30-Jähriger Krieg

  • Liebe Freunde,


    ..auch wenn es aus postgeschichtlicher Sicht nur wenig zu den Briefen dieser Epoche zu sagen gibt (..mit der Post beförderte Briefe gibt es in den Kriegswirren nur sporadisch; fast alles, was hier gezeigt werden kann, ist wohl als Kurier- resp. Botenpost befördert worden) - den einen oder anderen Beleg möchte ich doch hier zeigen.


    Heute ein kleiner Trauer-Schnörkelbrief, geschrieben während des 30-jährigen Krieges in Langenburg von der regierenden Gräfin Anna Maria von Hohenlohe-Neuenstein an die Witwe des am 30. April 1631 verstorbenen Wolfgang II. Graf zu Castell in REMLINGEN.


    "..Der wolgebornen Juliane Grävin und Frauen zu Castel, geborene Grävin von Hohenloe, Meiner frdl. lieben Baasen, Schwester und Gevatterin..


    ..Mein freundlich Dienst und Gruß, auch was ich sonst mehr Liebes und Gutes vermag, zuvor, wolgeborene, frdl. liebe Baaß, Schwester und Gevatterin.


    Ich hab mit bekümmertem Gemüth verstanden, welcher gestalt der Allmächtige weiland den wolgeborenen Wolffgangen Graven und Herrn zu Castel, Euer Liebden herzlieben Herrn und Ehegemahl, nunmehr Christseeliger Gedächtnis, auß dieser Zeitlichkeit zu sich in das ohn allen Zweifel himmlische Leben hingenommen, deßen Seel seine Allmacht pflegen und an dem großen Tag der Posaunen mit dem Leib in Herrlichkeit wiederumb verainigen und neben allen Außerwehlten zur ewigen Freud versamlen wolle.
    Kann in dem Übrigen, weil ichs an meinem selbstaignen HerzLeid mehr dann zuviel innen worden, leichtlich erachten, in was große Bekümmernis Euer Liebden durch diesen zeitlichen Riß gesezet worden; nachdem es aber je einmal also gethan, daß wir zu diesem Leben nit geschaffen, zu dem ewigen aber durch kein andrer dann des zeitlichen Todtes Thüre eindreten können, beneben alle Christgläubige, insonderheit aber Eltern, Kinder, geschwisterig und Eheleuth deßen am allergewißesten versichert, daß sie durch den zeitlichen Todt einander nit verlieren, sondern hiernechst, als Engel Gottes, sich wiederumb sehen können und in unaußsprechlicher ewiger Herrligkeit beisammen sein und bleiben werden. So ist mir demnach gar kein Zweifel, Euer Liebden als eine des Wortes Gottes wolverständige Gräfin wißen sich ohne mein Erinnern in christlicher Gedult zu faßen und sovil diese zeitliche Beraubung betrifft, des Allmächtigen, aller Wittwen und Waisen Vaters, Schutz, Schirmes und Beistands zu trösten. Kann ich für meine Person Euer Liebden in ihrem Wittwenstand einige Dienst, Treue oder Freundschafft erweisen, wollen Sie sich deßen unzweiferlich versichern, sondern auch gewiß glauben, daß meine Kinder zu solcher Nachfolg fleißig angewiesen werden sollen, und verbleib damit, Euer Liebden... Langenburg, d. 4. May Anno 1631... Dienstwillige Baaß, Schwester und Gevatterin [..folgt eigenhändige Unterschrift] Anna Maria Gräfin von Hohenlohe.. "


    Anna Maria von Hohenlohe, geboren als Anna Maria zu Solms-Sonnenwalde am 24.1.1585 in Sonnenwalde, gestorben am 20.6.1634 in Ottweiler, war die Witwe des Grafen Phillip-Ernst zu Hohenlohe-Neuenstein (..*1584, +1628 ). Mitten in den Wirren des 30-jährigen Krieges mußte sie die Regierungsgeschäfte übernehmen, mußte aber nach der Schlacht von Nördlingen und der darauf folgenden Belagerung von Langenburg durch kaiserliche Truppen mit ihren Kindern 1634 nach Saarbrücken und Ottweiler fliehen, wo sie wenige Tage nach ihrem Eintreffen verstarb.


    Außergewöhnlicher Trauerbrief, gefaltet im Damenformat, wohl auf Grund der Beschränkungen im Krieg ohne Trauerrand und -siegel; im Text, abweichend vom "..formellen Trauertext", mit viel persönlicher Ansprache und Zuwendung "..von Frau zu Frau". Büttenpapier mit Wz., Format Doppelfolio gefaltet, Federmessereröffnung. Rückseitig papiergedecktes hohenlohisches Siegel sowie Inhaltszusammenfassung; ein berührendes Dokument zu zwei bedeutenden Frauengestalten der Zeit..


    Liebe Grüße - Rolf

  • Hallo Rolf,
    ich glaube das nicht nur ich mir erfreue dieses Brief zum sehen, aber auch Nils, weil sein (Post 1) auch an Juliane zu Castel adressiert ist. :)
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Liebe Freunde,


    ..auch wenn bei Belegen des 30-jährigen Krieges
    nur in seltenen Fällen die postalischen Hintergründe zu dokumentieren
    sind - es gibt Ausnahmen. Eine davon ist der hier vorgestellte Beleg,
    der sich heute allerdings nicht mehr in meinem Besitz befindet (..ich
    war jung und brauchte das Geld :D :( ) - und er wird wohl auch nicht mehr auf den Sammlermarkt zurückkehren. Um so mehr Grund, ihn nochmals zu zeigen.
    Eigentlich
    sind es drei Belege; zunächst der Stundenpaß. Er wurde von den
    Postreitern am Körper mitgeführt; unterwegs mussten ja die Eintragungen
    der Zwischenstationen vorgenommen werden (..die Sendung im Felleisen
    verließ Hamburg am 10. Februar 1644 und ging über Buxtehude, Rotenburg,
    Nienburg, Bückeburg, Detmold, Lippstadt, Unna und Schwelm nach Köln, wo
    sie am 26. Februar eintraf - eine außergewöhnlich lange
    Beförderungszeit, die sich nur durch die Beschwernisse des Krieges
    erklären lässt). Befördert wurde ein verschlossenes Felleisen (..für
    die Jüngeren unter uns ;) die Definition aus wikipedia: "..Ein Felleisen war bei der Post die Bezeichnung für das Behältnis,
    in das die Briefschaften eingelegt wurden. Es wurde verschlossen, mit
    Eisen ummantelt und einem Postreiter zur Beförderung auf die nächste
    Pferdewechselstation
    übergeben. Am Bestimmungsort wurde das Felleisen geöffnet, und die
    darin befindlichen Briefe wurden an die Empfänger weitergeleitet. Damit
    ist das Postfelleisen ein Vorläufer des späteren Postsacks.."), in dem
    sich neben anderen Briefschaften auch die sogenannte "..Postkarte"
    befand, Beleg 2. Adressiert war sie an den "..wohl verordnenden Römis:
    Keyserl: Mayst: Postmeist: Herrn Johann Baptista Kooßfeld zu Cöllen".
    In ihr waren die beförderten Briefe nach Destination aufgeführt, ihre
    Ankunft und Weiterleitung musste schriftlich bestätigt werden.
    Stundenpässe gehören in der Vorphilatelie generell zu den Seltenheiten,
    eine Zusammenführung mit der dazugehörigen Postkarte hat eine extrem
    geringe Wahrscheinlichkeit. Abgerundet wurde das Ganze durch Beleg 3,
    eine Radierung mit dem Portrait des Hamburger Kaiserlichen
    Reichs-Postmeisters Abondio Somigliani.
    Was die Qualität der
    Abbildungen angeht - Ende der 80-er Jahre waren Begriffe wie
    Heimcomputer, Scanner oder Farbkopie noch weitestgehend unbekannt; auch
    in meinem eigenen Archiv gibt es nur alte schwarz-weiß Kopien aus dem
    Kopierladen, so daß hier die Abbildungen aus dem Auktionskatalog noch die bessere Alternative waren.


    Liebe Grüße - Rolf

  • Lieber Rolf,


    schwarz/weiß hin oder her - wer da nicht "stramm" steht, sollte sich sein Lehrgeld auszahlen lassen. Ganz, ganz großes Kino - vielen Dank mal so etwas sehen gedurft zu haben. :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Bei Beiträgen und Belegen wie diese, ist mir warm ums Herz. :)
    Danke fürs zeigen Rolf.
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Hallo liebe Leute des Altpapiers.


    Da ja jetzt schön öfters erwähnt wurde, dass Briefe zur Zeit des dreissigjährigen Krieges nicht so einen großen Bezug zu einer postalischen Berarbeitung aufweisen, habe ich
    mir mal erlaubt, in meine "Wühlkiste" zu wühlen.
    Nun...und siehe da, folgender Brief aus Augsburg nach Ulm des Jahres 1629 konnte ich "erwühlen".


    Ich sehe vorne eine in Rötel geschriebene 3 Kreuzer.....


    Ob es sich nur um einen Botenlohn handelt vermag ich noch nicht zu sagen. Ich habe mich bisher auch noch nicht um diesen schönen Brief kümmern können, da die Wühlkiste noch andere
    Briefchen enthält :D :D :D


    Wollte diesen auf jedemfall kurz vorstellen.


    Viele Grüße
    Kreuzerjäger

  • Lieber Kreuzerjäger,


    Augsburg - Ulm könnte mit 3x hin kommen; schönes Stück!

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    der Begriff "..trouvaille" bedeutet für jeden etwas anderes - Entdeckung einer großen Rarität ebenso wie das Auffinden eines billigen, aber langgesuchten Stempels oder Dokuments. Hier meine Geschichte:


    Für Sammler mit dem Kernthema Briefe des 30-jährigen Krieges gibt es nur wenig Literatur - ein wichtiges Werk dabei ist ein in Waldkirch 1628 erschienenes Buch, in dem König Christian IV., König von Dänemark und Norwegen, aber auch als Herzog von Schleswig und Holstein deutscher Reichsfürst, seine Niederlagen als Hauptmann des Niedersächsischen Reichskreises gegen General Tilly (..Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626) und General Wallenstein in Jütland (..1727) erklärt und rechtfertigt. Ein Original des Werkes liegt in der Bayerischen Staatsbibliothek in München und findet sich digitalisiert im Internet.


