Briefaufgabe am Zug

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    Liebe Freunde,


    bei Briefen, die direkt am Zug aufgegeben wurden, war es Vorschrift, den Aufgabeort handschriftlich hinzuzufügen (wenn dies nicht schon am Aufgabebahnhof per Stempel erfolgt war). Diese Ortsangaben sind nicht immer leicht zuzuordnen und ein solches Beispiel möchte ich zeigen.


    Die folgende Ganzsache wurde - vermutlich 1861 od. 1862 - auf der Strecke Düsseldorf-Warburg, hier auf der Teilstrecke zwischen Düsseldorf und Elberfeld, aufgegeben.


    Die handschriftliche Ortsangabe des Beamten bot anscheinend in den letzten Jahren verschiedenen Vorbesitzern Gelegenheit zum Rätseln. Aus den noch vorhandenen Notizen entnahm ich die Deutungen Horndach und Horneburg.
    Dies oder ähnliches kann man dort sicher entziffern, nur gibt es derartige Haltepunkte auf der o.g. Teilstrecke nicht. Der einzig ähnlich lautende Punkt ist Hochdahl. Ich vermute hier einfach mal etwas Kreativität auf Seiten des Postlers, der sich anscheinend damals diesen relativ unbedeutenden Bahnhof nicht namentlich merken konnte.


    Etwas social philately am Rande:
    Der Brief war nach Elberfeld adressiert und wurde hier vom Absender mit einer Straßenangabe versehen.
    Diese Straßennennungen fangen im Raum Elberfeld und Umgebung ca. um das Jahr 1860 herum an. Die Region zählte Mitte des 19. Jahrhunderts zu den wirtschaftlich stark prosperierenden Gebieten innerhalb Preußens. So verdreifachten die Einwohnerzahlen sich fast zwischen 1810 und 1860. Dies führte dazu, dass auch die Postboten anscheinend nicht mehr alle Bewohner bzw. Adressen kannten. Hausnummern tauchen allerdings erst deutlich später auf.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    heute Haan, früher Hoondam? Wenn die Streckenführung bekannt ist, könnte es in Haan einen Damm gegeben haben (gab es öfters bei Bahnlinien) und Haan könnte dialektisch/phonetisch geschrieben worden sein. Das Franko müsste dann auch noch passen, oder?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    Hochdahl gehört zu Haan, das ist richtig. Das Franko passt.
    Meines Wissens wurden auch schon in besagter Zeit diese Namen verwendet. Auch in alten Zugplänen habe ich nichts anderes gesehen.


    Du kannst natürlich mit der phonetischen Schreibweise Recht haben - in diese Richtung hatte ich auch spekuliert.


    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo zusammen,


    ich denke auch das mit der Handschriftlichen Aufgabe Hochdahl gemeint ist.
    Hochdahl war zu diesem Zeitpunkt keine Stadt/Dorf, sondern nur eine Ansammlung von Häusern, also recht klein.
    Die Bahnstation Hochdahl existiert aber schon seit Aufnahme des Eisenbahnverkehrs nach Elberfeld.
    Die Bahnstationen von Düsseldorf aus waren Düsseldorf - Gerresheim - Erkrath - Hochdahl - Haan - Vohwinkel - Elberfeld


    schönen Gruss
    Peter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo die Runde


    Rechtschreibung war damals nicht so einfach wie Heute. Und wie man einen Wort schgreiben sollte war oft gar nicht geregelt. Erst mitte 19. Jahrhundert hat es sich so langsam geändert.


    http://de.wikipedia.org/wiki/R…hreibung_(amtliche_Werke)


    Wie man einen Ortsname schreiben sollte, wusste man natürlich von Amtliche Schreiben (welche auch unter immer Änderungen lagen. Sonst war es die Leute "frei" die Laute zu buchstabieren. Deswegen finden wir auch viele Schreibweisen, und nicht nur bei kleineren Orten.


    Ein Studium wert :)


    Viele Grüsse
    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    danke für eure Kommentare.


    Es folgt ein weiteres Beispiel.



