Briefe Bayern - Frankreich

  • Liebe Freunde,

    unter diesem Thread sollen alle Frankobriefe von Bayern nach Frankreich ein Mäntelchen finden, denn Portobriefe gab es wohl so gut wie gar keine.

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    Ab dem 16.5.1872 bestimmt das Dt. Reich als Franko für einfache Briefe nur noch 9 Kr., die in 3 Kr. für Bayern und 6 Kr. für Frankreich zu teilen waren. Nach dem Krieg 1870/71 war für Bayern die gemeinsame Grenze zu Frankreich weggefallen, weil die dann deutsch gewordenen Gebiete des Elsass, an die man vorher grenzte, Reichslande geworden waren.

    Demzufolge hatte Bayern auch keinen eigenen Postvertrag mehr mit Frankreich abzuschließen, weil allein die Reichspost die bayer. Sendungen nach und von Frankreich vermittelte und die Reichspost bis 1874 in Groschen, ab 1875 aber in Pfennigen rechnete - beides Währungen, die Bayern nicht kannte und für letztere gilt der Einführungszeitpunkt 1.1.1876, so dass die bayer. Kreuzerzeit für die süddeutschen Gebiete ein Blick in die Geschichte bedeutete, weil man schon ab dem 1.1.1875 in der neuen Währung rechnete.

    Jedenfalls hatte Bayern mit dem Grenzübergang Avricourt sein regelmässiges Anlaufziel, auch wenn die meisten Briefe noch immer über Paris geleitet wurden.

    Die Darstellung von 9 Kr. wäre eigentlich höchst simpel, denn es gab ja 9 Kr. Marken und auch 6 und 3 Kr. wären gut vorstellbar. Die Regel waren aber 3 Kr. Marken, von denen 3 Stück auch 9 Kr. ergaben.
    Hier zeige ich aber 2 mal 3 Kr. und 3 mal 1 Kr. - eine Kombination, wie ich sie kaum einmal gesehen habe. Der Brief aus Kaiserslautern vom 20.2.1875 ist daher nach meinem Dafürhalten ein sehr attraktiver, zumal auch der blaue "Allemagne Pag. Paris" (also das Pariser Paket über Pagny) mit dem roten P.D. gut korreliert.

    Das Weiterfranko mit 15 Pfennigen, der Hälfte von 9 Kr. also, ist korrekt in rot ausgewiesen und war von der Reichspost an Frankreich zu vergüten. Äußerlich deutet alles auf einen Privatbrief hin, auch wenn die Adresse "Monsieur le Maire de la Minitree, Canton de Baufort (Beaufort) pres d´Angers Departement de Main - et - Loire", also Herrn Bürgermeister von Minitree im Kanton Beaufort bei Angers im Departement Main und Loire notiert wurde.

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    Die Siegelseite spiegelt aber ein anderes Bild wider, denn man erkennt die typische Verschlußoblate der Stadtverwaltung von Kaiserslautern, was sehr auf einen Dienstbrief hindeutet. Die Transitstempel legen den Laufweg nahe, der obligat war zu dieser Zeit.

    Der Inhalt ist aber interessant bis lustig, daher will ich ihn hier einmal zeigen:

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    Für die Freunde der "Social Philately" vlt. ein gefundenes Fressen? Das Bürgermeisteramt KL schrieb (man achte auf die französische "5" oben rechts im Jahr):

    Verehelichung des Johannes Redenbach, Tageer dahier.

    "Ich ersuche ergebenst einen Auszug aus dem Geburtsact des Rubrikaten, der ein Sohn ist von Johannes Redenbach und Catharina Pfeffer, behufs seiner Verehelichung ausfertigen und legalisirt anher gelangen zu lassen. Derselbe will geboren sein im Jahr 1855 oder 1856 ( :?::!:8o^^ ). Die Costen mit 1 fl. 45 xr (1 Gulden und 45 Kreuzer) befinden sich beigeschlossen."

    Der letzte Satz ist der Hammer - hier hat also eine bayer. Behörde etwas benötigt, weil es der heiratswillige Franzose benötigt hat. Man hat also Geld (!) in einen Brief gelegt und ihn per Briefpost auf die Reise geschickt! Jeder Brief mit Geld, und wäre es nur 1 Heller, war aber ein Fahrpostgegenstand, da die Briefpost für Werte in Briefen nicht versicherbar war.

    Für mich steht außer Zweifel, dass dieses Stück ein Unikat sein dürfte, denn so hübsch es ist, es war auch ein Postbetrug ganz besonderer Güte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    2 Mal editiert, zuletzt von bayern klassisch (9. August 2015 um 16:39)

  • Lieber Bayern Klassisch,

    für den Marken, -Stempel, -Po, und Socialphilatelisten, ein in jeder
    Hinsicht tolles und attraktives Stück :thumbup: :thumbup:

    Vielen Dank fürs ausführliche zeigen...!!

