Social Philately, kurz Sophy

  • Dann will ich hier auch mal einen Beleg aus meiner Heimatsammlung zeigen, ein wie ich finde typisches Beispiel für "Sophy" - so wie es sehe. Auf den ersten postalischen Blick nichts Aufregendes .....


    Postvereinsbrief (Preußen) der ersten Gewichts- (bis 1 Loth) und der dritten Entfernungsstufe (über 20 Meilen), gestempelt 13.01., freigemacht mit 2 SGr (Mi-Nr. 17a, 1861) statt der nötigen 3 SGr, deshalb Nachporto „2 noch“ angeschrieben (1 SGr Differenz + 1 SGr Strafporto) nach Freiberg in Sachsen.


    Für mich nicht erklärbar ist die Verwendung eines "offiziellen" Kuverts (Eindruck „Königreich Preussen“ und Wappen) durch einen privaten Absender (wenn dazu jemand eine Erklärung hat - ich bin ganz Ohr). Das Jahr ist nicht bestimmbar, aber mir ist ein weiterer Beleg desselben Absenders mit einem solchen Kuvert vom Dezember 1866 bekannt – wegen der zeitlichen Nähe wäre also 1867 denkbar.


    Interessant wird es bei Absender und Empfänger:


    F.F. Greiner war der Begründer eines komplett neuen Industriezweigs in Deutschland! Seine Familie betrieb eigentlich eine Mahlmühle, sein Vater und später auch er beschäftigten sich ab ca. 1800 nebenbei mit der Glasbläserei, einer neuen Technologie, die um diese Zeit im Thüringer Wald ansässig wurde. Produziert wurde, was wir heute als "Nippes" bezeichnen würden - Murmeln, Glasperlen, Puppenaugen, Figürliches.

    F.F.Greiner erkannte, das sich aus Glas auch anderes herstellen lies - die aufstrebende Chemieindustrie brauchte in großer Zahl Laborgeräte, die bis dahin teuer im Ausland eingekauft werden mußten. Sein größter Verdienst war jedoch 1830 die Entwicklung einer Technologie zur serienmäßigen Herstellung von Thermometern - auch das konnte in Deutschland zuvor kein anderer. F.F.Greiner wurde leider nicht sehr alt und seine Firma konnte sich nur bis 1875 halten. Viele seiner Mitarbeiter und auch frühere Lehrlinge gründeten daraufhin eigene Firmen - sowohl im Ort, als auch der Umgebung und dann auch darüber hinaus. So begann sich von hier aus die Industrie der Herstellung von Thermometern und chemisch-technischen Hohlglas in ganz Deutschland zu verbreiten!.



    Der Empfänger Prof. Richter war Chemiker an der Bergakademie Freiberg und ab 1875 deren Rektor auf Lebenszeit. Er war darüber hinaus der Mit-Entdecker des chemischen Elements Indium - was heute aus der modernen Elektronik nicht wegzudenken ist! Der Briefinhalt ist leider nicht dabei - aber es ist anzunehmen, dass es um Laborausrüstung ging ...


    Gruß Klaus


  • Ich gehe davon aus, daß der Brief an den Enkel "Maximilian Maria von Thurn und Taxis", bzw. an seine Mutter Helene ging, sonst wäre "Maximilian Karl von Thurn und Taxis" in der Anrede geschrieben worden, also der Brief nach dem 10. November 1871 ist.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

    Hallo VorphilaBayern, ich sehe das ein wenig anders: wenn es um eine wichtige Angelegenheit geht, wuerde so ein Brief an die Vormundschaft gehen (nehme ich jetzt einfach mal so an) ... aber vorallem, ich sehe dass das Datum 14/10 ist und damit vor dem Tode des Maximilian Karl von Thurn und Taxis ist, da dieser am 10. November 1871 starb (und wir gehen wir davon aus dass es 1871 ist und nicht vorher. Bin aber gerade ohne Unterlagen, vielleicht unterschlage ich etwas.)

    LG Andreas

  • Lieber Klaus,

    ein schöner Beleg, würde in meine "aus dem Briefkasten"-Sammlung passen.

    1. Wie ich meine, ist der Vermerk "2 noch" in dieser Art selten

    2. Man sollte nicht von Strafporto, sondern Zusatzporto reden.

    3. Meiner Meinung nach ist der Briefumschlag eher privater Art, ist aber nur ein Bauchgefühl.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Klaus,


    ganz nach meinem Geschmack, ein Beleg bei dem sowohl Absender als auch Empfaenger interessant sind! Kompliment! ... Das kleine Stuetzenbach hat es in sich!


    LG Andreas

  • Hallo,

    heute konnte ich den folgenden Brief erwerben.

    Absender war Alexander von Humboldt der an den Königlich Preussischen Consul Delius in Bremen geschrieben hat.

    Der Brief ist am 1.9. 5-6 in Berlin abgestempelt worden. Als Jahr kommt 1856-1858 in Betracht, da der Empfänger Delius in 1856 zum Konsul ernannt wurde und von Humboldt am 6.5.1859 gestorben ist.

    Das Porto von 7 1/4 Silbergroschen kann ich nicht nachvollziehen.



    Grüße

    philast

  • Hallo Philast,

    Ich habe hier einen nach Schlitz. Vielleicht hilft ein Vergleich..


    Ich bin nur ein wenig stutzig wegen seiner Unterschrift auf dem Beleg... ich habe 3 und alle sehen gleich aus, aehnlich wie in Wikipedia abgebildet. Auf Deinem Beleg sieht er allerdings ein wenig anders aus (auch wenn die Adresse 100% seine Handschrift ist) ...


    LG Andreas

  • Hallo AndreasCairo,

    stimme ich zu, es ist ungewöhnlich bei den meisten Belegen ist der Name nicht ausgeschrieben sondern abgekürzt (speziell der Vorname). Einen Reim kann ich mir daraus nicht machen. Schreibart und das rückseitige Siegel sind alle stimmig.


    Grüße

    philast

  • Hallo,

    heute ein Telegramm aus München vom bayerischen Staatsminister von Wehner vom 31.12.1908 nach Augsburg, mit einem für den Empfänger sicher sehr erfreulichen Nachricht.

    Wiki: Anton von Wehner

    Zum schmunzeln daraus ist dieser Satz:
    Im Originaltext der Satire Der Münchner im Himmel von Ludwig Thoma ist Anton von Wehner als damaliger Bayerischer Kultusminister Adressat des „Göttlichen Ratschlußes“; auf welchen er jedoch vergeblich warten wird. In modernen Bearbeitungen wird er allgemein durch die Bayerische Staatsregierung ersetzt.


    Ob die bayerische Staatsregierung heute auch auf die „Göttlichen Ratschlußes“ wartet? ^^


    Grüsse

    philast

  • Liebe Sammelfreunde


    hier zeige ich mal einen unscheinbaren Brief vom 07.03.1852 aus Wien an "Der Hochwohlgeborenen Baronesse Melanie von Campenhausen in Heidelberg", wo er am 10. ankam, wie die Siegelseite zeigt.


    Hier der Inhalt des Briefes:


    Wien den 7 März 1852

    Theure Melanie,

    Ihr Brief vom 3 d. M. hat mich, wie Sie sich wohl vorstellen können, in große Sorge und Kummer versetzt. Doch muß ich Ihnen danken, daß Sie mir die Gefahr, womit meine arme Schwester bedroht ist, sofort gemeldet haben. Ihrem Rath gemäß will ich hier noch Ihren nächsten Brief abwarten, dem ich mit ängstlicher Spannung entgegensehe. Finde ich darin nicht sichere Aussicht auf Wiederherstellung meiner Schwester, so mache ich mich gleich auf den Weg nach Heidelberg. Vor meiner Abreise von hier will ich ihr schreiben, um sie auf meine baldige Ankunft vorzubereiten. Meine Hoffnung beruht auf die (sic) treue, liebevolle Pflege, welche die arme Patientin schon so oft und seit so vielen Jahren von Ihnen, theuere Melanie, genossen hat.

    Ich schaudere wenn ich mir Ihren Sturz rückwärts mit dem Stuhl vorstelle. Gott, welcher Gefahr sind Sie da endronnen! Leben Sie wohl. Ihr hochachtungsvoller ergebener C. (D./I.?)

    Meine Adresse ist: Jägerzeil 537.


    Die Anschrift sowie auch der Inhalt veranlaßte mich, über die Empfängerin mehr zu erfahren. Leider ist über sie nichts zu finden und so habe ich versucht, über ihre Nachfahren mehr zu erfahren, was mir geglückt ist.


    Die Empfänger hieß mit vollem Namen Melanie Leontine Alwine Freiin von Campenhausen und ist am 11.05.1815 auf dem Gut Laitzen (Lettland) geboren und z.Z. des Briefes pflegte sie ihre kränkelnde Stiefmutter Dorothea Freifrau von Campenhausen, geborene von der Osten-Sacken (1795 - 1877), 2. Frau des Christoph Freiherrn von Campenhausen (1780 - 1841).

    Sie heiratete 1853 in Heidelberg Julius von Barsewisch (1817 - 1897), einen invaliden preußischen Offizier. Dieser wurde von seiner Schwester Friederike Wilhelmine Magdalene Albertine (1815 - 1880) gepflegt, nachdem er durch einen Treppensturz während der Einquartierung in Baden 1848 fast querschnittsgelähmt war. Die beiden pflegenden Damen lernten sich kennen und Melanie überzeugte Friederike von Barsewisch, Prießnitzsche Wasserkuren anzuwenden. Diesen schrieb man die weitgehende Genesung zu und so heiratete das aus ziemlich ungleichen Verhältnissen stammende Paar in Heidelberg.

    Die weitaus wohlhabenderen Campenhausens haben sich dann allmählich mit dieser Ehe ausgesöhnt, obwohl man es missbilligte, daß sie in ihrem fortgeschrittenen Alter überhaupt noch heiratete und dann auch noch drei Kinder bekam.

    Sie starb am 06.03.1901 in Fürstenwalde an der Spree. Dort lebte zu der Zeit die Familie von Barsewisch, zu der sie im Alter und verwitwet hingezogen war.


    Der Schreiber des Briefes ist leider nicht eindeutig, ist jedoch der Familie Osten-Sacken zuzuordnen.


    Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Hilfeleistenden.


    Ich würde gern etwas zum Laufweg des Briefes erfahren, denn über Bodenbach dürfte es nicht sein.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Ulf,


    tolle Story - aber die Leitung war sicher über Bodenbach.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Bayern Klassisch


    mir fehlen dazu die Streckenstempel, welche zu dieser Zeit immer zu finden sind. Deshalb denke ich, dass er möglicherweise anders lief. Gab es einen geschlossenen Transit von Dresden/Leipzig bis Heidelberg?


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Ulf,


    ich denke an Wien - FFM im geschlossenen Transit, sonst wären 3 Tage nicht realisierbar.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • ... die haben die Post nach Baden gleich weiterkartiert nach Heidelberg, daher (oft) kein Stempel.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.