegen Ende des Krieges an der Belagerung von Paris teilgenommen. Um den 8. April 1871 sollten das I. und II. Bataillon eigentlich schon auf dem Rückweg in die Heimat sein, was aber wegen dem Aufstand der Kommunarden hinausgezögert wurde. Das I. Bataillon kam ins Fort de Nogent, das II. lag in Fontenay. Der Rückmarsch nach Regensburg erfolgte ab 6. Juni 1871.


    Das III. Bataillon hatte Paris schon am 7. März verlassen und lag zum Zeitpunkt der Briefaufgabe ca. 75 km östlich davon bei Cocherel, es wurde dann zum 5. Mai noch einmal ca . 10 km weiter südlich in La Ferté sous Jonarre an der Marne Quartier bezogen, bevor es dann am 4. Juni 1871 ebenfalls zurück nach Regensburg ging.


    Das Regiment gehörte der III. Armee an, deren Postamt vom 22. März - 17. Mai 1871 in Compiégne, also ca. 85 km nordöstlich von Paris und ca. 65 km nordwestlich von La Ferté sous Jonarre lag.


    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer ()

  • Hallo Pälzer,


    danke, das ist super recherchiert von dir. Ich gehe auch davon aus, dass Regensburger Lokalkolorit im Spiel war - die Frage bleibt nur, warum ein Soldat fast schon nach dem Krieg noch 7x für ein Einschreiben ausgibt? Was gab es in diesem ganz kleinen Briefchen so Wichtiges zu übermitteln?


    Aber egal - vlt. stand auch sein Name und Rang hinten, war leider so, als ich das gute Stück gekauft habe.


    Wenn du an dem Brief mit dem BAVIERE WISSEMBOURG als Aufgabestempel Interesse haben solltest, lass es mich per PN wissen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Frage bleibt nur, warum ein Soldat fast schon nach dem Krieg noch 7x für ein Einschreiben ausgibt? Was gab es in diesem ganz kleinen Briefchen so Wichtiges zu übermitteln?


    ...Heirat !


    Was gab es noch Ehrenvolleres als siegreicher, möglichweise sogar ausgezeichneter Kriegsteilnehmer kurz nach der Rückkehr die Eheschließung zu vollziehen ? Wenn, wie es sich auch aufgrund des Siegels vermuten lässt, um einen höherrangigen Soldat evtl. sogar höheren Standes gehandelt hat; was für eine Blamage, wenn zur Trauung nicht pünktlich die notwendigen Utensilien vorhanden waren ! Dafür war frühzeitig der Auftrag zu erteilen, dessen Entgegennahme durch den Empfänger man sich gewiss sein wollte.


    Ich danke da jetzt mal wirklich aufrichtig für die Offerte mit dem BAVIERE WISSEMB (!!!), aber DIE Rosine passt ja nun wirklich viel besser in Deine Collection als meine und wenn jeder so eine Seltenheit in seiner Sammlung hat, dann ist das doch prima :)


    LG


    Tim :thumbup::thumbup::thumbup:

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  • Hallo Pälzer,


    ja, Heirat wäre möglich gewesen - da waren die 7x gut angelegtes Geld.


    Solltest du den brauchen, weißt du ja, wo er ist - der passt schließlich in jede Sammlung. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo zusammen,


    es wird ums geschätzte Verständnis gebeten, dass der Transcriptionsansatz diesmal nicht en détail weiterverfolgt worden ist, denn diese Klaue ist stellenweise schon eine arge Zumutung...wie man sowas selbst damals entziffern konnte...ich hab`s irgendwann für den Moment aufgegeben. Der 1848 geborene Sohn Gustav des in der Pfalz wohlbekannten Adressaten, dem Eisenwerkbesitzer Freiherr Carl von Gienanth (1818-1890), war Offiziers-Aspirant im Königlich Bayerischen 4. Cheveaulegers-Regiment "König" (Stammgarnison Augsburg). Sein chronologischer Bericht von den Zuständen nach der Schlacht von Sedan beschäftigt sich zunächst mit der Eisenbahnverladung von mehreren 10.000 Kriegsgefangenen und dem Einfangen von nach der Schlacht versprengt umherlaufenden, teilweise sehr schönen und wertvollen Pferden, die westlich von Sedan bei dem Örtchen Glaire in ein Depot gebracht wurden. Nach weiteren Quellen wurden 600-800 Pferde eingefangen, davon etwa 300 nicht diensttaugliche Tiere wurden auf einer Auktion versteigert. In seiner Karte berichtet Gienanth ferner davon, das er nach einer Besprechung mit Oberstlieutenant von Heinsleth vom Generalquartiermeisterstab zu einer Mission nach Reims abgestellt worden ist und von der Schönheit der Stadt, wo am Tag der Aufgabe auch das sich mit dem Aufgabestempel verewigende Postamt der III. Armee eingerichtet war. Danach ging es weiter nach Epernay. Weitere Details können im Moment leider nicht geliefert werden, keine Zeit dafür vorhanden. Die Adressat war in nicht wie erwartet in Winnweiler am Donnersberg zugegen, sondern in der Gaststätte "Carlsberg" in Kaiserlsautern, so dass die Karte nach dort umgeleitet worden ist. Auf Durchgangs- und Ankunftsstempel hat man wohl verzichtet, da dann von der kartenfüllenden Minischrift wesentliche Teile nicht mehr lesbar gewesen wären und man sich einer entsprechenden Verärgerung des Herr Freiherrn nicht auszusetzen wagte.