    Viele Grüsse
    Oliver

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber bayern klassisch,
    Wie versprochen habe ich jetzt 2 Stunden rumgegoogelt, um etwas Social-Philatelistisches zu Deinem Brief herauszufinden. Sehr erfolgreich war ich nicht, aber ein paar Ergebnisse seien hier doch genannt:
    1. Der Brief ging nicht nach Minitree, sondern nach La Ménitré, Canton Beaufort-en-Vallée (es gibt in Frankreich noch 2 weitere
    Kantone mit Beaufort im Namen), Département Maine-et-Loire. Der Ort hat heute um die 1700 Einwohner.
    2. Der Familienname Redenbach scheint in der Pfalz recht häufig zu sein, in Kaiserslautern, aber z.B. auch in Landstuhl.
    3. In Kaiserslautern gab es am 17.7.1880 eine Hochzeit zwischen einem Johannes Redenbach und einer Elisabeth Schank, in Landstuhl
    am 9.5.1876 eine zwischen einem Johannes Philipp Redenbach und einer Maria Margaretha Heinz. Es ist aber nicht anzunehmen,
    dass eine der beiden Hochzeiten diejenige ist, auf die sich der Briefinhalt bezieht.
    Ja, und das war's dann. mehr kann ich von Niederbayern aus nicht machen. Das wäre eine Aufgabe für einen Heimatpfleger in KL. Aber eine Berühmtheit ist unser Johannes im späteren Leben wohl nicht geworden.

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber maunzerle,

    hab vielen Dank für deine Mühewaltung und Ergebnisse. Du hast sicher einen Volltreffen gelandet mit dem Heiratsdatum vom 9.5.1876, denn unser Kandidat hieß ja auch Johannes Redenbach! Super. :):):)

    Dass eine Hochzeit mit ausländischer Beteiligung ein halbes Jahr dauern konnte, war nicht unüblich. Im Dez. 1875 ging mein Brief nach Frankreich und wer weiß, wann die Antwort mit den Papieren kam - das konnte sich schon ein paar Monate hinziehen, bis alles geregelt worden war.

    Danke auch mir der Hilfe des Ortes - der "Pälzer babbelde" halt so gut es ging und eine Palatinisierung französischer Ortsnamen war wohl eher die Regel, als die Ausnahme.

    Schön, dass er jetzt besser beschreibbar ist.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen,

    hallo bayern klassisch, hallo maunzerle,

    so ein super Beleg, und es ist einfach der helle Wahnsinn, was ihr dabei in gerade einmal 7 Stunden darüber herausfindet und schreibt :thumbup: :thumbup: Ja das ist ein Forum, das quicklebendig ist.
    Es ist eine Freude und ein Genuss, dies hier zu lesen. Danke :thumbup: :thumbup:

    Grüße aus Frankfurt
    sagt ein begeisterte hasselbert

    Einmal editiert, zuletzt von hasselbert (31. Juli 2011 um 04:59)

  • Hallo zusammen,

    aus der von @bk schon w.o. benannten Gebührenperiode anbei ein Beleg von (Bad) Dürkheim / Pfalz nach Dijon. Stark vermuten läßt sich, dass es sich bei dem (schlecht leserlichen) roten Grenzübergangsstempel um den Baviere Forbach handelt.

    Darunter dann der übliche PD-Abschlag, ebenfals in rot. Was mir aber noch vollkommen schleierhaft ist, ist der mit rotem Wachsstift angebrachte (postalische ?) Vermerk links (siehe Detailscan). Kann jemand dazu evtl. eine Einschätzung treffen ?(


    + Gruß

    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,

    nicht übel das Briefchen. ;)

    Der Vermerk war von der Post angebracht worden und betraf das Weiterfranko für die Reichspost - 1 6/12 Groschen, also 1,5 Groschen = 6 Kreuzer. 3 Kr. blieben Bayern, der Rest wurde dem Dt. Reich vergütet, welches mit Frankreich abrechnete, weil Bayern ja ab dem 19.7.1870 postalisch keine Grenze mehr mit Frankreich hatte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo bk,

    besten Dank, das muss man erst mal lesen und erkennen können !

    Hut ab :thumbup:

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Sammlerfreunde,

    nochmal ein Beleg aus der Zeit nach Einführung der Pfennigwährung im Reichspostgebiet, siegelseitig ohne weitere postalische Behandlung. Vorderseitig findet man keinen Weiterfrancovermerk.

    Die Verwendung der von dem Bahnpoststempel WORMS-NEUNKIRCHEN am 02.06.1875 entwerteten drei Mi-Nrn. 23y war noch bis 31.12.1875 möglich.

    Nur nochmal der Klarstellung halber auch unter Bezug auf das post1 von @bk: Von den verklebten 9 Kr entfielen 3 Kr auf Bayern, 6 Kr = 1,5 Groschen = 15 Pfennige an die Reichspost. Was aber führte jene nun davon an Frankreich ab ?


    + Gruß

    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,

    [quote ]Was aber führte jene nun davon an Frankreich ab ? [/quote]

    alles! Bayern konnte mit FR ab 19.7.1870 nicht mehr verrechnen, da es keine gemeinsame postalische Grenze mehr gab und der Vertrag infolge des Kriegszustandes teilweise ausgehelbelt worden war (normative Kraft des Faktischen). Die zwischengeschaltete Post des Norddeutschen Bundes bzw. des Dt. Reichs sollte ja durch die Angabe des Weiterfrankos von 1 6/12 Groschen ihre Aufgabe erleichtert bekommen, da sie NIE in Kreuzern rechnete.

