Stempel Aus dem Briefkasten

  • Lieber Ralph, lieber Michael,

    die Idee mit „nach Schalterschluss“ hatte ich bisher bei mir notiert, was mich aber stutzig machte, ist die portopflichtige Dienstsache, die hat mich etwas verwirrt. Bisher ist mir eine portopflichtige Dienst Sache bei Preußen noch nicht vorgekommen.
    lieber Michael,

    Leider ist kein Brief Inhalt vorhanden. Kann man davon ausgehen, dass der Briefeversender den frei-Vermerk gestrichen hat bevor er den Brief in den Briefkasten warf?

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Michael,

    die Sache hat sich geklärt. Ich habe noch mal nachgeschaut und der Brief hat einen Inhalt.

    Abgesendet wurde er 1872 von der Steuerkasse. Somit erklärt sich auch, dass der Dienstbrief nicht portofrei war.

    Ja, interessant wäre auch zu erfahren, wo der Bote vor Einwurf in den Briefkasten die Tinte her hatte.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo preussen_fan,

    das stand einem Briefträger nun wirklich nicht zu, denn der konnte/durfte nichts vom Inhalt wissen. Der Freivermerk wurde zuerst von der absendenden Behörde (hier Steuerkasse) angebracht und mit erkennbar gleicher Tinte wieder ausgestrichen...aus welchem Grund auch immer.

    Nur sie, d.h. die Steuerkasse - war befugt, den darüberstehend abändernden Vermerk der portopflichtigen Dienstsache anzubringen. Zudem war sie verpflichtet, die Sendung durch Dienstsiegel oder Rubrum des Amtsträgers kenntlich zu machen. Nur das war von der Reichspostverwaltung nach § 1 Satz 3 Posttaxgesetz festzustellen:

    http://www.philhaha.de/post/texte/posttaxgesetz-1871.html

    Das Dienstsiegel wurde im vorliegenden Fall zum Verschluss des Briefes auf der Rückseite angebracht und wohl beim öffnen durch den Empfänger herausgetrennt. Der hatte dann der o.g. Regelung zu Folge (nur) 1 Groschen Porto dafür zu entrichten. Zu dem Thema noch vertiefend Ziffer 6 des links anbei:

    http://www.philhaha.de/post/portofrei/portoverg.html

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    2 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (10. April 2021 um 09:45)

  • Hier ist der Inhalt des Briefes. Könnte ich den Brief dann folgendermaßen beschreiben?

    Die Entfernung Cöln – Bonn betrug 3 Meilen und lag damit in der 1. Entfernungsstufe zu 1 Sgr.

    Der Brief stammt schon aus der Zeit des Deutschen Reichs. Da waren die Portofreiheiten weitgehend aufgehoben. Deshalb handelt es sich hier um eine portopflichtige Dienst-Sache. Durch diese Angabe entfiel für den Empfänger das Zuschlag-Porto

    Wahrscheinlich wollte der Absender den Brief franko bei der Post aufgeben und hatte deshalb den Freivermerk gemacht. Dann wurde aber aus irgendeinem Grund der Freivermerk gestrichen und der Brief in den Briefkasten gelegt.

    Der Postbeamte setzte den Briefkastenstempel auf und warf den fehlenden Silbergroschen in Blau aus. Keine Unterschrift des Beamten.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

    Einmal editiert, zuletzt von preussen_fan (10. April 2021 um 00:02)

  • Lieber Erwin,

    es sind aber auch wirklich sehr schön präsentierende Belege von Dir, die hier zur Diskussion stehen.

