• Liebe Freunde,


    wenn ein Brief "ein Gesicht hat", ist die Qualität der verwendete(n) Marke(n) hinsichtlich der Qualität sekundär. Genau so verhält es sich hier bei einem 1,5 Pizza - Dollar - Brief, den ich aus den USA heim nach Südhessen holen konnte.


    Eine Rechnung wurde am 20.10.1869 in Memmingen geschrieben, aber erst am 22.10.1969 dort an "Herrn Levi Sondheim in Obergleen bei Kirtorf" mit einer randmäßig kastrierten Nr. 15 der Post aufgegeben, warum auch immer so spät. Diesen Mangel des Absenders glich aber seine mindere Adressierungsqualtiät locker wieder aus, denn so einfach war das Briefchen bis 1 Loth nicht zuzustellen, denn 5 siegelseitige Stempel waren auch zu dieser Zeit noch nicht die Regel.


    Ehe wir uns mit Laufweg und Zuschreibung der Orte befassen, hier die Route von Oberkleen (so schreibt man das heute) und Kirtorf, in dessen Nähe ja "Obergleen" liegen sollte:


    https://www.google.de/maps/dir…8.5873498!2d50.459957!3e2


    Bei einer Entfernung von 59 km würde ich bei zwei Dörfern andere Präzisierungen erwartet haben, aber wenn man ihn richtig adressiert hätte, sähe er ja auch langweilig aus.


    Jedenfalls strich man zuerst "Kirtorf" und notierte stattdessen "Niederkleen", wonach man dieses strich und durch "Kirtorf" ersetzte.


    Schauen wir uns die Karte von Memmingen nach Oberkleen an, stellen wir fest, dass München nicht gerade auf der Strecke lag, doch genau dort lief er noch am selben Tag durch:


    https://www.google.de/maps/dir…8.5873498!2d50.459957!3e2


    Am 23.10. kam er in Mainz an und war am 25.10. (!!) in Niederkleen. Dort erhielt er den Ausgabestempel, jedoch konnte nicht zugestellt werden, so dass er am 26.10. in Kirtorf aufschlug, wo er einen zweiten, schlecht abgeschlagenen Ausgabestempel erhielt.


    Hinten lese ich: "In Oberkleen beiNiederkleen unbekannt. Langgöns, Bote" und Langgöns liegt ja auch in der Nähe zu den drei involvierten Orten Niederklee, Oberkleen und Kirtorf.


    Levi Sondheim hatte im Allgäu Käse bestellt und eine Kiste Käse mit 110 Pfund Käse und 20 Pfund Verpackung zugesandt bekommen. Zuvor hatte er per Postanweisung den Käse und die Verpackung bzw. den Versand mit 26 Gulden und 27 Kreuzern bezahlt. Da dürfte der Käse weitaus früher angkommen sein, als der Brief, oder hatte der auch eine kleine Odyssee hinter sich, allerdings mit der Bahn? Wenn ja, dann wird Levi Sondheim den Käse schon von Weitem gerochen haben ...

  • Lieber Bayern klassisch,
    bei ggogle finde ich unter Ober-Gleen, dass dies ein Stadtteil von Kirtorf im Norden des mittelhessichen Vogelsbergkreises ist. Das würde manches noch etwas anders erklären.
    Gruß vom Stempelfreund und ein schönes Wochenende

  • Lieber Ralph,


    das sind genau die Belege, die ich so liebe und die Geschichten erzählen. Auch mir ist letzte Woche ein interessantes Stück aus Frankreich zugegangen, das meine beiden anderen "Überklebungen" hervorragend ergänzt: mit Paar DR 41 vorfrankierter Brief nach Paris, in München aufgegeben und somit notwendige Nachfrankatur durch Überkleben mit zweimal BY Nr. 39b. Während die beiden anderen erwähnten Überklebungen jeweils vorfrankierte Postkarten betreffen, ist dies der erste mir bekannt gewordene Brief mit dieser Besonderheit.


    Schönes Wochenende mit hoffentlich ein wenig Abkühlung

  • Hallo Stempelfreund,


    jetzt sehe ich es auch - Ober-Gleen und Oberkleen, Jessas, das sind aber auch Namen dort. Danke fürs Nachschauen, macht ihn nicht schlechter, den Brief. :)


    Lieber Franz,


    ja, wer solche Briefe hat, braucht keine anderen mehr. Das ist ja ein Traum. Schöner geht es nicht und ja, wenn man so etwas mal findet, dann als Postkarte, aber so gut wie nie als Brief. Wundervoller Beleg, "made my day". :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    heute zeige ich ein Kuvert aus Augsburg vom dortigen Bahnhof vom 16.11.1871, bei dem ich gerne wüsste, warum ich es gekauft habe - und nein, es hat nichts mit den schönen Stempeln vorne und hinten zu tun, die Marke ist auch im besten Sinne des Wortes unauffällig und eine Emma Asch aus Krefeld wird auch nicht in die Annalen des Internets eingehen. Es ist also etwas Nachdenken gefragt ...

  • Lieber Ralph,


    ein Schelm, wer das Böses denkt. Die Emma Asch in Crefeld - vielleicht noch ein Fräulein ? - bekommt Post aus Augsburg. Und hinten steht OFFEN für jeden lesbar: Haben Sie meine verschiedenen Briefe auch erhalten ? Könnte das sein, dass damit jemand indirekt angeklagt werden soll, dass - gerade eben - das evtl. nicht passiert ist ?


    LG

    Tim ;)

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    vermute mal, der aussen auf der Rückseite formulierte Gruß von Jacob war der Auslöser. Private Mitteillungen durften nicht auf dem Briefcouvert notiert werden.

    Seltenes Stück - meinen Glückwunsch dazu.


    Gruß

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Liebe Freunde,


    ihr seid natürlich ganz schlaue Füchse und habt sofort heraus gefunden, was die Besonderheit war: Briefliche Inhalte, also alles Private, durfte nicht auf den Außenseiten vermerkt werden, sondern hatte im Inneren der Briefe und Kuverts vermerkt zu werden. Insofern war der Satz: "Haben Sie meine verschiedenen Briefe auch erhalten? Gruß, Jacob" natürlich nicht außen/hinten zu notieren, weil dieser Satz nebst weiteren Erkenntnissen dazu nicht dahin gehörte.


    Auf der anderen Seite, und jetzt spekuliere ich, da kein Inhalt mehr vorhanden ist, könnte ich mir vorstellen, dass unser Augsburger Absender mehrere Briefe an jeden Dame verfasst hatte, ohne jedwede Antwort erhalten zu haben und war sich nicht sicher, a) ob nur die Briefe bei der Post verschlampt worden waren, oder b) die Dame etwas angesäuert war, ob der scheinbar regelmäßigen Kontaktaufnahme unseres schwäbischen Jacobs. Das muss also offen bleiben.


    Interessant ist aber, dass das Kuvert durch Umfaltungen des Absenders selbst größer gemacht wurde (Beweis sind die beiden komplett abgeschlagenen Augsburger Halbkreiser, die bei regulärer Faltung oben jeweils 1/2 cm schlanker wären. Dennoch lag er im 1. Gewicht, so schwer wurde er also trotz der "Vergrößerung" nicht.


    Für weitere Spekulationen und Anregungen bin ich sehr offen - viele Briefe dieser Art kenne ich nicht und zum Preis einer großen, gut belegten Pizza sollte kein ernsthafter Postgeschichtler so etwas liegen lassen, zumal auch der Ankunftsstempel seinen Reiz hat, jedenfalls für einen Bayernsammler wie mich.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ralph,


    das b) kann man getrost ausschließen, da die Dame mit Sicherheit noch 25 x mehr angesäuert gewesen wäre, wenn man das mit dem Hintergrund so öffentlich in den Raum gestellt hätte. Da hätte der gute Jacob sein Ziel von Anfang an verfehlt.


    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... ja, der Ausdruck "sein Ziel verfehlt" ist nicht von der Hand zu weisen. Wir wissen ja auch nicht, wie Jacob aussah, von daher ...

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    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • ... Selbstportrait von mir geht nicht in einem öffentlichen Forum - das wäre ein Straftatbestand. 8|:D

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    ein Brief von Martin Reichel aus Würzburg vom 11.6.1868 war an Firma Apian - Bennewitz in Leipzig adressiert, wofür die verklebten 3 Kreuzer ausreichten (bis 1 Loth). Aber er trug auch den Vermerk "Anhängend Muster". 1868 gab es die altbekannte Portomoderation des DÖPV schon lange nicht mehr, als je 2 Loth einfach kosteten, daher war der Vermerk für die Berechnung des Frankos nicht von Belang. Sehrwohl von Belang wäre aber gewesen, wenn der Brief ohne Muster in Leipzig eingetrudelt wäre, von daher machte er natürlich Sinn.

    Nett ist in diesem Zusammenhang die Entwertung der Marke mit dem dafür nicht vorgesehenen Bahnposthalbkreisstempel der Linie 15 ohne Ortsangabe(n) im Sehnenkasten. Hierbei oblag nun der postalischen Besatzung eines Bahnpostwagens die Überprüfung, ob der Brief mit seinem Muster auch wirklich nur 1 Loth wog und ob das Muster tatsächlich auch eines ohne jeden kommerziellen Handelswert war. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Sommer 1866 in einem Abteil sitzend, in dem Helligkeit eher ein Fremdwort war, Wiegekünste nur im Stillstand Erfolg versprachen und Warenwertprüfungen nicht zu den Lieblingsübungen der Bahnpostler gehörten, die Annahme eines solchen Briefes nicht lustig, aber Pflicht war. Jedenfalls sind mir nicht viele Muster-ohne-Wert-Briefe mit Bahnpoststempeln bekannt, noch dazu, weil bei diesem die Entwertung mit dem offenen B.P. - Stempel hätte vorgenommen werden müssen - aber das wäre wohl zu viel des Guten gewesen ...