    Lediglich ab 1.1.1875 war im Verrechnungswege zwischen dem Dt. Reich und Frankreich auf Seite der Deutschen Postbehörde Mark und Pfennig eingeführt worden, wodurch sich das Verhältnis arithemtisch veränderte (3x entsprachen 8 Pfennigen, denn 10 Pfennige entsprachen ja einem Groschen und der wertete 3,5x!).

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ... dann ließ mal etwas über das Zündnadelgewehr der Preußen nach, dann wirst du sehen, dass sie doch sehr schnell schossen! :D

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ...jaja, aber der Spruch soll ja nach anders lautenden Meinungen nicht von der einschlägigen Königgrätz-story herkommen, sondern von Deserteuren, die zwar ordentlich verprügelt, aber nicht erschossen wurden, da als Soldaten unverzichtbar.


    Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,

    für die farbenfreudigen unter uns kann auch mal eine Einzelfrankatur herhalten, zumindest dann, wenn die Marke braun, die farbigen Stempel aber blauviolett, blau oder rot sind.

    9x, das Wz. kann ich nicht bestimmen und hoffe auf das X, war das Franko für einfache, bis 10g wiegende Briefe ab dem 16.5.1872 nach Frankreich. Ab diesem Datum war die, wie bei jeder Markenausgabe nur für Frankreich eingeführte 12x Marke obsolet geworden (dem Krieg sei Dank 8) ) und Bayern brauchte bis 1873, um für den neuen Tarif endlich eine Marke zu emittieren.

    Der Aufgabestempel ist recht selten, der Laufweg aus der Pfalz hinreichend belegt. Das Weiterfranko für Frankreich, das zuerst der Reichspost zu vergüten war, wurde jedoch statt in roter Schrift links unten oben rechts in schwarzer Tinte notiert, wo man es sicher in der Alltagshektik kaum hat lesen/finden können. Eine kleine Contravention also.

    1 1/2 Groschen waren 6x, die Bayern an die Reichspost vergütete, die sie wieder an Frankreich weitergab. Die Siegelseite, wie bei fast allen Briefen dieser Zeit, ist blank.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo bk,

    schon versucht den Brief von innen nach außen bei gleichzeitiger Durchleuchtung zu betrachten ? Auf diese Weise konnte bei den Marken des nachstehenden Beleges das WZ Y recht einfach festgestellt werden.

    Mit der "Grafik" des Weiterfrankos von 1 6/12 Groschen komme ich - trotzdem mittlerweile ja bekannt - irgend wie immer noch nicht ganz klar.

    Schönen Gruß

    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,

    zwischen Bayern (Pfalz) und Frankreich lag seit dem Krieg das Dt. Reich. Bayern rechnete nicht mehr selbst ab mit Frankreich, sondern bekam das Reich zwischen geschaltet. Daher musste Bayern sein Weiterfranko der Postanstalt vergüten, die es mit Frankreich verrechnen würde.

    3x für Bayern und 6x für Frankreich waren frankiert worden und Frankreich bekam 1 6/12 Groschen = 6x vergütet.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    es gibt einen Brief, der das Weiterfranko von 1 9/12 Groschen Bayern - Frankreich zeigt, wo es doch eigentich 1 6/12 Groschen sein müssten.

    Kann jemand etwas dazu sagen? Wenn ja, wann gab es eine Änderung?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Abend allerseits,

    .

    manchmal lohnt es sich seine bislang ungeprüften Sachen mal durchchecken zu lassen, vorliegend schlug heute unerwartet eine 28x auf Beleg auf. Adressiert wurde an den Hilfsgerichtsschreiber Monsieur Vergé in Fontaineblau (Île-de-France / Département Seine-et-Marne). Hier befindet sich bekanntlich das im 16. Jahrhundert errichtete königliche Renaissanceschloss, welches zeitweilig auch von Kaiser Napoleon Bonaparte genutzt wurde. Leider ist das Brieflein aber ohne Inhalt verblieben.

    .

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,

    ein herrlicher Beleg!

    Aber ich muss etwas korrigieren: Da steht 1 6/12, wobei man die 12 im Nenner fast immer weggelassen hat. Das waren 6 Kreuzer, das ist richtig, aber nach dem Krieg hat die Pfalz das Weiterfranko für Frankreich in Reichwährung notieren müssen, weil nur noch das Dt. Reich mit Frankreich kartenschließend war, daher immer in Groschen, ab 1875 waren es dann 15 Pfennige.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo bk,

    Aber ich muss etwas korrigieren: Da steht 1 6/12, wobei man die 12 im Nenner fast immer weggelassen hat.

    solcherlei- natürlich enorm wertvolle - Erfahrungswerte muss man erst mal gewinnen (können). :D .
    Ich hatte sowas wie 6 x WF gedeutet, aber das lassen wir dann einfach besser mal weg. ^^

    Merci + Gruß!
    vom Pälzer

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