bayern klassisch, kilke, maunzerle, hasselbert, Ungarn-1867
Danke für die freundlichen Begrüßungsworte im Forum.
Dann folge ich mal der Aufforderung von bayern klassisch und stelle meinen ersten Brief vor.
In einem Lot von Briefen befand sich auch der vorgestellte Brief, der am 5. Mai 1860 von Sulzbach nach Nürnberg befördert und von dort dem Empfänger nach München nachgesandt wurde. Vermerke finden sich nicht auf dem Brief und frankiert ist er mit einer grauschwarzen 3 Kreuzer-Marke. Einer neuen Farbvariante der Platte 5?
Nein!
Ein Bleisulfid-Schaden (BSS), der in dieser vollständigen Durchfärbung fast schon wieder schön ist!
Der erste Impuls ist: Schade um die schöne 3 Kreuzer blau und ab damit in den Abfall.
Das dachte wohl auch der Verkäufer, denn im Preis des Lots hat sich dieser Brief nicht niedergeschlagen. Vielmehr hat er vermutlich weitere Kaufinteressenten vom Bieten abgehalten.
So viele Briefe hatte ich aber noch nicht, dass ich ihn wegschmeißen wollte. Also habe ich ihn beiseite gelegt und bin erst vor Kurzem wieder darauf gestoßen.
Inzwischen habe ich einiges dazugelernt und erfahren, dass besonders die 3 Kreuzer blau, Platte 5 von BSS betroffen ist. Ein paar Merkmale wie der unklare Druck oder der, gerade bei der Platte 5 am Häufigsten auftretende, Typ 2, würden bei der hier vorgestellten Marke schon passen, aber der Gesamteindruck spricht dagegen. Wäre sie von der Platte 5, wäre das ja auch eine Sensation, denn damit würde die Erstverwendung um ca. 4 Monate vorgezogen!
Aber auf einen Spätdruck der Platte 4 passen alle Merkmale und das Briefdatum würde auch stimmen.
Also befindet sich auch auf den Marken der Platte 4, wie bei der Platte 5, mehr Blei als auf den Marken der übrigen Platten?
Warum?
Die Suche in mehreren Foren hat zwar hunderte von Seiten mit Diskussionen über BSS erbracht, aber niemand erklärt, wie das Blei in unsere 3 Kreuzer blau kommt!
Stellt man sich die Frage, was die Platten 4 und 5 gemeinsam haben, wird man im 3-Kreuzer-blau-Handbuch von W. Frieauff und K. Kleinhenz fündig. Dort wird aufgeführt, dass den Farben der Spätdrucke der Platte 4, wie denen der Platte 5, mehr Deckweiß beigemischt wurde als bei den übrigen Platten!
Aber was ist Deckweiß?
Deckweiß ist offenbar ein Oberbegriff und tritt in vielen Varianten auf, als Titanoxid, Zinkoxid, Bariumsulfat oder Lithopone. Sucht man weiter, findet man auch den Hinweis auf historische Anwendungen. Bis ins späte 19. Jahrhundert wurde nämlich in der Kosmetik, in der Ölmalerei und anderen Bereichen besonders Bleiweiß zur Aufhellung verwendet - obwohl schon damals bekannt war, dass es giftig ist und sich im Lauf der Zeit schwarz verfärbt.
Da es leicht zu erhalten war und schnell trocknet, bewog es wohl auch die Druckereien, es zur Farbenmischung zu verwenden. So auch die Universitätsbuchdruckerei Weiß, die die Bayerischen 3 Kreuzer blau druckte?
Über das Bleihydroxidkarbonat, so der wissenschaftliche Name von Bleiweiß, unserem Deckweiß, kam also das Blei in unsere 3 Kreuzer blau!
Und jetzt braucht es nur noch Schwefelverbindungen (die in der uns umgebenden Luft immer mehr oder weniger vorhanden sind), um die Altdeutschlandsammler zu verärgern. Mit Schwefel reagiert Bleiweiß nämlich zu tiefschwarzem Bleisulfid und zerstört unsere Briefmarken. Ein besonders “schönes“ Beispiel ist die Marke auf dem vorgestellten Brief.
Mein Brief muss sich aber jahrelang in der Hölle (besonders schwefelhaltig!) oder unter Hart-PVC (was wohl das gleiche ist) befunden haben, damit er so vollständig durchgefärbt wird, denn sonst müssten ja alle blauen Dreier inzwischen schwarz sein.
Mit Oxidation, wie man bei Peter Sem nachlesen kann, hat das nichts zu tun.
Jetzt wäre natürlich interessant, ob ihr auch so inkonsequent seid wie ich und eure BSS nicht entsorgt habt. Mit meinem einzigen BSS einer 3 Kreuzer blau lässt sich nämlich keine Statistik aufbauen. Wenn ihr jetzt eure Riesenbestände an 3 Kreuzer blau durchforstet und dabei eine Häufung an BSS bei den Spätdrucken der Platte 4 und den Drucken der Platte 5 findet, würde dies meine Erklärung mit dem Bleiweiß untermauern.
Wenn nicht, bleibt es Theorie, aber für mich trotzdem recht plausibel.
Eigentlich bin ich froh, diesen Brief zu besitzen, denn bei all den so schön gefärbten blauen Dreiern habe ich einfach die Information akzeptiert, dass bei den Platten 4 und 5 Deckweiß beigemischt wurde, ohne die Bedeutung oder die Konsequenzen zu hinterfragen.
Erst eine “Papierkorbmarke“ hat mich zum Denken angeregt!
Beste Grüße
Will