    Zur Verwendung kam hier die Folgeausgabe der im vorigen Beitrag gezeigten Ganzsache. 1862 erschienen, verläuft der Textüberdruck nun genau über den Wertstempel. Als Verwendungszeit kommt also 1862 ff. in Frage.
    Die Aufgabe erfolgte auf der Strecke Cöslin - Berlin (Eisenbahnpostamt III) bei Finkenwalde kurz vor Stettin.
    Die Entfernung Finkenwalde - Neuendorff b. Klempenow beträgt ca. 110 km. Das Franko von 2 Sgr. passt also.
    In Stettin wurde die Post umgeladen auf die Eisenbahnlinie Richtung Pasewalk-Anklam-Stralsund (dies gilt bei einer Verwendung ab 1863, vorher wäre Pferdekraft nötig gewesen).
    Rückseitig wurde noch das Bestellgeld für den Landbriefträger notiert.
    Finkenwalde erhielt nach Münzberg erst 1867 eine Postexpedition.
    Klempenow hatte seit 1850 eine Postexpedition, von der aus Neuendorff versorgt wurde.


    Die handschriftliche Ortsangabe ist diesmal komplett klein geschrieben, den Text der 2. Zeile kann ich leider nicht identifizieren.
    Der Wertstempel der Ganzsache zeigt einen hellen Fleck, dort fehlt die blaue Farbe. Druckausfall oder späterer Einfluss?


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    das lese ich als "über Anclam". Haut das hin?


    Der Fleck ist wohl eine Qualitätsbeeinträchtigung. :(


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    wie immer, meinen Dank fürs Entziffern.

    das lese ich als "über Anclam". Haut das hin?

    das wäre sehr ungewöhnlich, denn Anklam lag in Richtung des Zielortes (ziemlich genau östlich davon).
    In diesem Fall wäre es eine Leitangabe - aber von einem Postler im Zug ? Und direkt unter dem Aufgabeortsnamen ?


    Ich kann allerdings auch nicht die Buchstaben "k" und "l" nebeneinander ausmachen.

    Der Fleck ist wohl eine Qualitätsbeeinträchtigung. :(

    Bei einem materiellen Einsatz von 2,50 € wäre auch das zu verschmerzen. ;)
    Ich habe diese Ganzsache wegen der Zugaufgabe genommen.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    nicht "k" und "l", sondern "c" und "l" - Anclam war die alte Schreibweise, wenn ich es recht erinnere. Gab es da keine Bahnpost in dieser Richtung?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    nicht "k" und "l", sondern "c" und "l" - Anclam war die alte Schreibweise, wenn ich es recht erinnere. Gab es da keine Bahnpost in dieser Richtung?

    ja, dass würde schon passen können.


    Ich habe gerade noch mal nachgeschaut, Anclam wäre auch der Bahnhof gewesen, an dem der Brief den Zug verlassen musste.
    Wäre jedenfalls eine sehr ungewöhnliche Leitwegsangabe durch den Zugbeamten.
    Andererseits vielleicht eine verständliche Angabe, denn Klempenow war selbst auch nur ein Dorf und der eigentliche Zielort Neuendorff bestand wohl nur aus ein paar Häusern.




    Hallo Nils,

    kann es "iber Auder" (über Oder) oder etwas ähnliches sein? Also um es von Ostpreussichen Finkenwalde zu halten?

    ich habe auch versucht, Oder in dem geschriebenen zu erkennen (dies würde passen). Diese Präzisierung wäre aber kaum nötig gewesen, da die Zugstrecke Cöslin-Stettin nur durch Pommern verläuft und das ostpreussische Finkenwalde nicht in Frage kam.


    Mittlerweile näher ich mich der Interpretation von bayern klassisch immer mehr an.
    Ungwöhnlich, aber in sich plausibel...


    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ein Beispiel für eine Zugaufgabe ohne Kursstempel:



    Handschriftlich wurde Langenberg 8/3 62 notiert und die Marke wurde ebenfalls handschriftlich entwertet. Rückseitig ist nur der Frankfurter Ausgabestempel vom Folgetag zu sehen.


    Langenberg, heute zu Velbert im Kreis Mettmann gehörend, lag an einer Nebenstrecke, die das Ruhrtal - bei Steele, heute Essen - mit dem Wuppertal (hier als Region und nichrt als Stadt gemeint) - bei Vohwinkel, heute Wuppertal - verband. Diese Strecke war seit 1831 (!) in Betrieb (deshalb an manchen Stellen auch als erste Eisenbahnstrecke Deutschlands bezeichnet, allerdings zunächst ohne Dampflok - dies war bekanntermassen der bayerischen Ludwigsbahn vorbehalten), bis 1844 als Pferdebahn, dann mit Dampflokomotiven. 1831 wurde sie vom preußischen Prinzen eingeweiht und durfte sich daher auch Prinz-Wilhelm-Eisenbahn nennen.
    Über die postamtliche Behandlung dieser Strecke gibt es nur ein lückenhaftes Bild. Die Strecke wurde vermutlich Anfang des Jahres 1862 dem Eisenbahnpostamt XV zugeordnet. Die Verwendungsdaten des zugehörigen Ra3-Kursstempels Steele-Vohwinkel sind (mir zumindest) nicht bekannt.
    Warum also kein Kursstempel verwendet wurde, bleibt im Moment im spekulativen Raum.