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... ich würde generell, weil das Thema das auch m. M. n. locker hergibt, an eine 1-Rahmen-Sammlung denken, die, bei Preussen angefangen über die Zeit des NDP und des Dt. Reichs, die doch vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und Interpretationen zeigt und sicher nicht langweilig daher kommt. Ob es für mehr Rahmen reicht (später vlt. einmal), ist dabei gar nicht von Bedeutung, da es ja wohl kaum Massen von Sammlern geben dürfte, die überhaupt Briefe mit diesem Stempel aus den genannten 3 Zeiten herzeigen können. Alle Briefe sind schön, attraktiv, spannend, unteschiedlich und bedürfen eines gehobenen postalischen Fachwissens, um sie interpretieren zu können und ein Vermögen dürften sie auch nicht gerade kosten (und ob Erivan Haub solche Stücke hatte, wissen wir auch nicht).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Danke lieber Tim und lieber Ralph für eure Kommentare.
    Dieses Thema BRIEFKASTEN ist wirklich interessant und hat mich schon lange fasziniert.
    Ich hatte mal einen Auktionskatalog, dort wurde eine Sammlung „aus dem Briefkasten „ versteigert. Ich weiß leider nicht mehr, welche Firma es war. Es könnte Feuser gewesen sein, weil meiner Erinnerung nach der Katalog ein A5-Format hatte.

    Hat da vielleicht jemand eine Idee?

    Lieber Ralph , mit einer so übergreifenden Sammlung tue ich mich im Moment noch schwer (Preußen, NDP, deutsches Reich), Meine Stempelsammlung ist auch so schon ziemlich gewaltig geworden.

    Ich werde hoffentlich in nächster Zeit die erweiterte Sammlung „unzureichend frankierte Belege aus dem Briefkasten „ fertigstellen und dann zeigen können.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,

    dieses Thema kommt hier unter den Forumlern sehr gut an - da wird es im "richtigen Leben" sicher nicht anders sein.

    Vergiß die historischen Daten - das wird eine postgeschichtliche Sammlung zum Zungeschnalzen und wir reden ja nur über die 1860er und 1870er Jahre, also die Klassik pur - das passt schon und du bekommst das totsicher hin.

    An den Katalog kann ich mich auch erinnern - aber welcher war das genau? Frag den PF doch einfach per Mail mal an - er ist sehr hilfsbereit und ja (theoretisch) auch im Forum vertreten.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • liebe Sammlerfreunde,

    ich zeige hier einen unterfrankierten Brief, der am 2.4. von NAUEN nach BERLIN ging. Die 1 Sgr.-Ganzsache reichte für die 5 Meilen in der ersten Entfernungsstufe nicht aus, da der Brief mit 1 1/10 Loth in die zweite Gewichtsstufe fiel. Der fehlende Silbergroschen wurde in Blau augeworfen und "reicht nicht" in Blau vermerkt.

    Rechts unten steht in Schwarz "verte" und wenn man den Brief rumdreht, steht dort:

    "wird abgeholt".

    Neben dem Bahnpost Doppelkreisstempel "Berlin-Hamburg" befinden sich noch zwei Ausgabestempel, einer vom 2.4. und ein anderer vom 4.4.

    1. Frage: Kann mir mal jemand den wahrscheinlichen Hergang der Ausgabe dieses Briefes beschreiben?

    2. Frage: Was könnte die blaue 15 1/2 auf der Rückseite bedeuten?

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Erwin,

    nun, der Königliche Herr Oekonomie-Rath Müller hätte ausweislich des rückseitig angebrachten Distributionsabschlages vom 2.4, d.h. noch am Tag der Aufgabe in Nauen (Brandenburg) die wegen Gewichtsüberschreitung unterfankierte Sendung gegen 12 - 13 Uhr nachmittags erhalten müssen. Der Briefträger, der lt. Nachtaxe seiner Expedition 1 Groschen nachzuerheben hatte, traf aber nur die Hausmagd an, die natürlich keinen Groschen zu Hand hatte. Ergo vereinbarte man die Abholung durch den Laufburschen am Folgetag, strich auf der Expedition gegen 15 Uhr 30 die fruchtlose Distribution mit blauer Tinte wieder aus und konnte am Folgetag den 3.4 die Ausgabe zwischen 13 und 14 Uhr über Abholung bewerkstelligen.

    Meine Theorie, gerne höre ich aber auch andere.

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... das klingt schon mal ganz gut, denke ich ... :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Tim,

    Das hört sich nicht schlecht an. So könnte es gewesen sein.
    Das einzige an dem ich etwas Zweifel habe, ist die 15:30 Uhr. Ich glaube nicht, dass damals Uhrzeiten so angegeben worden.

    Wenn es eine Uhrzeit wäre, hätte es eigentlich 3 1/2 N heißen müssen.