    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,


    eine tolle Karte - mit Weiterleitung noch besser.


    Die meisten Postler verzichteten in der entscheidenden Phase des Krieges auf Ankunftsstempel, weil sie lieber die Karten lasen, um die Neuigkeiten von der Front später kund tun zu können, als in Stempelfarbe zu rühren.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • ... war stark kurzsichtig! :D

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    das Netz vergisst nichts. ;)


    Von einem freundlichen Mitmenschen erhielt ich heute eine Mail zu einem Beitrag von @bayern klassisch vom 21.9.2018. Darin ging es um französische Kriegsgefangene in Bremen.

    Hierzu passend enthielt die Mail den Link zu einem interessanten Artikel aus dem Weser Kurier (lesenswert!). Dazu dann noch der Hinweis, dass man im Bremer Staatsarchiv weitere Informationen hierzu findet.

    Ausserdem noch folgender Hinweis:

    Ferner gibt es auf dem Friedhof im Buntentorsteinweg in der Bremer Neustadt ein Grabmal auf dem sechs während der Kriegsgefangenschaft verstorbene namentlich genannte Franzosen beerdigt sind.

    Auch an dieser Stelle noch einmal einen Dank hierfür.


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    auch von mir herzlichen Dank für diese tolle Lektüre - unglaublich, damals war ich auf Granit im Internet gestoßen und habe gar nichts gefunden ... jetzt wird der Brief wieder lebendig und die Zeiten von Brief und Schilderung passen ja perfekt.


    Nochmals herzlichen Dank dafür! :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo Sammlerfreunde,


    auch wenn die Prämiere anbei von Absender, Adressatin, Inhalt und den Abschlagsqualitäten her reichlich dünn daherkommt: Von äußerst kompetenter Seite her war in Erfahrung zu bringen, dass es sich bei dem auf der Vorderseite abgeschlagenen Etappenstempel der Königlich Württembergischen Feldpost um eine ziemliche Seltenheit handelt. Dass es sich dann noch um einen in die Pfalz gelaufenen Beleg der Württemberigschen Felddivision handelt erfreut umso mehr.


    Für die u.a. bei der Belagerung von Paris beteiligten Einheiten aus Württemberg hieß es am 11. März 1871 den Rückmarsch anzutreten, doch zunächst als Teil der Okkupationsarmee in weitläufig um Reims gestreute Etappenstandorte. Insgesamt verblieben vorerst ca. 7.000 Mann in Frankreich. Wie man in der Kurzmitteilung entnehmen kann, war dann am 4. Juni der endgültige Rückmarsch in die Heimat befohlen. Der seinerzeit in Vignory ca. 160 km süd-südwestlich von Reims stationierte - unbekannte - Verfasser schreibt dazu am Schluss "nach Deutschland evacuirt", was sich heuer etwas dramatisch anhört.


    Man hatte es als Okkupationsarmee zwar schon noch mit einzelnen Scharmützeln mit Franktireurs und dem einen oder anderen Attentat auf deutsche Truppenangehörige zu tun und musste aufgrund des Aufstands der Kommunarden noch bis in den Frühsommer 71 wachsam bleiben, war jedoch nicht mehr angehalten, erneut in die Offensive zu gehen. Zum 15. Juni 1871 überschritt man dann bei Saales in den Vogesen die "neue deutsche Grenze" zum Reichsland Elsass-Lothringen, um dann über den Rhein und Baden hinweg in die Heimat zurückzukehren.


    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • ... etwas spärlicher Text, dafür, dass unser Schwabe vom Krieg nach Hause kehrte ...


    Keine Angabe zu Namen und Einheit - schade, ich habe noch nie eine württembergische Ganzsache aus dem Krieg in die Pfalz gesehen und schon nach Bayern sind sie sehr selten.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Sammlerfreunde.


    Wie schnell man in Krisenzeiten umschalten und an seine eigenen Geschäfte denken muss, soll der folgende Brief beschreiben.

    Als Bismark mit seiner Emser Depesche den Konflikt mit Frankreich verschärfte, sah sich Frankreich am 19.07.1870 genötig, Preußen den Krieg zu erklären.

    Bayern unterstützte Preußen im Kampf gegen Frankreich.