  • Liebe Freunde,


    leider nur eine Vorderseite, aber doch ganz interessant: Einfacher Brief vom 26.51869 (wie ich vermute) von Emskirchen mit folgender Anschrift:


    "Herrn Wolfgang Conrad Braun Schneidergesellen bei Herrn Schneider-meister Schopach in Bensheim Im Großherzogthum Baden".


    Nun ja, geographische Kenntnisse waren schon damals nicht jedermanns Sache und dass Bensheim nie badisch, aber hessisch war, störte die Post ja damals eher wenig, weil sie das gut zuordnen konnte. Nicht jedoch so hier - man strich "Bensheim" durch und notierte "retour 27/5". Eigentlich hätte die Post des NDB den Brief kostenlos weiterleiten sollen, aber das tat sich nicht ...

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    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    ein simpler Brief aus München I vom 28.5.1871 war gerichtet an "Hochgeborn der Frau Gräfin von Wiser, geboren Laßer zu Laßer in Kostheim bei Mainz". Mit 3x korrekt frankiert ging er auf die Reise und kam am ?? März 1871 via Bahnpost Castel - Mainz an.


    Allerdings, und das war mein Kaufgrund, zeigt der Brief siegelseitig eine "1" in Rötel, wovon der Verkäufer glaubt, dass es sich um 1 Kreuzer Landbestellgeld handeln müsste.

    Frage: Bis wann gab es in Mainz - Kostheim ein Bestellgeld von einem Kreuzer und hat jemand Unterlagen, wonach dieses wann auch immer abgeschafft wurde?


    Bayerische Briefe in das Postgebiet des NDB mit Bestellgeld (üblicherweise eher vorne zu vermuten) kenne ich so gut wie gar nicht ...

  • Liebe Freunde,


    seltene Briefe müssen als solche nicht immer offensichtlich sein - so wie dieser hier aus Schwabach vom 11.10.1868 nach Gera an die Gebrüder Bufe.

    Der Absender hätte mit 3x frankieren können, tat das aber nicht und überließ so die Zahlung des Portos dem Empfänger, der hierfür 2 Groschen zu berappen hatte (7 Kreuzer). Ein Aufschlag von über 130% war den meisten Postkunden damals zuviel, daher sind wohl 99,9% der heute noch erhaltenen Briefe in den NDB Frankobriefe und keine Portobriefe wie hier.

    Aber warum machte man das? Bei langjährigen Geschäftsbeziehungen sicher nicht, im privaten Bereich auch nicht. Aber hier ist der Inhalt:

    Herren Gebr. Bufe in Gera Untermhaus

    Auf Ihr Geehrtes vom 9. d(ieses Monats) erwiedern Ihnen daß wir Auskunft über hiesige Verhältniße nur Freunden mit denen wir in intimen Geschäftsverbindungen stehen ertheilen, in dem wir in dieser Beziehung schon gar zu unangenehme Erfahrungen gemacht haben.

    Achtungsvollst zeichnen

    Joh. Ludw. Carl & Comp(agnie).


    Die Gebrüder Bufe in Gera wollten also eine Handelsauskunft der Firma Carl in Schwabach über eine Person, bzw. eine Firma erlangen und baten diese, jene zu besorgen. Das lehnte die Firma Carl ab und wollte mit dieser Ablehung auch keinen weiteren Kontakt zum Anfrager aus Gera, weshalb sie die Geraer bluten ließ und durch den Versand dieses Portobriefes ohne fachliche Auskunft sich erhoffte, weiteren Schriftverkehr zu ersparen.

  • Lieber Ralph,


    ein wirklich interessanter Brief. Schon die Anfrage an eine Firma, mit der man keine Geschäftsverbindung hatte, war sehr optimistisch. Entsprechend eindeutig die Abfuhr. Für diesen Kauf daher :thumbup:


    liebe Grüße

    Dieter

  • Lieber Dieter,


    danke für deinen Kommentar - das war aber damals üblich, dass man Erkundigungen durch die Hintertür, wenn ich es mal so schildern darf, einzog und viele Firmen zogen da auch mit. Aber unser Schwabacher hatte da wohl mal ganz miese Erfahrungen gemacht und wollte sich als Informationsquelle verschließen, was ich gut verstehen kann.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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