    Jetzt stellen sich mir aber weitere Fragen:

    1. Wurde der Distributionsstempel vom 2.4. auf dem Postamt vor Übergabe des Briefes an den Briefträger abgeschlagen?

    2. Musste in Berlin kein Bestellgeld bezahlt werden?

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Erwin,

    zunächst ist ja real 15 1/2 und nicht 15.30 geschrieben worden, aber es ist schon richtig, dass die 24-Stunden-Zählung offiziell erst weit später ab ca. 1920 eingeführt wurde. Ich kann mir aber sonst keinen Reim auf diese Zahl machen zumal sie wegen der blauen Tinte schon sehr wahrscheinlich ein Expeditionsvermerk war. Völlig unbekannt war die 24-Stunden-Zählung damals in Deutschland übrigens nicht, sie hat sich mit Änderung der Zifferblätter der Uhren erst später durchgesetzt. Von einen Bestellgeld weiss ich in Preussen nichts und die Distributionsstempel sind mit Sicherheit nicht erst während dem Bestellvorgang sondern während der Verteilung der Postsendungen auf die einzelnen Bestellbezirke (Distribution) im Postamt abgeschlagen worden.

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (11. April 2021 um 06:40)

  • liebe Interessierte an den Briefkastenstempeln,

    ich möchte jetzt mal ein wenig ausholen.

    Zu ersten habe ich mich mit Herrn Karlfried Krauß vom ehemaligen Potsdamer Philatelistischen Büro in Verbindung gesetzt. Er hat auch etwas zu dem bisher zu dem Brief in #112 geschrieben, das ich hier veröffenlichen darf:

    Meine Fragen in Blau, die Antwort von Herrn Krauß in Ocker

    Kleine Mitteilung zum letzten Brief im Forum (Nauen-Berlin): 

    Der Brief ist ohne Bestellgeld, weil der Brief abgeholt wurde (siehe rs. Vermerk). Der Empfänger hatte beim Postamt eine entsprechende Verfügung hinterlegt und sparte somit das Bestellgeld.

    Sie schreiben, dass der Empfänger beim Postamt eine entsprechende Abholverfügung hatte. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, weil dann ja nicht auf jeden Brief der Vermerk hingeschrieben werden musste. Der Vermerk entstammt doch eher einem einmaligen Vorgang
     Ich habe einmal eine uralte Seite (beschrieben 2005) beigefügt mit Auszug aus der PDI und einem ähnlich behandelten Brief wie Ihre Gzs. Daraus geht das Prozedere ganz gut hervor.


    Außerdem verstehe ich dann die zwei Ausgabestempel nicht. Oder sollte der erste vom 2.4. das Eintreffen des Briefes in Berlin dokumentieren und der zweite Stempel vom 4.4. die Ausgabe an den abholenden Empfänger?:

     Auch meine Gzs. trägt rs. einen Ausgabestempel, der mit dünnem blauen Tintenstrich durchstrichen ist. Warum bei Ihrer nochmals ein Ausgabestempel abgeschlagen ist, darüber kann man eigentlich nur spekulieren (ohne meine Gzs. würde ich sagen, vor der Abholung nochmals gestempelt, aber das macht ja keinen Sinn). Ebenso über das Datum 4.(?), kann alles sein (siehe verwackelte Stunden-1 unten, diese würde man ohne Zeitangabe -2 auch als 4 lesen können). Bei der Gzs. geht so ziemlich viel durcheinander (Aufgabe 2.4., aber BP Berlin-Minden 1.4.). Ist wohl ein Steckfehler in Nauen schon für den nächsten Tag, denn Aufgabe 2.4. 6-7 abends und dann bereits 2.4. 12-1 Uhr mittags in Berlin geht ja nicht.

    Als nächstes stelle ich jetzt mit Erlaubnis von Herrn Krauß die Sammlug "aus dem Briefkasten" ein, die in der 5. Auktion des Potsdamer Philatelistischen Büros versteigert wurde (2/3. Okt. 1992)






    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,

    phantastisch - was für eine Sammlung. Ein Schmankerl nach dem anderen. Danke fürs Zeigen an ihn und dich.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.