    Dazu steht in Wikipedia:

    "In Bayern führte der Ministerrat am 14. Juli 1870 – nur fünf Tage vor der französischen Kriegserklärung – eine hitzige Debatte über die Rolle des Landes in dem sich abzeichnenden Krieg. Einen Tag später einigte sich die Regierung in München dann doch darauf, auf preußischer Seite zu kämpfen. Am 16. Juli 1870 befahl der bayerische König Ludwig II. die Mobilmachung der Armee. München hoffte durch die aktive Beteiligung an dem Waffengang möglichst wenig Souveränitätsrechte abtreten zu müssen".


    Auch beim Absender des Briefes Jacob Thomm (geb. 12.12.1829 in Augsburg, gest. 20.04.1900 in Augsburg, Großhändler und großzügiger Stifter) hatten die Geschehnisse ihre Wirkung.

    Einen Tag (20.07.1870) nach der Kriegserklärung von Frankreich an Bayern sandte Jacob Thomm einen Brief an H.R. Marx nach Seifhennersdorf in Sachsen.

    Frankiert wurde der Brief mit einer 3 Kreuzer (Nr.15).


    Der Inhalt zeigt schon da die Auswirkung des Krieges.


    Herr H.R. Marx Seifhennersdorf

    Augsburg 20 Juli 1870


    Hiermit ersuche ich Sie, jede

    Zusendung von Waaren an mich zu

    unterlassen, bis in Folge gesicherten Friedens

    Sie besondere Ermächtigung von mir hiezu

    erhalten.


    Achtungsvoll

    Jacob Thomm



    Viele Grüße

    Kreuzerjäger


    Der Öffentlickeit ist ein simple Lüge lieber als eine komplizierte Wahrheit.

    (T.R. Richmond)

  • Lieber Ronald,


    ein außergewöhnlicher Brief dank eines außergewöhnlichen Inhalts. So schnell auf den nahenden Krieg zu reagieren hätte ich keinem zugetraut, aber es gab, das weiß ich aus mehreren Quellen, eine allgemeine Angst in der bayer. Bevölkerung, es könnte wieder kommen wie dunnemals gegen Napoleon, als nämlich die Franzosen ruck-zuck vor der Tür standen. Erst als die ersten Wochen zeigten, wohin die Reise ging, trat eine Beruhigung der breiten Bevölkerung ein und unser Augsburger dürfte sicher schon im September 1870 mit seinem sächsischen Geschäftspartner in den Normalbetrieb übergegangen sein.


    Danke fürs Zeigen dieses Rosinchens (das wohl jeder genommen hätte). :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Kreuzerjäger,


    solche Belege sind Zeitgeschichte pur, besser geht es natürlich nicht mehr. Gratulation zu diesem hochinteressanten Ausnahmestück. Der Augsburger Großhändler Thomm war allerdings wohl ein bißchen arg vorsichtig mit seiner Auftragsstornierung von Waren der Baumwollweberei Marx / Seifhennersdorf bis zu einem "gesicherten Frieden". Denn selbiger erfolgte so ja erst mit den Präliminarien von Versailles am 21.02.1871.


    Die Wirtschaft hatte sich nach dem - wie von @bk schon festgehalten überraschend - schnellen Vordringen der deutschen Truppen auf gegnerischen Boden ja weitaus schneller stabilisieren können, was der gute Thomm natürlich nicht vorhersehen konnte.


    Sein Storno wirft allerdings die durchaus interessante Frage auf, ab wann man als Unternehner eigentlich davon ausgehen konnte, dass Frankreich keine ernsthafte Bedrohung mehr für das Wirtschaftsgeschehen in Deutschland ausüben konnte.


    Mit Sicherheit wird man das nach der Vorentscheidung von Sedan am 01.09.1870 sagen können.


    Aber selbst wenn es gelungen wäre, so wie davor von Kaiser Napoléon Ill geplant mit der Chalons-Armee des Marschalls Mac Mahon die in Metz eingeschlossene Rheinarmee unter Marschall Bazaine zu befreien, wäre es schwer vorstellbar gewesen, dass Frankreich noch einmal in eine Offensivrolle gegen Deutschland geraten wäre. Von daher könnte man von einer für die Wirtschaft hinlänglich sicheren Lage mit der Einschliessung von Metz ab 20.08.1870 ausgehen.


    Viele Grüße

    vom Pälzer

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  • Lieber Ralph, lieber Pälzer.


    Recht herzlichen Dank für eure Antworten.


    Tja, was man so alles in seiner "da haue ich erst einmal alles rein" Kiste so findet.

    Ich glaube, ich sollte da mal ein wenig aufräumen.



    Viele Grüße

    kreuzerjäger

    Der Öffentlickeit ist ein simple Lüge lieber als eine komplizierte Wahrheit.

    (T.R. Richmond)

  • ... das denke ich aber auch! :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • ...und sollte allerliebst noch zu weiter freudigem Erstaunen nach dem Gesichtsausdruck des mit Abstand besten Avatars des Forums führen.


    Viele Grüße

    vom Pälzer 8o

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis