Österreich - Bayern - Württemberg - Baden - Frankreich

  • Liebe Freunde,


    ein eher unscheinbarer Brief ließ sich von mir erwerben, wofür ich dem Anbieter dankbar bin.


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    Es war ein barfrankierter Brief aus Wien vom 15.12.1860 nach Besancon in Frankreich. Der Absender zahlte 30 Neukreuzer für Österreich und 45 Neukreuzer für Frankreich, in summa also 75 Neukreuzer.


    Die österreichischen Stempel P.D. und Franco bestätigten die Bezahlung aller Gebühren. Wieso kostete ein Brief aber 75 NKr.?


    Er lag in der 3. Gewichtsstufe! Üblich war als 1. Gewichtsstufe das Franko (mittels Marken!) von 25 Nkr.. Hier also dreifach bei linearer Progression. Am 17.12.1860 kam er in Strasbourg an, wo er mit dem Stempel der Bahnpost Nr. 1, also der Tour, Richtung Paris spediert wurde und am 18.12. zugestellt werden konnte.


    Viele Transitbriefe, noch dazu bar frankierte, über Bayern nach Frankreich kenne ich von Österreich nicht.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber bayern klassisch,
    einen sehr interessanten und schweren Brief zeigst Du da!
    Als Leitweg hätte ich eher die Route über Böhmen (Prag-Bodenbach) und dann Leipzig-Giessen-Bingerbrück-Saarbrücken-Forbach als über Bayern und die anderen süddeutschen Staaten erwartet. Immerhin herrschte 1860 kein unsicherer Kriegszustand...
    Gibt es eine Aussage zur Häufigkeit dieser Süd-Leitung bzw. einen definierten modus operandi im Umgang mit Post von Wien nach Paris (oder weiter)?

    Beste Grüsse vom
    µkern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch und mikrokern


    Ein sehr interessanter Brief.
    Viele bar frankierte findet man wohl überhaupt nicht. Und dazu 3. Gewichtsstufe :) :)


    Eine Leitung über Strasbourg war in der 60-iger Jahren immer normaler geworden von Wien aus. Erst nach 1871 hat Erqulines es alles übernommen nachdem Strasbourg deutsch geworden ist.
    Die Häufigkeit kenne ich nicht, aber ich würde normal sagen. Eine Übersicht hierzu oder gute Quellen habe ich leider nicht.


    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo ihr Lieben,


    ganz richtig: Der Laufweg über Bodenbach wie geschildert wäre gangbar gewesen, aber 1860 war er nicht mehr angesagt - meine Belege ab 1858ff weisen das so aus.


    Die Leitung hätte auch über Forbach (Saarbrücken - Preußen) oder Valenciennes (Preußen) stattfinden können. Es gibt diese Beispiele auch. Ich denke, dass auch das genaue Abgangsdatum mit den Zuganschlüssen eine maßgebliche Rolle gespielt hat.


    Lediglich in der Kriegszeit 1866 leitete man zwangsweise die Post immer über Bayern, Württemberg und Baden nach und über Frankreich, wobei theoretisch auch eine Leitung über Forbach ab Frankfurt am Main bzw. Ludwigshafen - Kaiserslautern möglich gewesen wäre, aber so ein Brief ist mir in 25 Jahren noch nicht untergekommen.


    Die Barfrankatur fand ich sehr interessant - gerade aus Wien, wo es ganz sicher keinen Markenmangel gegeben haben konnte. Was der Brief gekostet hätte, wenn 75 Neukreuzer in Marken (als 3- oder 4 Farbenfrankatur) verklebt worden wären, kann man sich sicher vorstellen. Die 3. Gewichtsstufe ist schon recht selten, aber es gibt auch 12. und 15. Gewichtsstufen, sogar recommandirt, aber die liegen im gut 5stelligen Eurobereich, da war mir der hier zum Preis einer Familienpizza doch lieber. :thumbup:


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber bayern klassisch,
    wenn Böhmen/Preussen 1860 nicht mehr Standard war, welches war dann die default-Route?
    Von wo über Forbach bzw. Valenciennes? Für die Leitung über Bayern/Württemberg/Baden gibst Du ja die Kriegszeit 1866 als massgeblich an, aber davor und danach?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,


    über Forbach ging es, vom Krieg 1866 und ab dem 19.7.1870 abgesehen, immer nach Frankreich. Die Leitung erfolgte dann über Bodenbach und Frankfurt am Main - Bingerbrück - Saarbrücken.
    Auch über Bodenbach - Leipzig - Magdeburg - Minden - Köln gibt es Briefe (sogar aus Russland!).


    Auch vor 1866 konnten Briefe über die Schweiz (Basel) via St. Louis nach Frankreich geroutet werden und über Strasbourg. Da Preußen aber seine schnellen Bahnverbindungen hatte, während in Süddeutschland eher Nord - Süd, denn West - Ost Strecken gefragt waren, wurde oft über Preußen geleitet.


    Über Bodenbach kann ich es nur ab 1853 - 1858 belegen und jeder Brief mit beweisbarem Transit über Bodenbach (Österreich - Sachsen) nach und über Bayern ist für mich interessant.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • über Forbach ging es, vom Krieg 1866 und ab dem 19.7.1870 abgesehen, immer nach Frankreich. Die Leitung erfolgte dann über Bodenbach und Frankfurt am Main - Bingerbrück - Saarbrücken....


    Über Bodenbach kann ich es nur ab 1853 - 1858 belegen ...


    Lieber bayern klassisch,
    vielen Dank für Deine aufklärerische Mühe, aber ich scheine immer noch ein Verständnisproblem zu haben:
    Wenn Du die Route über Böhmen (Bodenbach) und Preussen (Bingerbrück oder Köln) nach Forbach als Standard - ausser Sommer 66 und ab Juli 70 - angibst, gleichzeitig für Bodenbach nur den Zeitraum 1853-58 nennst, so verstehe ich das nicht.
    Oder heisst das, Du gehst zwar von Bodenbach für den kompletten Zeitraum bis 1870 (ausser 1866) aus, hast aber selber nur Belege bis 1858?
    In post #4 schreibst Du "ganz richtig: Der Laufweg über Bodenbach wie geschildert wäre gangbar gewesen, aber 1860 war er nicht mehr angesagt ..."


    Sorry für die Penetranz, und danke für Mühe und Geduld... :love:

    Beste Grüsse vom
    µkern

    Einmal editiert, zuletzt von mikrokern ()

  • Lieber mikrokern,


    das ist nicht deine Penetranz, sondern meine schlecht strukturierten Antworten. :S


    Vor dem DÖPV - Leitung über die Schweiz (Basel) nach Frankreich (St. Louis).


    Ab dem DÖPV war die Leitung prinzipiell über Strasbourg und Forbach über die Südstaaten Bayern, Württemberg, Baden und Taxis möglich.
    1851 wurde die Bahn über Bodenbach fertig gestellt, ich kann aber erst ab 1853 beweisen, dass österreichische Briefe mit diesem Laufweg existieren. Von Böhmen aus liefen die Transite teils über Bodenbach, oft auch über Bayern direkt und dann weiter nach Strasbourg oder Forbach, je nach dem Zielort in Frankreich bzw. dem Kartenschluß, den die bayer. Poststellen bedienten.


    Sendungen nach Nordfrankreich liefen in der Masse über Forbach oder weiter nördlich durch Preußen, weil diese ein gut funktionierendes Bahnnetz hatten, was bei den süddeutschen Staaten (Ausnahme Baden für Nord - Süd et vice versa Transite) nicht vorhanden war.


    Sendungen nach Südfrankreich konnten auch über die Südstaaten nach Strasbourg laufen, ohne den Umweg über Bodenbach (Sachsen - Preußen oder Sachsen - TT - Preußen) nehmen zu müssen.


    Bodenbach verlor in dem Maße an Bedeutung, als die Südstaaten Ende der 1850er/Anfang der 1860er Jahre ihr Streckennetz stets verbesserten und die Korrespondenzen via Sachsen und Preußen abgriffen.


    Schwierig ist die Beweisführung, weil bis ca. 1857/58 immer der Bodenbacher Stempel die Richtung weist. Ab Bodenbach konnte es nach Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Schwaben gehen. Auch sind Briefe nach Nordbaden und Südbaden und Württemberg bekannt. Des weiteren nach der Ost- und Westschweiz. Schließlich gar nach der bayer. Pfalz (sehr selten) und auch Rheinpreußen (Saarpreußen) würde ich nicht ausschließen, wiewohl ich dergleichen noch nicht gesehen habe.


    Die Leitung über Bodenbach steht in keinem kausalen Zusammenhang mit über das Postvereinsgebiet hinaus gehenden Destinationen. Kartierte man via Bodenbach nach Baden, sandte Baden diese Korrespondenz nach Frankreich natürlich über Strasbourg. Kartierte man nach TT, dann lief sie von hier via Forbach. Das war allein die Entscheidung der Postverwaltungen, die ihre Briefe loco und transit via Bodenbach zukartiert bekamen.


    Bayern erhielt seine Post via Bodenbach in die CH, jedoch nur die Briefe in die Ostschweiz! Ein Brief via Bodenbach in die Westschweiz hätte man dort zwar auch über Bayern geleitet, ihn jedoch in ein Briefpaket nach Heidelberg oder Karlsruhe gelegt, so dass er zwar auch Bayern transitiert hätte, aber dies nicht an bayer. Bahnpoststempeln festmachen könnte.


    Alles ein bisschen schwierig, ich weiß ja ...


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber bayern klassisch,
    besten Dank für diese sehr detaillierte Auskunft, sehr interessant!
    Kann man, was die Leitung von Briefen Mitte der 60er Jahre von Wien z.B. nach Paris (also Nordfrankreich) betrifft, davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, solche Briefe über die süddeutschen Staaten (inkl. Bayern) statt über Bodenbach zu spedieren, deutlich zugenommen hat?
    Wie siehst Du das Verhältnis von "süddeutscher Route" gegenüber "böhmisch-preussischer Route" für Post von Wien nach Nordfrankreich Mitte der 60er Jahre?
    Und noch konkreter: ist dann ein Brief von Wien nach Paris aus dem Kriegs-Juli 1866, der über Bayern-Württemberg-Baden-Strassburg lief, wirklich eine kriegsbedingte Umleitung? Oder wäre der im Friedensfall nicht sowieso (oder zumindest häufiger) über die Südroute spediert worden?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,


    Kann man, was die Leitung von Briefen Mitte der 60er Jahre von Wien z.B. nach Paris (also Nordfrankreich) betrifft, davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, solche Briefe über die süddeutschen Staaten (inkl. Bayern) statt über Bodenbach zu spedieren, deutlich zugenommen hat?


    Das würde ich so stehen lassen.


    Wie siehst Du das Verhältnis von "süddeutscher Route" gegenüber "böhmisch-preussischer Route" für Post von Wien nach Nordfrankreich Mitte der 60er Jahre?


    Die Leitung erfolgte meistens über Preußen, nicht über die Südroute.


    Und noch konkreter: ist dann ein Brief von Wien nach Paris aus dem Kriegs-Juli 1866, der über Bayern-Württemberg-Baden-Strassburg lief, wirklich eine kriegsbedingte Umleitung? Oder wäre der im Friedensfall nicht sowieso (oder zumindest häufiger) über die Südroute spediert worden?


