Mühlradstempelverwendungen ab 9.3.1869

  • Liebe Freunde,


    wie wir alle wissen, zog die bayerische Postverwaltung die Nummernstempel, die amtlich "Entwerthungs - Stempel" hießen (von uns heute Mühlradstempel genannt - ein Terminus, den man damals gar nicht kannte) zurück. Die Verordnung Nr. 1704 datierte vom 9.3.1869. Die nun nicht mehr benötigten Nummernstempel waren, wie auch die Controllverzeichnisse, alsbald (also sofort) an das vorgesetzte Oberamt zurück zu senden.


    Nun gibt Peter Sem, auch der Michel und andere Abschreiber, genau diesen 9.3.1869 als Letzttagsstempel an, womit sich erklärt, dass Entwertungen nach dem 9.3.1869 zu Seltenheiten stilisiert werden.


    Dabei vergisst man jedoch, dass diese o. g. Verordnung ja nicht separat veröffentlich wurde, sondern, wie die allermeisten Verordnungen in Bayern, gesammelt und dann in einem Verordnungsblatt summarisch publiziert.


    Dies geschah auch hier, indem man mit dem 21. Verordnungs- und Anzeigeblatt vom 13.3.1869 "Entwerthung der Frankomarken" jeden Postexpeditor von dieser Neuerung unterrichtete.


    Es ist davon auszugehen, dass am 13.3.1869, spätestens am 14.3.1869 diese Vorschrift überall in Bayerns Amtsstuben der Post vorlag und man sich danach richtete bzw. hätte richten sollen. In keinem Fall sind Entwertungen bis zum 13.3.1869 postgeschichtlich eine Besonderheit, allenfalls ab dem 14.3.1869 könnte man davon reden, wobei dann die uns bekannten Stücke schon sehr selten sind.


    Als Beispiel für diesen Modus operandi zeige ich eine Drucksache aus München vom 12.3.1869 nach Plössberg, die am Folgetag dort ankam. Dieses Stück beweist auch, dass München nicht schon vor allen anderen von dieser Verordnung etwas wusste, weil sie sonst süätestens am 10.3. die dort im Einsatz befindlichen Mühlradstempel abgegeben hätten. Da sie aber noch am 12.3. (und wohl auch noch einen Tag später) die Marken auf der Briefpost bedruckten, gehe ich nicht davon aus.


    Schön wäre es, wenn wir hier die Daten 9.3.1869 bis vlt. 14.3.1869 aus München, oder von anderswo, anhand netter Belege zusammen tragen könnten, um uns ein Bild von der tatsächlichen Rückgabe machen zu können.

  • Lieber Ralph,


    eine sehr schöne Drucksache mit interessantem Stempeldatum.


    Lt. Sem-Katalog sind von München Belege mit Mühlradentwertung noch vom 6.4.69, 14.5.69 und 19.5.69 bekannt.


    In München waren mehrere Mühlradstempel im Einsatz. Mindestens einer davon wurde am Stichtag nicht abgegeben.


    Anders ist die Entwertung mit Mühlradstempel noch Mitte Mai 1869 nicht zu erklären.


    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Lieber Kilian,


    die Briefe Münchens, die ich in Händen hatte und die nachweislich als nach dem 13.3.1869 verwendet attestiert worden waren, waren meiner Meinung nach nicht sicher datumsmäßig prüfbar.


    Sicher hatte man in München links und rechts der Isar mehrere Mühlradstempel - jedoch war jeder Stempel inventarisiert. Man brauchte also nur die Inventarlisten abzugleichen, um zu erkennen, ob noch abzugebende Stempel vorhanden waren, oder nicht.


    Für die Aus- und Rückgabe von Inventarstücken war hinsichlich des diese benutzenden Beamten Unterschrift zu leisten. Wer also einen Stempel führen durfte, musste auch zuvor für ihn unterschrieben haben. Wurde der Stempel zurück gefordert, erfolgte dies gegen Unterschrift protokolliert. Konnte ein Inventargegenstand nicht zurück gegeben werden, wurde das disziplinar geahndet (Veruntreuung von Staatseigentum, ist heute noch so) und der Wert (juristisch: Neuwert) hatte finanziell ausgeglichen zu werden.


    Leider habe ich vergessen, wie hoch der Wert eines Nummernstempels war - ich schwanke zwischen 1,5 und 3 Gulden, in jedem Fall Geld genug, das man sich sparen wollte und konnte.


    Wenn man sich dies verinnerlicht, dürfte es kaum wahrscheinlich sein, dass in München oder anderswo noch Monate später Mühlräder verwendet worden sein sollen. Ausschließen kann man bei Bayern ja bekanntlich nichts, aber ich würde eher misstrauisch bleiben, wenn es dergleichen Stücke im Angebot gibt.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • ... sehr schön, wenn man allein schon anhand der Stempeltype so gut datieren kann. Leider ist das die Ausnahme von der Regel, also bitte alle weitermachen mit ihren 9.3.1869 oder späteren Abschlägen. ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo liebe Freunde, hallo Ralph,


    da kann ich ja meinen vom 09.03.1869 von Bamberg auch nochmal zeigen. ;)


    Schöne Grüße
    Bayern-Nerv Volker

    Bilder

    Nimm dir im Leben ruhig die Zeit zum Sammeln und genieße einen guten Wein, denn die gesammelte Zeit nimmt dir irgendwann das Leben und dann wird man um dich weinen. (V.R.)


    Bayernfarbenvielfaltverrückt - warum nicht?

  • ... einer der schönsten Briefe vom Tag der Verordnung, ohne Zweifel ... :P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Ralph,


    die drei Briefe mit Spätdaten sind in älteren Sem-Auktions-Katalogen abgebildet: 5.Sem-Auktion, Los 950 mit Daum 6.4.69; Sem 1987, Los 599 mit Datum 14.5.69 und Sem 1988, Los 260 mit Datum 19.5.69.
    Es fällt auf, dass alle drei Briefe am Charge-Schalter mit off.MR "325"- kleine Ziffern und breite Schaufeln- entwertet wurden, und auch der rote "Münchner-Charge-Fünfzeiler" beigesetzt ist. Zum Brief vom 19.5.69 ( Brief nach Landshut aus der Götz-Korrespondenz) schreibt Herr Sem:
    "Nach dem ähnlichen Beleg meiner letzten Auktion ist der Brief bereits das 2."Beweisstück" dafür, dass der seinerseitige Beamte am Charge-Schalter wohl die Abschaffung der Mühlradstempel verschlafen hat! Warum das ausgerechnet bei einem solch grossen Postamt geschah, ist bisher ein völliges Rätsel! "


    Bei allem berechtigten Zweifel an der Verwendung des off.MR noch im April/Mai ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass gleich drei Briefdaten versehentlich falsch notiert wurden.


    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Lieber Kilian,


    ich kann jetzt wegen Katze auf Bauch nicht nachschauen, aber einen attestierten Brief von München (April oder Mai 69) hatte ich mal in Händen und der war nicht datiert. Woran man das Jahr festgemacht hatte, weiß ich nicht, aber ich war gleich skeptisch, als ich ihn in Händen hatte.


    Dass es 3 Briefe von dort Monate nach dem Ende der Mühlräder geben soll, wäre sonderbar, da München doch jeden Tag Hunderte von Chargébriefen bekam und selbst hatte - das hieße ja, man hätte 3 oder 4 Stempel abgegeben, um einen zu behalten? Das macht doch keinen Sinn für mich.


    Darüber hinaus kenne ich Dutzende von Briefen mit unrichtigen Absenderdaten - da mag man auch mal aus einer 1868 eine 1869 gemacht haben und schon passte es wieder. Du siehst, ich bleibe eher skeptisch, auch wenn ich nichts ausschließen kann und mag.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo,
    bin erst jetzt auf diesen Thread gestoßen.
    Ergänzend zum Beitrag #6 von bayern-nerv noch eine datierbare "Spätverwendung" von Bamberg vom 12.03.1869 (hatte ich an anderer Stelle auch schon mal gezeigt).


    Gruß Klaus

  • Liebe Freunde,


    einfach mal beboten und gekauft, ohne etwas gesehen zu haben vom Jahr - dann den Brief geöffnet und festgestellt, dass ich Glück hatte:


    Hof, 13.3.1869 nach Burtscheid bei Aachen, dort 2 Tage später angekommen.


    Schön zu sehen, dass der späte offene 211 von Hof, eine nette Sondertype, schon etwas verschlissen war und es wohl nicht ins neue Jahr geschafft hätte. So kann man sich auch über kleine Dinge sehr freuen.