Drucksachen

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Sammlerfreunde,


    im Tax-Regulativ von 1824 (mit Erläuterungen des General-Post-Amtes) finden sich u.a. folgende Bestimmungen für Kreuzbandsendungen:


    § 15
    In den gedruckten Circularien, Empfehlungs-Schreiben und Preis-Couranten unter Kreuzband darf ausser der Adresse nichts geschrieben seyn, (auch die Namens-Unterschrift nicht,) andern Falls das volle Brief-Porto bezahlt wird.
    ...
    In Verdachts-Fällen haben die Post-Amts-Vorsteher die Befugniß, Sendungen unter Kreuzband, unter Zuziehung eines Post-Secretairs oder Schreibers, zu öffnen. Der Wiederverschluß muß dann mit dem Postsiegel geschehen.


    Damit ist zum Einen der Umfang der zulässigen handschriftlichen Einträge beschrieben, zum Anderen geht aus dem 2. Abschnitt hervor, dass Drucksachen auch versiegelt sein durften.


    Unten anhängend eine Drucksache, bar frankiert mit 1/2 Sgr. von Barmen-Wupperfeld ins benachbarte Elberfeld. Rückseitig erkennt man die Siegelung und auf der eingescannten Textseite ist nur die Adresse handschriftlich eingetragen.


    Grundlage der Portoberechnung war die seit dem 1.10.1844 reduzierten Taxen. Für Sendungen unter Kreuzband galt (weiterhin) der vierte Teil der Brieftaxe.
    Für einen einfachen Brief bis zu 5 Meilen Entfernung war 1 Sgr. zu zahlen.
    Somit hätte eine Drucksache in dieser Entfernungszone (obiger Brief gehört hierhin)
    eigentlich 1/4 Sgr. gekostet.
    Eine solche Taxe habe ich noch nicht gesehen. Man kann vermuten, dass hier das Orts-Bestellgeld von 1/2 Sgr. die tarifmässige Untergrenze bildete.


    Nicht ganz uninteressant finde ich auch den damaligen Schreibstil. Rückseitig findet sich schon ein handschriftlicher fallit-Vermerk, der auf eine vorliegende Zahlungsunfähigkeit hinweist:
    Gemäß Beschluß der Herren Creditoren ... sind wir mit der Bilanz-Aufstellung ... eifrigst beschäftigt und werden wir solche am Mittwoch den 28. Juni Nachmittags 5 Uhr, unsern Gläubigern in unserer Behausung vorlegen. Wir bitten Sie ergebnst dieser Zusammenkunft gütl. selbst oder durch gehörig Bevollmächtigte beizuwohnen ...


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    schönes Stück! Wäre es möglich, dass es keine 1/4 Groschen Frankaturen gibt/gab, weil die günstigste Briefgebühr auch immer für Drucksachen galt?


    Da die günstigsten Briefe Orts- oder Lokalbriefe waren, die 1/2 Groschen kosteten, war es egal, ob man Ortsdrucksachen oder Ortsbriefe versandte.




    Zitat

    In Verdachts-Fällen haben die Post-Amts-Vorsteher die Befugniß, Sendungen unter Kreuzband, unter Zuziehung eines Post-Secretairs oder Schreibers, zu öffnen. Der Wiederverschluß muß dann mit dem Postsiegel geschehen.


    Damit ist zum Einen der Umfang der zulässigen handschriftlichen Einträge beschrieben, zum Anderen geht aus dem 2. Abschnitt hervor, dass Drucksachen auch versiegelt sein durften.



    Das lese ich anders: Vlt. wollte man damit ausdrücken, dass eine Kreuzbandsendung, die aufgeschnitten wurde, um den Inhalt zu prüfen, wieder verschlossen werden musste. Gemeint ist hier aber der durch die amtliche Öffnung beschädigte Kreuzbandverschluß, der das Poststück zusammen hielt. Ein derart überprüftes Poststück müsste dann an der Stelle, an der der Beamte das Kreuzband durchtrennt hat, ein Amtssiegel aufweisen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    Wäre es möglich, dass es keine 1/4 Groschen Frankaturen gibt/gab, weil die günstigste Briefgebühr auch immer für Drucksachen galt?