    Intention des Königs war aber, sich "..gegenüber jedermann" zu erklären, insbesondere gegenüber seinen Untertanen in den deutschsprachigen Gebieten - ein Vorhaben, das mit einem aufwendigen (..und für die meisten Menschen unerschwinglichen) Buch nicht darzustellen war. Deshalb erschien schon wenige Monate später in Kopenhagen eine Lose-Blatt-Sammlung auf billigem Papier, ungeheftet, ungeschnitten, die als "..Traktätlein" auf Märkten und Veranstaltungen durch Händler und Hausierer unters Volk gebracht wurde. Ungeschützt durch Archive, durch Lagerung in Wohnstätten den Unbilden der Umwelt ausgesetzt, durch den Krieg und nicht zuletzt durch 388 Jahre, die seitdem vergangen sind, hat sich ein solcher "..Volksdruck" kaum jemals erhalten.


    Irgendwann im letzten Jahr hatte ich für ein paar Euro einen Schuhkarton mit alten Papieren erworben - zerknittert, zerrissen, Dinge von A - Z.. Telegrammformulare aus Lettland, Steuerquittungen, Kirchen- und Zollpapiere.. dazu noch mit Wasserschäden. Kurz durchgeschaut - nix gefunden - weg damit zur Seite und nie mehr angefasst. Aus privaten Gründen ist meine Sammeltätigkeit eigentlich zu Ende - alles, was außerhalb meiner Kernsammlungen Baden und Briefe des 30-jährigen Krieges liegt, fliegt raus. Und bei diesem Auflösen kam am Wochenende auch dieser Schuhkarton dran - und ich entdeckte ein Titelblatt, das mich aufgeregt machte wie einen Schuljungen.. "..Zwei Traktätlein, Copenhagen, 1629". Zwei Stunden Suchen, glätten, kleben und hinterlegen später war es dann tatsächlich Wirklichkeit: Das vollständige, textlich mit der Waldkirchausgabe identische (..lediglich der Seitenumbruch ist anders) Original der Lose-Blatt-Ausgabe; nur ein einziges Blatt ist am oberen Rand so beschädigt, daß drei Zeilen Text verstümmelt sind (..aus der Internetkopie der Waldkirchausgabe problemlos zu ergänzen).


    Es ist schon sehr selten, bei mehrseitigen Drucken der damaligen Zeit (..sofern nicht in Buchform gebunden) auch nur Teile aufzufinden, fehlende Blätter und schwerste Beschädigungen sind gang und gäbe - dies ist das erste vollständige Exemplar, das ich je als Original in Händen halten durfte. Und durch die Sammlung authentischer Brieftexte König Christians (..an die deutschen Reichsfürsten), die alle dieses unser Thema hier betreffen, den 30-jährigen Krieg und seine Hintergründe, passt das Ergebnis meines Altpapier-Puzzles auch hierher. Euch allen wünsche ich ähnliche Glücksmomente!! Und übrigens - das Lesen der königlichen Korrespondenz lohnt - vielleicht mal in einer stillen Stunde reinschauen?! (..geht einfacher als bei meinem Exemplar hier: https://books.google.de/books?…20zu%20Dennemarck&f=false )


    Liebe Grüße - Rolf


    oops - die Bilder noch:

  • Hallo roteratte,
    Glückwunsch zum Auffinden eines solchen Juwels!
    Ich kann mir vorstellen, wie mühsam die Suche nach Briefen, Dokumenten und anderen Ephemera aus der Zeit des 30-jährigen Krieges ist - nach fast 400 Jahren dürfte da nicht mehr viel relevantes und aufschlussreiches verfügbar sein. Umso mehr freut es mich für Dich, ein so seltenes und historisch bedeutsames Werk "en passant" erwerben und dann auch noch inhaltlich einordnen und würdigen zu können.
    Chapeau!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • + 1 !


    Großes Glück, lieber Rolf, aber wir gönnen dir das von Herzen. Klasse! :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Danke an euch zwei Beiden für die Glückwünsche - es war einfach ein schöner Moment; brauchen werde ich das "..Traktätlein" nicht mehr - die darin enthaltenen Infos habe ich längst aus meinem Reprint der Waldkirch-Ausgabe verarbeitet.
    An Mikrokern entsprechend der Wunsch, er möge irgendwo unverhofft auf ein Fläschchen Château Lafite 1869 stoßen - und dem lieben Ralph evtl. ein netter Brief mit 3-Krz.-Frankatur - Dreierstreifen der Nr1 mit Brücke.. oder so.. :rolleyes::P


    Euch liebe Grüße - Rolf

  • Hallo roteratte48,


    auch von mir den allerbesten Glückwunsch zum finden einer solchen Rarität :P:P


    Und es macht ja doch einen grossen Unterschied, ein Reprint oder das Original in den Händen zu halten, viel Freude damit :thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social




    "Sammler sind glückliche Menschen"