Polen - Frankreich

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    die Stadt Posen gehörte ab der 2. polnischen Teilung 1793 (siehe Beitrag #12) zu Preußen. Nach der preußischen Niederlage gegenüber Frankreich und dem Frieden von Tilsit 1806 wurden die Verhältnisse in dieser Gegend völlig umgekrempelt. Mit Gründung des Herzogtums Warschau fiel Südpreußen - und damit auch Posen - an den neugegründeten Staat. Nach der Niederlage Napoleons und der erneuten politischen Neuordnung Europas verschwand dieser Staat wieder von der Landkarte und Posen gehörte abermals zu Preußen. Diesmal dauerhaft bis zum Ende des preußischen Staates.


    Der folgende Brief stammt aus dem Jahre 1809 und wurde in Posen geschrieben:



    Der Brief lief vom Herzogtum Warschau über Preußen, Westphalen und Berg nach Frankreich.
    In Magdeburg erhielt er den westphälischen Eingangsstempel prusse p.m.
    Über Neunkirchen gelangte er ins bergische Dorsten: NEUKIRCHEN(PAR) und DORSTEN
    Via Düsseldorf und Neuss gelangte er dann nach Frankreich: PRUSSE PAR NEUSS


    Im Herzogtum Warschau war er teilfranko aufgegeben worden.
    Der Empfänger hatte 12 Decimes Porto zu zahlen: 7 Dec. für die Strecke durch die deutschen Staaten und 5 Dec. französisches Porto.


    Es gibt zahlreiche weitere Notierungen/Taxen, die sich mir allerdings nicht erschließen.
    346, darunter 45 ??? (gestrichen), daneben 195 (gestrichen)
    rechts oben ??? 3, darunter schwach eine 7 (?, gestrichen)
    Mittig groß 7 1/2 (gestrichen), links oben 115 (doppelt gestrichen) und schließlich linke eine 13, die anscheinend in eine 23 geändert wurde.
    Wenn jemand Ideen für eine Zuordnung hat, kann er sie gerne hier vorstellen. :)


    Ein polnisch-preußischer Brief aus Posen war nur vor 1793 und dann in der kurzen Zeitspanne 1807-1815 möglich.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    Glückwunsch zu dieser Granate - wow, wer hat das schon? Zumal der Brief ausnehmend attraktiv ist (gilt natürlich nicht für Bund und Berlin Vordrucksammler). :D


    Die "115" kenne ich so auf Briefen aus Polen, von daher sollten es Kopeken sein. Auch die "195" sollten Kopeken sein, vermutlich das Teilfranko bis zur franz. Grenze.


    Rechts unten steht "39" und "6", darunter "45 Ausl(age)", also 45 preußische Groschen (?), die man von jemandem wollte und die sich aus 2 Gebührenteilen zusammen setzten. Auch die "7 1/2" sollten Gutegroschen Preußens sein.


    Leider kann ich nicht lesen, was oben rechts notiert und geschrieben steht. Gibt es eine guten Detailscan?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    danke für die Zuordnung der Zahlen. :thumbup:


    Unsicher scheint mir, bis wohin der Brief teilfrankiert war. Meines Wissens setzen sich die 12 Dec. Porto für den Empfänger aus den genannten 2 Teilen zusammen: 7 Dec. für den "deutschen Anteil" (4. Rayon nach der Reichsposteinteilung) + 5 Dec. franz. Grenze bis Rheims.
    Zumindest von Berg gibt es ja auch vergleichbare Taxierungen.
    Von einer Teilfreimachung für Warschau und mindestens Preußen kann man wohl ausgehen. Westphalen ist hier (zumindest für mich) die Unbekannte.
    Preußische Groschen wurden meines Wissens nur gegenüber Russland als Verrechnungswährung benutzt. In Polen resp. Warschau gab es Silber- und Kupferkopeken.
    Die Zusammensetzung der "45 Ausl." aus 39 und 6 (hatte ich als eine Zahl gelesen) könnte gut auf ein Grenzporto hinweisen, das auch später zwischen Polen und Preußen vereinbart wurde.


    Detailscans gibt es so viele, wie nötig :D



    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    unter der Prämisse, dass weder Gutegroschen, Kreuzer oder Decimes dreistellig notiert wurden, bleiben nur Kopeken für die 115 und 195 übrig, daher rührte meine Annahme.


    Oben rechts lese ich Nr. 3. Es war wohl eine Kartierungsnummer, wie es sie oft gab in dieser Zeit, als auch gewöhnliche Briefe ohne Recommandation sie erhielten.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    für die polnische Korrespondenz nach Frankreich bestand auch in den 1830er Jahren noch ein Grenzfrankozwang.
    So findet sich hier immer noch der mit dem französisch-preußischen PV von 1818 eingeführte Transitstempel TP (Transit par la Prusse) auf den Briefen.
    Hier eine Type von Aachen. Beim Eingang nach Frankreich wurde noch der Rayonstempel R.No.5 zur korrekten Berechnung der Taxen hinzugefügt.


    In Polen war der Brief bis zur Grenze mit 45 poln. Groschen bezahlt worden. In Preußen wurde diese gestrichen und darüber fPPGr (franco polnisch-preußische Grenze) notiert.
    Frankreich berechnete für den Brief der 2. (franz.) Gewichtsstufe 27 Décimes.



    Zur Sophy: Der Empfänger Karl Freiherr von Vincent war österreichischer General der Kavallerie, kämpfte erfolgreich in diversen Feldzügen der napoleonischen Zeit, wurde mehrfach von Wien als diplomatischer Verbindungsmann zu Napoleon eingesetzt und war später der österreichische Botschafter in Paris.
    Zum Zeitpunkt des Briefes (1830-34) war er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und lebte in seiner Baronie Bioncourt wenige Meilen nordöstlich von Nancy.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    ein begehrenswertes Stück - wie nicht anders bei dir gewohnt.


    Zitat

    Beim Eingang nach Frankreich wurde noch der Rayonstempel R.No.5 zur korrekten berechnung der Taxen hinzugefügt.


    Warum hat Berlin nicht den Rayon gestempelt? Eigentlich war doch jedes Land selbst dafür verantwortlich, den Rayon zu stempeln, so dass die Grenzpoststellen bei der Kartierung leichter die Gefällsrechnung erstellen konnten und nicht noch nach zu schauen hatten, woher der Brief kam und welchem Rayon dieser Ort zugerodnet war.


    Zudem bestand doch die Gefahr, dass Frankreich, ohne einen Vorsatz unterstellen zu wollen, mal versehentlich einen niedrigeren Rayon ansetzte und stempelte, wobei dann Preußen weniger Geld vergütet bekommen hätte.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    aus preußischer Sicht war der Brief mit dem "TP"-Stempel korrekt behandelt. Die gesamt Korrespondenz aus Russland (soweit grenzfrankiert) und Polen wurde gegenüber Frankreich als aus dem 5. preußischen Rayon kommend taxiert.
    Fehltaxierungen kamen vor (einen derartigen Brief habe ich hier irgendwo schon mal gezeigt), sind aber relativ selten.
    Hier ein Brief von 1834 aus Polen, bei dem Preußen die richtige Kennzeichnung vergessen hatte. Frankreich benutzte diesmal den 13 (Décimes)-Stempel zur Kennzeichnung.



    Zunächst als einfacher Brief taxiert: 13 Déc. Fremdporto + 5 Déc. franz. Porto = 18 Déc.
    Dann auf 8 Gr. gewichtskorrigiert und mit der 1,5-fachen Taxe von 27 Déc. belegt.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    da hatten die Preußen aber ein Gottvertrauen in die französischen Kollegen. Chapeau zu dem tollen Brief!


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    danke.
    Das Gottvertrauen muss nicht übermässig groß gewesen sein.
    Da die Briefe zwischen Frankreich und Preußen per 30 Gramm verrechnet wurden, konnte es Preußen eigentlich egal sein, wie sie innerhalb Frankreichs behandelt wurden. Hauptsache, sie waren bei der Übergabe im richtigen Briefpaket für den 5. Rayon.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    das war ja die Gefahr, dass Preußen polnische und russische Briefe übernahm, aber nicht selbst die Abrechnung pflegte. Wenn man dann für eine Unze nur den 4. oder gar 3. Rayon wegen einer Fehlstempelung von Frankreich ersetzt bekam, dann waren schon einnige Groschen perdue. Es sei denn, man hat die Briefkarte mit einer Attestkarte zukartiert, so dass die Franzosen, wenn sie Ungereimtheiten witterten, diese gleich hätten korrigieren müssen, andernfalls hätte Preußen, egal was von Frankreich später vergütet worden wäre, immer auf seine Attestkarten verweisen können, mit denen die Franzosen die entsprechenden Gewichte zu den Rayons bestätigt haben.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo,


    dieser Brief vom 19.11.1817, kurz nachdem Slupce vom Herzogtum Warschau zu Preußen kam, aus Warschau nach Straßburg über Bayern hat für mich noch einige Rätsel, zumal Briefe aus Polen nach Frankreich über Bayern nur selten vorkommen.
    Der Absender bezahlte 263 poln. Groschen, dies entsprach 36 gGr. Hiervon erhielt Preußen ein Weiterfranko von 32 gGr. Die rückseitig angeschriebenen 41 kann ich nicht deuten.
    Ich nehme an, dass der Brief in Polen 4 Loth schwer war (12,8 g x 4 = 51,2 g, aufgerundet 52 g). Nach dem Vertrag Preußen - Bayern von 1816 mussten Briefe die über Bayern nach Frankreich gesandt wurden bis Hof bezahlt sein.
    Das Porto in Straßburg belief sich auf 39 Decimes. Für einen einfachen Brief aus Bayern setzte Frankreich 7 Decimes an. Ein Brief bis 50 g kostete 39 Decimes. Wenn jedoch das Gewicht 52 g war, dann hätte das Porto 42 oder 43 Decimes betragen.


    Grüsse von liball

  • Hallo liball,


    für Frankreich sollte gegolten haben 7 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 + 3,5 = 38,5 Decimes, gerundet 39 Decimes.


    Phantastischer Brief, habe ich so noch nie gesehen!


    Und wieder das PA (von Hof für Post - Auslage?), auch wenn es jetzt gestrichen wurde.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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