    Die günstigste Briefgebühr betrug 1 Sgr. (bis 3/4 Loth, bis 5 Meilen).

    Da die günstigsten Briefe Orts- oder Lokalbriefe waren, die 1/2 Groschen kosteten, war es egal, ob man Ortsdrucksachen oder Ortsbriefe versandte.

    Der von mir gezeigte Brief ist kein Ortsbrief!


    Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass in jenen Jahren schon eine reduzierte Taxe von 1/2 Sgr. für Lokalbriefe in dieser Region galt. Belegt ist dies aber erst für die 1850iger Jahre.

    Das lese ich anders: Vlt. wollte man damit ausdrücken, dass eine Kreuzbandsendung, die aufgeschnitten wurde, um den Inhalt zu prüfen, wieder verschlossen werden musste. Gemeint ist hier aber der durch die amtliche Öffnung beschädigte Kreuzbandverschluß, der das Poststück zusammen hielt. Ein derart überprüftes Poststück müsste dann an der Stelle, an der der Beamte das Kreuzband durchtrennt hat, ein Amtssiegel aufweisen.

    Auf meinem Scan ist es leider nicht gut zu sehen, aber der Brief besaß ein Trockensiegel. Und wenn ich mir die Adressierung und Taxierung auf dem Brief anschaue, glaube ich nicht an ein Kreuzband.


    Tatsächlich kann ich bei diesem Brief nicht beweisen, dass er als Drucksache lief.
    Dieses preußische Problem war von uns schon einmal in einem anderen Forum andiskutiert worden. Hier müssen noch entsprechende Circulare bzw. eindeutige Belege gefunden werden.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    vielen Dank für deine Aufklärung. In der VMZ wurden Orts- und Lokalbriefe in Bayern nicht im Gebührenregulativ aufgenommen, weil sie "vor Ort" ausgetragen wurden und man sie daher nicht als von der bayer. Post befördert ansah.


    Wäre es nicht möglich, dass man es in Preußen auch so sah? Anders herum gefragt: Ab wann taucht der Terminus Ortsbrief(e) in den preußischen Primärquellen auf?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    in Preußen wird der Begriff Ortsbrief selbst in dem Posttarif von 1852 nicht mit einem sepraten Tarif aufgeführt.


    Dennoch finden sich schon im Tax-Regulativ von 1825 Vorschriften hierzu.
    Im § 57, der dem Bestellgeld gilt, heißt es :
    Briefe aus dem Orte zur Bestellung im Orte müssen ebenfalls zur Besorgung von den Post-Anstalten angenommen werden. ... Die Bestellung geschieht, soweit nicht eigene Stadt-Post-Anstalten bestehen, oder zukünftig eingerichtet werden, in gewöhnlicher Art durch den Briefträger. Für die Bestellung solcher Orts-Briefe wird doppeltes Bestell-Geld (i.e. 1 Sgr.) entweder vom Absender bei der Einlieferung entrichtet, oder vom Empfänger bei der Aushändigung bezahlt. Auch für diejenigen Briefe der gedachten Art, welche nicht durch die Briefträger bestellt, sondern vom Adressaten abgeholt werden, ist, jedoch nur einfaches Bestell-Geld (1/2 Sgr.) zu erheben.


    Ich interpretiere dies so, dass hier - anders als in Bayern - die Bestellung der Ortsbriefe durchaus als Aufgabe der Post-Anstalten angesehen wurde.
    In ähnlicher Form finden sich Passagen auch in den späteren Posttarifen. Bei Bedarf müsste ich den Wortlaut noch mal heraussuchen.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    damit ist die Sache klar - vielen Dank für die wertvollen Informationen. Der Zitierung späterer Passagen bedarf es nicht.


