Warum gibt es bestimmte Stempel und wo genau wurden sie eingesetzt ?

  • Liebe Sammelfreunde


    um die Diskussion um den Stempel Kohlfurt - Görlitz nicht dort fortzusetzen, möchte ich hier dieses Thema mit aufgreifen.
    Es gibt scheinbar Stempel, wo wir uns heute fragen, warum diese überhaupt eingeführt und wo diese nun genau verwendet wurden.


    Auch aus Magdeburg sind einige Stempel bekannt, wo es genügend Spekulationen gibt.


    Einer dieser ist der sogenannte kleine L2 - Stempel, welcher auch häufig als LIII in der Litheratur beschrieben wird. Die Gründe der Einführung der Stempel im allgemeinen soll mit der Umorganisierung der preussischen Post im Zusammenhang stehen. Postwärtereien nutzen diese und waren deshalb "kleiner" um so auf den Bedeutungsunterschied zu Postexpeditionen "hinzuweisen".


    Doch zurück zur Verwendung in Magdeburg. Laut Litheratur soll er in zwei Typen in der Zeit zwischen 1839 bis 1851 vorkommen.
    (Type I: Länge 33,5 mm, Buchstabenhöhe 4 mm ---- Type II: Länge 35 mm, Buchstabenhöhe 3,75 mm)


    Verwendet wurde er als Durchgangsstempel siegelseitig, auf Fahrpostbelegen und Insinuationsdokumenten, mir auch auf Retourbeleg bekannt.


    Zu dieser Zeit war der K2- Stempel, ab 1838 eingeführt und auch der sogenannte Fingerhutstempel, kleiner K1 bis 1842, in Verwendung. Scheinbar gibt es also keinen Grund, warum dieser Stempel eingesetzt wurde......


    Ich versuche jetzt mal einen möglichen Grund zu finden, warum es ihn gibt.


    Einleitend dazu folgendes: In den Acten (von 1848 - 1852) wird immer von "Annahme-Fenster" geschrieben, wovon es zwei gab. Ein Fenster war das der Briefannahme und das zweite das der Packkammer. Wichtig dazu ist noch, dass festgelegt wurde, was bei welchem Fenster für Sendungen "bearbeitet" wurden. Leider besitze ich diese "Bestimmungen" nicht für den ganzen Zeitraum, so dass es jetzt spekulativ bleiben muß.


    Ich bin sicher, dass dieser Stempel möglicherweise nur von der Packkammer geführt wurde. Warum?
    Bei Fahrpostsendungen ist es einleuchtend.
    Nicht zustellbare Briefe wurden ebenfalls in der Packkammer bearbeitet.
    So ist es durchaus möglich, dass bei Insinuationsdokumenten, welche durch ihre besondere Behandlung als Retourbelege anzusehen sind, diese wie solche von den Briefträgern der Packkammer "übergeben worden" sind.


    Für Transitbelegen kann ich zur Zeit keinen Grund finden, halte es jedoch für nicht ausgeschlossen, dass hier ebenfalls ausschließlich Beamte / Unterbeamte oder Assistenten der Packkammer die Weiterbearbeitung übernahmen. Die Frage ist ja, warum sollte hier zwischen Brief- und Fahrpost getrennt werden und dafür "Angestellte" beider Expeditionen beschäftigt werden.

    Abschließend kann ich zwar keinen direkten Beweis erbringen, da mir Unterlagen über den gesamten Zeitraum fehlen, jedoch bin ich der Überzeugung, dass es so gewesen sein könnte. Dies paßt auch zu meiner Übereugung, dass beide Expeditionen verschiedenen Stempel-Sätze verwendeten.


    Dazu einige Beispiel mit dem besagten Stempel:
    Postvorschuß-Brief vom 01.03.1841 nach Bielefeld (meine bisher frühste Verwendung)
    Insinuation-Dokument vom 24.01.1845 nach Salze
    Transitbrief vom Dresden nach Cöln vom 08.06.1845
    Retourbrief(hülle) von Berlin der vor 1844 ist


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Magdeburger,


    um diese Frage zu beantworten, muss man das Wissen besitzen, welches du dir angeeignet hast, nämlich die Kenntnis der tatsächlichen räumlichen Situation im Postamt. Nach den von dir gezeigten Belegen könnte es so gewesen sein. Allerdings wird noch mehr Material zusammen kommen müssen, um sie noch besser zu unterfüttern. Das dir das gelingen wird, ist für mich höchstwahrscheinlich. Die Trennung Briefpost - Fahrpost ist zwar klar, aber Vermengungen konnte es immer mal geben.


    Wenn ich etwas sehen sollte, gebe ich Laut.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Bayern Klassisch


    in erster Linie geht es mir hier darum, daß "eben" nicht alles in irgendwelchen Verordnungen zu finden ist.


    Das Beispiel habe ich genau aus diesem Grunde genommen, weil sich an Hand der Archivdaten zumindestens alles plausibel erklären läßt, selbst wenn diese nicht für den gesamten Zeitraum vorhanden waren.


    Ich habe noch einige Belege mit diesen Stempeln, alle gehören zu den schon angesprochenen.


    Selbst wenn er auf einen "normalen" Brief vorkommen sollte, gäbe es eine plausible Begründung:
    Ausgehend von den Unterlagen war das Postamt in der Nacht geschlossen. Ein Beamter, häufig aus der Packkammer, war immer bestimmt, die Nachtwache auszuführen. Während dieser Zeit "schlief" er natürlich nicht, sondern bereitete alles für den darauffolgenden Dienstbeginn vor. Sicher ist, dass es einen Briefkasten am Postamt zu dieser Zeit gegeben hat, denn laut Beschreibung sollte er die angenommenen und angekommenden Sendungen soweit vorbereiten, dass diese schnellst möglich von den entsprechnenden Expeditionen abgearbeitet werden konnten.


    Erst ab 1850 ist ein sogenannter "Nachtstempel" im Einsatz, der im Gegensatz zu den normal verwendeteten K2 - Stempel ein Ra2 ist. Aus diesem Grunde, würde ich einen normalen "Brief" mit dem kleinen L2 als Nachtbrief ansehen.


    So bin ich mir relativ sicher, dass es auch für den von Altsax angesprochenen Stempel "Kohlfurt-Görlitz" Hinweise geben könnte, welche nur "vor Ort" zu finden sind.


    Vielleicht findet der eine oder andere hier noch solche Beispiele......


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Liebe Freunde,


    ich habe lange suchen müssen nach einem Thread, in den dieses Stück hinein passen sollte - nun bin ich hier gelandet, aber einer Verschiebung nach wohin auch immer steht durch mich nicht im Wege.


    Der Brief datiert vom 20.10.1810 und stammt aus Augsburg. Absender war kein geringerer als das Königliche General - Commissariat des Lechkreises dort. Der Briefkopf liest sich daher auch mit "Im Namen Seiner Majestät des Königs" und wurde auf 3x Stempelpapier gedruckt.


    Der Aufgabestempel ist schlecht und dazu noch kopfstehend abgeschlagen - das konnte nicht der Grund des Erwerbs gewesen sein. Es war vielmehr der Stempel Caa priv ("Causa privata" = Privatsache).


    Bisher kannte ich nur den Stempel Causa Domini bzw. manuelle Vermerke bei Dienstbriefen, die Mittel- und Oberbehörden abließen und damit auf ihre ihnen zustehende Portofreiheit hinwiesen.


    Da der Brief an den Verwaltungs - Rath der Königlich Baierischen Stadt Memmingen gerichtet war, auch eine Behörde, fragt man sich, warum ein Stempel "Privatsache" aufgedruckt wurde, weswegen er auch mit 4x von der Post taxiert wurde! Erst durch den Inhalt wird einem klar, warum man genau dieses Verfahren wählte - die Empfängerbehörde war gegenüber dem Absender säumig geworden. Seit dem 25.9.1810 wartete man in Augsburg offenbar vergeblich auf einen gutachterlichen Antrag von Memmingen wegen einer Hinterlassenschaft dort.


    Der Stempel zeigte demnach an, dass er von einem behördlichen Absender in privaten Dingen abgeschlagen wurde, wodurch die Sendung portobelastet wurde und von dem Empfänger zu zahlen war - eine milde Verwarnung der kostenpflichtigen Art, denn die 3x Stempelgebühr mussten ja auch am Ende abgerechnet werden.


    Ich würde mich sehr freuen, weitere Briefe dieser Art hier zu sehen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph



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