    Hier war die Route über Preußen die Regel, über die Südstaaten die Ausnahme. Erst 1866 wurde für wenige Wochen der Verkehr über Preußen gesperrt und allein die Südroute bedient. Eine Leitung von Wien nach Paris zur Kriegszeit ist immer eine Kriegs(um)leitung, denn die Wahl der Kartierung war ja nicht mehr gegeben - allein das ist schon eine große Einschränkung durch den Krieg.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo zusammen!


    Gut, dass ich dem Rat meines Freundes bayern klassisch gefolgt bin, in meine „Heidelberg“-Sammlung auch Incoming-Mail-Belege zu integrieren – dadurch kann ich mich auch an diesem interessanten Thread aktiv beteiligen.
    Zunächst war ich etwas irritiert über das frankierte Porto von 15 Kreuzern auf meinen beiden Briefen aus Klosterneuburg bei Wien nach Heidelberg aus dem Jahr 1865 – mir war bisher nur das 9-Kreuzer-Porto für mehr als 20 Meilen Beförderung bekannt. Aber auch ein Heidelberger kann die österreichischen Neukreuzer kennenlernen, wenn er hier im Forum ohne badische Scheuklappen mitliest …



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    Leider kann ich aus den siegelseitigen Durchgangsstempeln den Leitweg des Briefs nicht rekonstruieren. Der badische Bahnpoststempel deutet auf die Beförderung auf der Rheintalstrecke hin. Von Süden - etwa von Straßburg - nach HD? Oder von Norden ab Frankfurt? Aber würden wir dann nicht einen Taxis-Stempel sehen?


    Mein zweiter Brief aus der gleichen Korrespondenz:


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    ... hilft mir auch nicht weiter - der Bahnpoststempel ist diesmal zwar klar und deutlich, der Heidelberger Ankunftstempel ebenfalls schlampig, Durchgangsstempel - Fehlanzeige ...


    Übrigens: kennt jemand Herrn Ferdinand Rüdt von Collenberg? Bei Wikipedia finde ich nur Ludwig. Vielleicht der Sohn, der auch in HD studierte?


    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,


    das sind doch herrliche Briefe für einen HD - Sammler! Zwei aus gleicher Korrespondenz auf einen Streich ...


    Der Laufweg war: München - Augsburg - Ulm - Stuttgart - Pforzheim - Karlsruhe - Heidelberg.


    Ich freue mich schon jetzt auf weitere Briefe nach HD, von woher auch immer. :P


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    da ich ja mehr oder weniger krampfhaft versuche, alle Möglichkeiten von Transiten zu belegen, konnte ich diesem hier nicht widerstehen. Geschrieben wurde er in Rostok (nein, nicht das große Rostock an der Ostsee, sondern das kleine Rostok bei Prag) am 20.11.1874 an Ch. & E. Esinger in Strasbourg / Alsance, wobei man besser die deutsche Schreibweise Straßburg im Elsass verwendet hätte.


    1874 gab es noch Österreich, das Transit leistende Königreich Bayern, das ebenso Transit leistende Königreich Württemberg, das ehemalige Großherzogtum Baden aber hatte sein Postautonomie am 1.1.1872 zu Gunsten des Dt. Reiches abgegeben und rechtsrheinisch das Dt. Reich selbst. Damit waren 5 Staaten involviert, die 4 Postverwaltungen aufrecht erhalten hatten.


    Die verwendete 5 Nkr. Marke entsprach 3 rheinischen Kreuzern und reichte allemal aus. Bis zum Krieg 1870/71 hätte man mit dem fünffachen frankieren müssen, nämlich mit 25 Nkr.. So hatte der Krieg, wenn auch nur gebührenmässig, für Österreich doch etwas gutes. Bayern, Württemberg und das Dt. Reich erhielten dann auch nichts von dem knappen Markenwert, was durchaus verständlich ist.