    Der Absender Tuchhändler Colsmann aus Langenberg schrieb an seine Niederlassung gleichen Namens in Frankfurt. Die Tuchindustrie bildete die Grundlage für den damaligen Reichtum Langenbergs und der Name Colsmann findet sich in diesem Zusammenhang oft. In Essen steht ein ehemaliges Fabrikgebäude von Colsmann unter Denkmalschutz und kann besichtigt werden.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    ein begehrenswerter Postvereinsbrief! Nach meinem Dafürhalten, was eher auf bayerischen Belegen fußt, als auf preußischen, deswegen aber nicht falsch sein muss, gab es Nebenstrecken, die nicht oder nur selten mit Stempelmaterial, Stempelkissen, Reinigungsgerät usw. ausgestattet wurden. Die Gründe dürften in der nicht unterstellbaren Amortisationsfähigkeit gelegen haben, denn die Postverwaltungen mussten ja auch ärarisch denken. Da hat man dann eine Feder und ein Tintenfass spendiert, was wenig kostete, und die Leute handschriftlich tätig werden lassen.


    Mir gefallen solche Briefe viel besser als die, welchen seltene Stempel aufweisen, gerade dann, wenn man an der Handschriften erkennen kann, wer wann was wie notiert hat. U. U. lassen sich dann später Schlüsse ziehen, die bei Verwendung eines Stempelgerätes nicht möglich gewesen wären.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    jetzt folgt die Variante Markenentwertung mit Tinte und Stempel:



    geschrieben wurde der Brief 1859 in Halberstadt und dort auch am Zug aufgegeben.
    Die 2 Sgr.-Marke wurde zunächst mit einem Tintenkreuz und dann noch mit dem Kursstempel entwertet.


    Der Kursstempel Minden-Berlin (Eisenbahnpostamt I) belegt, dass der Brief von Halberstadt zunächst Richtung Magdeburg befördert wurde.
    Ein möglicher Leitweg: In Magdeburgwurde der Brief vermutlich umgeladen in einen Zug von Magdeburg Richtung Leipzig (Eisenbahnpostamt VII).
    In Halle dann die Umspedierung in einen Zug von Halle Richtung Eisenach (Eisenbahnpostamt VI).


    Trotz des relativen Umwegs konnte der Brief am Folgetag in Suhl zugestellt werden.


    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo preussensammler,


    Chapeau!! Ein toller Brief, der eine etwas ausführlichere Beschreibung verdient hätte ;) .


    Gruss


    senziger

    • Offizieller Beitrag

    Hallo preussensammler,


    ein sehr interessanter und seltener Beleg !
    Aufgabe- und Zielort (nur wenige Meilen voneinander entfernt) lagen in Sachsen-Weimar, die Beförderung erfolgte auf der Eisenbahnlinie Halle-Eisenach, der sogenannten Thüringer Bahn.
    Eigentümer der Bahnlinie war - über eine Beteiligung an der Thüringischen Eisenbahngesellschaft - neben dem Staat Preußen u.a. das Herzogtum Sachsen-Weimar.
    Die postalische Bearbeitung erfolgte durch preußische Beamte und der preußische Nummernstempel auf diesem Brief ist ein Beleg für den ambulanten Einsatz während der Fahrt.


    Danke fürs Zeigen und viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo preussensammler,


    eine prächtige Ergänzung des vorigen Belegs.
    Aufgabe diesmal im preußischen Hoheitsgebiet am Bahnhof Weißenfels, keine 5 Meilen von Halle entfernt.


    Ein kleiner (Tip-)Fehler ist dir beim Zielort unterlaufen: Zielort ist Schwarza bei Rudolstadt (ohne "f") im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt. Nur so passt die 1 Sgr.-Frankatur.
    Das damalige Dorf Schwarza ist heute ein Ortsteil von Rudolstadt.


    Viele Grüße
    Michael

  • Neben dem Einwurf in den Bahnhofsbriefkasten bestand in Görlitz auch die Möglichkeit, Briefe in die Zugbriefkästen zu werfen. Dabei sollte man dann aber wissen, in welchen. Es gab eine preußische Linie Richtung Kohlfurt und eine sächsische Richtung Dresden. Wie einer der folgenden Belege zeigt, gelang deren Unterscheidung nicht immer.


    Altsax