    Demnach halte ich deine Beschreibung der DS für korrekt, auch wenn sie gesiegelt war, weil ansonsten das Franko mit einem Groschen hätte ausgewiesen werden müssen.


    Bei Bayern sind DS in der VMZ äußerst selten - ich besitze keine. Ist das bei Preußen auch so?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    Danke für deine Kommentierung.
    Ich behandel den Brief zumindest solange als DS, bis ich belegen kann, dass auch in den 40iger Jahren schon eine lokale Portoreduzierung galt...


    Preußische Drucksachen der VMZ sind selten, aber wohl nicht so selten wie die bayerischen. Indiz dafür: ich habe eine ^^


    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Alle


    Hier ein Drucksache / Brief aus Crefeld nach Düsselforf, Entfernung ca. 2 Meilen, sendet am 8 März 1826. Der Serdung war geschlossen und muss damit ein Brief sein auch was Michael schreibt unter §15. Es war Unterschriften in das Brief. Der Porto war gültg von 1.1.1825 bis 17.8.1844, 0-¾ Loth, 0-2 Meilen = 1 Sgr. Für Sendungen mit Akten oder Schriften mit dem Fahrpost war der Porto 1 Sgr. 0-2 Meilen bis 2 Loth.


    Der Brief war eigenlich aus Amsterdam, Niederlande.


    Viele Grüße


    Jørgen

  • Lieber Jörgen,


    schönes Stück!


    Ich meine, dass er 1 1/2 Sgr. gekostet hat, bin mir aber nicht 100%ig sicher. Mal sehen, was unsere Preußen hier dazu sagen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber Jörgen,


    vielen Dank für den besseren Scan - ich lese 1 1/2 in der typisch preußischen Paraphe. Aber die Spezialisten hier wissen es sicher und wir müssen nicht raten.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Jørgen


    ich lese auch 1 1/2 Sgr und bin mir relativ sicher, dass hier ein "normaler" einfacher Brief vorliegt. Die Entfernung von 2 bis 4 Meilen paßt hierzu auch (geschätzte 20 km).


    Unabhängig davon, ein feines Stück!!! :)


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Jørgen,


    ein schöner Brief.
    Zu den Taxen ist alles gesagt worden.
    Man sollte vielleicht nicht unterschlagen, dass der Inhalt aus Rotterdam forwarded wurde. Macht ihn ja nicht schlechter ... ;)


    Viele Grüße
    Michael

  • Liebe Sammelfreunde


    ich "schwitze" über ein umfangreiche Arbeit zur Postgeschichte von MD. Darin ist vieles, was alles so beschrieben werden könnte...


    Zwar paßt es hier nicht direkt, da es um "Ortsbriefe" geht, aber irgendwie doch:


    In der Magdeburger Zeitung vom 17. Dezember 1829 (vielleicht bekomme ich irgendwann einmal dies in "Natura" zu sehen) wurde folgendes vermerkt:


    "Bekanntmachung
    Ein Königl. hohes General-Post-Amt hat bestimmt, daß nun mehro auch durch die Briefträger solche Briefe bestellt werden sollen, welche der Bewohner des Ortes an einen Mitbewohner desselben reicht. Diese Briefe können in den Briefkasten gelegt, oder im Post-Komtoir eingeliefert werden. Für die Bestellung derselben wird der doppelte Betrag des Briefbestellgeldes erhoben. Verweigert der Empfänger die Annahme, so ist der Absender verbunden, das doppelte Briefbestellgeld zu entrichten. Ist der Absender aus der Pettschaft oder den Schriftzügen nicht zu erkennen, so wird der Brief an die Öffnungskommision in Berlin gesandt, welche den zu eröffnenden Brief mit dem Namen des Absenders bezeichnet, und versiegelt remittiert. Weder für die Hinsendung, noch für die Rücksendung wird Porto angesetzt.
    Magdeburg, den 1sten December 1829
    Ober-Post-Amt Lewecke


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf