Frankreich - Russland über Österreich

  • Hallo,


    ich zeige hier einen Portobrief aus Marseille nach Odessa vom 24.12.1866. Nach meinen Beobachtungen gibt es wesentlich mehr Briefe aus Odessa nach Frankreich als umgekehrt.
    Interessant an diesem Brief ist zudem der Stempel "37" in der rechten oberen Ecke. Handelt es sich hier um einen Taxstempel oder um einen sonstigen Stempel?
    Bei den angeschriebenen 28 dürfte es sich das Porto von 28 Nkr. bis zur russischen Grenze handeln (13 Nkr. f. Frankreich und 15 Nkr. f. Österreich). Dies entsprach in etwa 18 Kopeken.


    Grüße von liball

    • Offizieller Beitrag

    Hallo liball,


    deine Beobachtung ist sicherlich richtig. Gefühlt ist das Verhältnis der Briefe Frankreich nach Odessa zur gegenläufigen Richtung 1:50.
    Deiner Taxierung ist nichts hinzuzufügen. Vermutlich ist der Brief mit einem direkten Kartenschluß Wien-Odessa gelaufen.
    Den Stempel kenne ich nicht.


    Schönes Stück!


    Gruß
    Michael

  • Hallo Michael,


    vielen Dank für deine Bemerkung.
    Ich hätte noch eine Frage. Wenn der Brief anstatt über Österreich über Preußen spediert worden wäre, dann hätte das Porto in Russland nach meinen Unterlagen 37 Kopeken betragen. Stimmt dies?


    Grüße von liball

    • Offizieller Beitrag

    Hallo liball,


    37 Kop. wäre der "alte" Tarif aus den 1850er-Jahren: 5 Sgr. "Fremdporto" (an Frankreich) + 3 Sgr. preußischer Transit + 3 Sgr.russisches Porto.
    Das könnte theoretisch auch noch bei deinem Brief gegolten haben.
    Ende 1865 trat ein Additionalvertrag zwischen Preußen und Frankreich in Kraft, bei dem meiner Erinnerung nach auch die Taxen für russische Briefe betroffen waren. Bin z.Zt. unterwegs, sonst könnte ich nachschauen.


    Gruß
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ist ein Brief aus Paris von 1861, adressiert nach Kiew (heutige Ukraine). Der Absender notierte als Leitweg par Berlin Brody Radziwilow. Über Berlin lief dieser Brief nicht, dafür hat er das schöne Wien gesehen. Brody (ohne Stempel) und Radziwilow (rs. Stempel) durchlief er auch und kam dann auch in Kiew an. Leider ist das Tagesdatum des Kiewer Stempels beim Öffnen des Briefes verloren gegangen, so dass die Laufzeit nicht mehr feststellbar ist.



    Der Brief wurde mit 1F20 frankiert aufgegeben. Gemäß dem österreichisch-französischen PV von 1858 erhielt Österreich je 15 Gramm oder Bruchteil davon 70 Centimes. Ein Franko-Brief über Österreich nach Süd-Russland (wozu Kiew gehörte) kostete je 10 Gramm 1Franc.

    Wie bringe ich das mit den verklebten 1F20 zusammen?

    Auch die rückseitige Notierung franco 4/29 ist mir schleierhaft.

    Die vorderseitige 15 beschreibt wohl das Weiterfranko in Nkr. an Russland (im österreich-russischen PV von 1854 war noch festgelegt, dass Briefe aus Frankreich nur bis zur russischen Grenze frankiert werden konnten).


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    ein beeindruckendes Stück - was man vorne als "8" lesen könnte, war das "X" für voll frankiert von Österreich.


    Das mit den 15 Nkr. ist sicher richtig, aber 29 als Franko sind ja wegen der Primzahl eher ungewöhnlich, jedoch kam mir eine Idee aus meiner kleinen Transitsammlung Bayerns mit Österreich und Frankreich, daher habe ich mal eine Seite angehangen, aus der hervorgeht, dass 20 + 9x CM damals vertraglich fixiert waren; ob diese 20 den 20 auf meinem Brief entsprechen, weiß ich aber nicht.


    Ich hoffe, dass ein Österreicher uns hier weiterhelfen kann.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ralph und Michael,

    ein Traumbrief!

    Aber wie viele Traumbriefe mit einer schwierigen Taxierung. Denn die Leitung über Österreich scheint mir sehr ungewöhnlich, oder? Jedenfalls ist der Brief durchfrankiert. Österreich schreibt vorne die 15 Nkr Weiterfranco an. Könnte der Franco-Vermerk rückseitig Kopeken sein? Ich bin bei Rußland in dieser Zeit zu wenig sattelfest, aber die kleinen Ziffern sind schon früher typisch für russische Taxzahlen. Und die "4" passen in gar kein Tarifschema.

