Guten Abend!
Darf ich zu dem kuriosen Tüblibrieftorso von St.G. auch mein Scherflein beitragen?
Wie bereits erwähnt, sieht der 2. Zusatzvertrag zum Spanisch-Schweizerischen Postvertrag von 1863, gültig ab 1.11.1867, ein Franko von 50 Rappen pro angefangenen 10 Gramm Gewicht für Briefe aus der Schweiz nach Spanien vor. Laut diesem Vertrag kassierte Spanien für unfrankiert eingehende Briefe aus der Schweiz vom Empfänger 300 Milésimas de Escudo pro angefangenen 10 Gramm Gewicht. Diese 300 Milésimas entsprachen 3 Reales de Vellón alter Währung bzw. 75 Céntimos de Peseta ab 1872.
Wenn nun in Spanien dieser Brief mit 12 Reales taxiert wurde – man nutzte dort noch eine ganze Weile die alten Portostempel mit Wertangabe in Reales weiter – so entspräche dies einem Briefgewicht von 31-40 Gramm; also der 4. Gewichtsstufe. Ein Brief bis 40 Gramm Gewicht hätte also von der Schweiz nach Spanien mit 200 Rappen frankiert sein müssen. Wenn wir davon ausgehen, dass dem so war, so fehlen auf dem GS-Umschlag zu 30 Rp. noch 170 Rp. in Briefmarken, die, in welcher Stückelung auch immer, ja bei Abgang des Briefes augenscheinlich vorhanden waren, entwertet wurden und später irgendwann und irgendwo abgelöst wurden.
Da man allerdings in Spanien die auf dem Brief vorhandene Frankatur auf die Taxierung anrechnete, stören bei dieser Rechnung die 30 Rappen Werteindruck. Da der Umschlag P.D. gestempelt wurde und auch keine unzureichende Frankatur vermerkt/gestempelt wurde, sollte er eigentlich problemlos sein Ziel erreicht haben.
Die (vermeintlichen?) in Frankreich angezeichneten 5 Dezimen kann ich mir nicht erklären. Ein solche „Zwischentaxierung“ im Transit durch Frankreich scheint mir mehr als unwahrscheinlich zu sein.
Dass der Brief einen (Archiv?)Stempel der Firma Sommer in Langenthal vom 1. Januar 1901 trägt, die den Brief 30 Jahre zuvor ja auch nach Barcelona versandt hatte, macht für mich das Ganze noch mysteriöser.
Leider habe ich also auch keine schlüssige Lösung dieses Rätsels gefunden. Vielleicht fällt ja noch jemand anderem noch etwas dazu ein…
Brief vom Langenthal nach Barcelona vom 23. Dezember 1870
Eingefasstes PD Gruppe 13 B
Postleitvermerkstempel SUISSE LYON Gruppe 170
Schwarze Taxierung 5 (5Decimes), blaue Taxierung 12 Rs (Reales)
Rückseite: Blauer Espana La Junquera 26. Dezember 1870, schwarzer Espana 27. Dezember 1870,
4 Briefmarken abgelöst, fehlend. Mögliche fehlende Frankatur 6. Gewichtsstufe (100, 100, 50, 20 Rappen) oder 7. Gewichtsstufe (100, 100, 100, 20 Rappen)
Der Brief lief von Langenthal über Lyon nach Barcelona. Da in Spanien 12 Reales(300 Rappen) taxiert wurden, muss der Brief zumindest in der 6. Gewichtsstufe gelegen haben (Ein bekannter Kollege meint sogar, es handle sich um die 7. Gewichtsstufe). Der Brief war wahrscheinlich richtig frankiert und lief so zumindest bis über Lyon. Dies zeigt der rote Teilabschlag von Lyon Postleitvermerkstempel), der auch auf zumindest einer Marke zu finden wäre. Danach wurden die Briefmarken auf dem Weg weiter nach Spanien abgelöst. Wahrscheinlich durch einen Postangestellten. Wer sonst bekäme diesen Brief in seine Hände. Auf der weiteren Reise durch Frankreich bemerkte man den zu wenig frankierten Brief und taxierte ihn mit 5 Decimes. In Spanien wiederum wurde der Brief als unfrankiert betrachtet und mit 12 Reales taxiert was beim Empfänger einkassiert wurde.
Auch wenn 4 Briefmarken fehlen und somit die Frankatur und der Brief mangelhaft sind, erzählt dieses Stück doch eine wunderbare Geschichte. Dieser Brief bekommt somit einen Platz im Ordner Kuriositäten bei mir.
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