    Die Zustellung erfolgte schon am Folgetag - da kann man nicht meckern als Postkunde, obwohl das "E+1" damals noch nicht werbekampagnenmässig erfunden worden war.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    ein kleines Schmankerl ging mir ins Netz: Dienstbrief des k. k. Bezirksamts Reutte vom 2.2.1864 an die kaiserliche Präfektur in Strasbourg mit Postaufgabe am 4.2.1864. Der mit "Exoffo" und "Militaria", dem Dienstsiegel und der Expeditionsnummer 433 korrekt versehene Dienstbrief war gebührenfrei über Bayern, Württemberg und Baden spediert worden. In Strasbourg kam er ausweislich der Stempel AUTR(iche) - STRASBOURG 7.2.1864 und den siegelseitigen Ankunftsstempeln an.


    Der Inhalt ist interessant und sollte nicht verschwiegen werden:


    Franz Natter von Elmen in Tirol 21 Jahre alt, Maurer und Nagelschmid soll sich zu Kaisersberg im Elsaß aufhalten. Das Bezriksamt Reutte in Triol giebt sich die Ehre zu ersuchen, die löbl(iche) Präfektur wolle denselben verständigen laßen, daß er zur Militärlohnung am 24. Febr. dieses Jahres 8 Uhr früh hier zu erscheinen habe, widrigens für ihn gelost würde.


    Wir wissen leider nicht, ob man den guten Natter im wunderschönen Kaysersberg im Elsaß gefunden hat (einer der 10 schönsten Orte der Welt für mich), aber mit diesem Brief wissen wir jetzt, dass die Militärdienste in Österreich damals auch durch Losentscheid gewonnen, oder verloren werden konnten.

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    der folgende Brief von 1861 aus dem österreichischen Krakau nach Nantes in der französischen Bretagne zeigt ebenfalls diesen interessanten Leitweg auf der Südroute.



    Der rückwärtige Durchgangsstempel von Szczakowa ist hierbei ein interessantes Detail.



    Wie diese Bahnkarte von 1860 zeigt, lief der Brief von Krakau zunächst zum österreichischen Grenzbahnhof Sczcakowa. Dieser lag im Dreiländereck Österreich/Polen/Preußen und hatte über den polnischen Bahnhof Granica (blau markiert) Anbindung an die Warschauer Bahnstrecke und über das preußische Myslowitz (ebenfalls blau markiert) eine Anbindung an die Oberschlesische Bahnstrecke nach Preußen (Breslau-Berlin).

    In Szczakowa wurde der Brief nun aber nicht an Preußen übergeben (wie man bei einer Leitung nach Nordwestfrankreich vermuten könnte), sondern wahrscheinlich an einen Zug Warschau-Wien, der dann (rot markiert) die südwestliche Richtung nahm.

    Der französische Vertragsstempel AUTR. 3 STRASBOURG (aus Paris) vom 17.11. dokumentiert hierfür eine Laufzeit von 3 Tagen. Über Breslau-Berlin wäre es vermutlich etwas schneller gewesen - vielleicht finde ich noch einen Brief, der genau dies zeigt.

    Die Taxierung des Portobriefes: 8 dec. für die 1.Gewichtsstufe


    Kurz noch zum Absender:

    Stanisław Feintuch war ein Kolonialwarenhändler, der in einer prominenten Adresse sein Geschäft in Krakau eröffnet hatte:

    Fortunately, at around this time, one Stanisław Feintuch, a merchant from an assimilated Jewish family, saw fit to establish his shop selling colonial wares in the building. Thanks to his entrepreneurial spirit, 40 years later the Grey House had become the biggest store in the city. Feintuch changed his name to Szarski and undertook what renovations to the building he could.aus: Szara Kamienica

    Das beeindruckende Gebäude mit reicher Vergangenheit ist bis heute eine Sehenswürdigkeit in Krakau.


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    in jeder Beziehung ein außergewöhnliches Stück - Glückwunsch zu seinem Kauf.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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