    Aus Österreich stammen die Francovermerke rs. ganz sicher nicht. Es dürfte ein seltsamer Zufall sein, dass die Gebühr für Briefe aus Frankreich nach Österreich über deutsches Gebiet vor 1858 29 KrCM (!) betrug. Das änderte sich aber mit 1.11.1858. Ab da zahlt man 25 Nkr!

    Seltsam ist ja auch, dass die französische Gebühr für Briefe nach Österreich über "Deutschland" vor 1.1.1858 1F20 betrug. Auf den ersten Blick schätzt man daher den Brief viel älter als 1861 ein.

    Meine sehr grobe und ungenaue Schätzung für das rs. Franco: 29 Kopeken Transite und 4 Kopeken Radzilow-Kiew???

    Gratulation Michael und viel Freude mit diesem Brief

    Gerald

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    vielen Dank für eure hilfreichen Kommentare.

    Briefe aus Frankreich nach Russland über Österreich sind meiner Beobachtung nach tatsächlich nicht so oft zu finden. Die volle Bezahlung bis zum Zielort zeigt schön die Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen, ungeachtet der im gültigen Ö-RUS-Postvertrag festgelegten Grenzfrankatur.


    Ralphs interessante Beispiele mit den 20 Kr.CM kann ich aber nicht so richtig auf diesen Brief übertragen.

    Zitat

    29 Kopeken Transite und 4 Kopeken Radzilow-Kiew???

    Das russische Inlandsporto betrug 10 Kopeken, kann hier also nicht helfen.


    Vielleicht bietet aber die folgende profane Erklärung die Lösung für die Notiz: Der Brief wurde am 3.5. in Paris aufgegeben. Russland hatte den julianischen Kalender, der in dieser Zeit 12 Tage hinterherlief. Das Eingangsdatum nach Radziwilow (Russland) könnte man als 26.4. lesen. Dann wäre 4/29 (29. April) ein plausibles Ankunftsdatum in Kiew.


    Gerald: Wo finde ich denn die von dir erwähnte Taxe von 1F20 für F-Ö-Briefe via Deutschland?


    Möglicherweise hat die Leitwegsangabe über Preußen (Berlin) UND Österreich (Brody) bei der Taxierung auch für Verwirrung gesorgt?


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    da haben wir aber nach dem Motto gehandelt: Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht? Natürlich wird es sich hier um das Datum handeln. Der Vermerk "Franco", der dabei steht, bedeutet nichts anderes, als die Bestätigung für die volle Bezahlung des Briefes! Danke für diesen sachdienlichen Hinweis ;)

    Die Gebühr von 1,20 für den "Deutschland"-Transit (es war nämlich egal, auf welcher Route durch die deutschen Staaten) ergibt sich aus dem Additionalvertrag zum Postvertrag zwischen Österreich und Frankreich von 1844. Dies ist deutlich günstiger als die 29 Kreuzer, die Österreich für die maximale Strecke verlangte (12 Kreuzer für Frankreich + 8 Kreuzer für den Transit + 9 Kr Österreich - diese 9 Kreuzer variierten je nach Entfernung zur jeweiligen Grenze, konnten also auch 6 oder 3 Kr sein). Beim Transit durch die Schweiz oder Sardinien berechnete Frankreich ab 1851 nur 1 Franc, Österreich jedoch zwischen 19 und 25 Kreuzern - je nach Entfernung zur Grenze.

    Beispiele dazu kann ich gerne auf dem entsprechenden Thread zeigen...

    Liebe Grüße

    Gerald

    • Offizieller Beitrag

    Beispiele dazu kann ich gerne auf dem entsprechenden Thread zeigen...

    Ja, bitte. :)


    Vielleicht kann einer unserer Frankreich-Kenner noch die 1F20-Frankatur auf meinem Brief erklären.

    (Abgesehen von dem von Gerald aufgezeigten Bezug zu einem eigentlich veralteten Tarif?)


    Gruß

    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ein Brief vom 25.6.1851 aus Marseille nach Odessa.
    Der Transit nach Österreich ist leider nicht dokumentiert, wahrscheinlich ging es durch die Schweiz. In Österreich erhielt der Brief seinen ersten Stempel am 1.7. in Krakau, Galizien. Dann ging es nach Süden zum österreichischen Grenzpostamt Czernowitz. Die 4 Tage hierfür zeigen, dass Galizien zu dieser Zeit noch ohne Eisenbahn auskommen musste. Die russische Post hat sich leider auf dem Brief nicht mehr verewigt.

    Für den Portobrief setzte Österreich 20 Kr. Auslandsanteil und 9 Kr. eigenes Porto an. Das gegenüber den früher gezeigten Briefen reduzierte österreichische Porto basiert auf dem österreichisch-russischen Vertrag von 1849. Die 29 Kr. entsprachen 29 Kop., hinzu kam das russische Inlandsporto von 10 Kop.

    Der vorderseitig links zu sehende undeutliche Stempel ist ein Abklatsch des Krakauer Stempels.



    Gruß
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ein Brief aus gleicher Korrespondenz wie der im vorigen Beitrag gezeigte. Dieser Brief ist von 1853, theoretisch müsste er nach denselben Vertragsgrundlagen wie der vorige behandelt worden sein. Der vorige war mit 29 Kr. belastet, dieser hier jetzt mit 39 Kr. Als Erklärung bietet sich die französische Gewichtsprogression an, die noch in 7,5 gr.-Schritten erfolgte. Obwohl Österreich mit Frankreich nach Gewicht und nicht nach Einzelbriefen abrechnete, könnte diese Progression (>7,5 Gramm - 1,5-faches Porto) angewandt worden sein, so dass der französische Portoanteil nicht mit 20 Kr. (wie oben) sondern mit 30 Kr. angesetzt wurde. Zusammen mit 9 Kr. österreichischem Porto ergibt das 39 Kr. Portobelastung an Russland.

    Ein weiterer Unterschied ist, dass der vorige Brief über das österreichische Grenzpostamt Czernowitz geleitet wurde und dieser jetzt über Brody.

    Inhalt des Briefes ist ein Chartervertrag für ein Schiff, um eine Getreideladung aus Odessa abzuholen (siehe hier).



    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    du zeigst hier ein wunderbares Pärchen!

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass hier unterschiedliche Tarife vorliegen. Denn die 20 Kr.CM vom ersten Brief sind ja nicht für Frankreich, sondern anteilsmäßig 12 Kr für Frankreich und 8 Kr "deutscher" Transit. Dieser wurde jedoch nicht in 7,5-Gramm-Schritten berechnet.

    Könnte es sein, dass dies "39" Kopeken sind? Denn wie du oben schreibst kamen zu den 29 Kr = 29 Kop noch 10 Kop Inland dazu. Die Schreibweise der 39 auf diesem Brief ist auch ganz untypisch für Österreich.

    LG, Gerald


    PS: Wenn du einen ähnlichen Brief von Frankreich über Österreich nach Russland abzugeben hast, wäre ich sehr interessiert!

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Gerald,


    verstehe und teile deine Bedenken vom Grundsatz her. Die 39 entsprechen dem einzuziehenden Gesamtporto, aber

    - die Schreibweise der Ziffern und die Tintenfarbe sind untypisch für Russland

    - es wäre der erste Brief überhaupt, der die russische Taxierung vorderseitig und so groß geschrieben zeigt

    Sehr hilfreich wäre, die österreichischen Durchführungsvorschriften für Transitbriefe aus Frankreich zu kennen. Frankreich berechnete seine Taxen für diese Briefe noch mit dieser feinen Gewichtsprogression. Ich war (und bin) wie Du am zweifeln, ob das so von Österreich für die Taxierung übernommen wurde - den Rundungsgewinn für andere ausländische Transitleistungen hat man damals gerne mitgenommen. Wenn ich aber eine russische Taxierung des Gesamtportos für sehr unwahrscheinlich halte, welche Erklärung bietet sich sonst an?

    Und noch ein Argument: Wo wäre die österreichische Vortaxierung?


    Habe gerade angefangen, meinen Bestand an Briefen nach Russland über Österreich zu sortieren, wenn da eine Dublette auftaucht, melde ich mich.


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    ja, die Schreibweise ist sowohl für Österreich wie für Rußland untypisch.

    Wahrscheinlich ist deine erste Erklärung mit 30 Kr Frankreich + Deutschland am naheliegendsten - wiewohl unlogisch. Da hätte das Absender-Postamt auch einen entsprechenden Gewichtsvermerk anbringen müssen.

    Aber gerade bei der Frankreich-Österreich-Korrespondenz erlebt man immer wieder solche Überraschungen - beidseits.

    Wenn die Schreibweise für Kopeken absolut auszuschließen ist, fällt mir derzeit auch keine andere Erklärung für den Brief ein...

    Liebe Grüße und in Freude auf deine Dubletten ;)

    Gerald