Russland-Österreich-Italien (ÖIPV-Zeit)

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ein Brief aus dem Jahre 1853, bei dem (vermutlich) die günstigen Tarife des ÖIPV für die Auswahl des Leitweges verantwortlich waren.



    In Petersburg notierte der Absender am 1.7. (greg. Kalender) zunächst Porto und via Stettin (dies wurde auch im Brief selber noch einmal notiert), so dass der Brief über Preußen und anschließend über die Schweiz oder Frankreich nach Italien in die Toskana gelangt wäre. Vermutlich wies ihn der russische Postbeamte auf die kostengünstige Alternative via Österreich hin, so dass der Absender Stieglitz die Portonotierung strich. Die Leitwegsangabe via Stettin blieb stehen, hatte aber keine Bedeutung mehr. Allerdings musste H. Stieglitz nun das russische Inlandsporto in Höhe von 10 Kop. selber zahlen (österr.-russische Vertrag 1843 mit Add.-Vertrag von 1850). Eine entsprechende Notierung findet sich (wie bei russischen Briefen üblich) nicht auf dem Brief, die unter einem Stempel befindliche 15 sollte eine Kartierungsnummer sein.
    Der Brief lief nun im geschlossenen Transit durch Polen und erreichte das österreichische Grenzpostamt Szczakowa am 9.7., die anfallende Postvereinsforderung in Höhe von 9 Kr. C.M. wurde notiert.
    Der Durchgangsstempel vom 11.7. ist leider verschmiert, so dass ich den Ort nicht identifizieren kann. Am 14.7. wurde der Brief in Livorno gegen Zahlung von 6 Crazie (entsprach den reduzierten 9 Kr.C.M. ÖIPV-Tarif) dem Empfänger übergeben.


    Gruß
    Michael

  • + 1 ! Tolles Stück, danke fürs Zeigen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ein Beleg vom Oktober 1852 aus St. Petersburg nach Livorno in der Toskana.
    Der Brief lief im geschlossenen Transit durch Polen, erreichte bei Szczakowa Österreich und weiter über Laibach nach Livorno, wo er nach 11 Tagen ankam. In der Toskana erhielt er den Stempel Austria No.3. Während anfangs die Austria-Stempel No. 6 und 7 für die russische Korrespondenz verwendet wurden, war mit Abschluß des 1850er-Vertrages zwischen Österreich und der Toskana eine neue Zuordnung getroffen worden und die No. 3 wurde jetzt für die Korrespondenz aus ganz Russland verwendet. Laut Literatur hörte die Verwendung dieser Stempel im Laufe des Jahres 1852 auf, so dass wir ein relatives Spätdatum haben.



    Kommen wir zur Taxierung und damit den Problemen. ;)
    Laut Literatur galt der ÖIPV-Tarif zwischen Österreich und der Toskana ab dem 1.4.1851.
    In dem russisch-österreichischen PV von 1850 war der ÖIPV noch nicht berücksichtigt. Man kann davon ausgehen, dass das russische Porto hier noch vom Absender getragen wurde, wie auch bei dem Brief im Post #1 dieses Themas.
    Dann wäre hier nur die ÖIPV-Taxe von 9 Kr.CM bzw. 6 Crazie für einen einfachen Brief anzusetzen (siehe auch #1). Der hier vorliegende Briefe war anscheinend schwerer und fiel wohl in die 2. Gewichtsstufe, was auch groß vorderseitig notiert wurde. Nun wurden aber nicht 12 sondern 30 Crazie angesetzt!?
    Nach Wiener Lothen (17,5 Gramm) hätte ein Brief der 2. Gewichtsstufe also bis 35 Gramm wiegen dürfen.
    Rückseitig findet sich eine Tintennotierung, die man als 66 g(ramm) lesen könnte. Hat eine der beteiligten Postverwaltungen damals Gewichtsnotierungen in Gramm vorgenommen? In der Toskana wurde meines Wissens in denari gewogen.
    Aber auch wenn dem so wäre, würde der Brief mit diesem Gewicht nur die 4-fache Taxe von 24 Crazie kosten. Und was sollte dann die "2" vorderseitig?


    Zudem hat Ö-Transit in dem Thema Austria-Stempel hier einen vergleichbaren Brief von 1852 gezeigt, der mit 15 Crazie taxiert wurde. Damit würde die 2. Gewichtsstufe und 30 Crazie passen. Ö-Transit schreibt zudem, dass sein Brief (von 1852) aus der Zeit kurz bevor die Toscana dem ÖIPV beitrat stammt.
    Gibt es hier noch andere Gültigkeitsdaten für den ÖIPV?


    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,


    hinten stehen keine 66g, was ja auch viel zu viel wäre für diesen Brief (wäre fast Fahrpost). Ich lese da eine Manualnummer 669. Keine der beteiligten Postverwaltungen rechnete in Grammen.


    Die Vorteile, die Österreich im ÖIPV erreicht hatte, wurden m. W. nicht an die anderen Postvereinsstaaten weitergegeben. Wenn die Altverträge noch nach altem Gewicht abgefasst waren, was ich nicht weiß, galt für Österreich das halbe Wiener Loth als einfach = 8,75g. Dann passte es m. E. schon eher in die von dir genannte Progression.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    an die 66 Gramm glaube ich ebenso wenig wie Du, ich wollte in dem Beitrag nur darstellen, dass auch eine solche Variante zu keinem Ergebnis führen würde.
    Das Problem bleibt: Bei gültigem ÖIPV-Tarif zwischen Österreich und der Toskana müsste der Brief vergleichbar wie in Post #1 mit 12 Crazie taxiert sein. Die notierten 30 Crazie passen zur Vor-ÖIPV-Zeit. Ö-Transit hat derartiges bei seinem Brief (ebenfalls von 1852) beschrieben. Da es nunmehr 2 Briefe hier im Forum gibt, die so taxiert wurden, stellt sich die Frage, ob 1852 der ÖIPV-Tarif schon zur Anwendung kam(hätte kommen müssen) oder ob es - in der Literatur anscheinend unbekannte - Verzögerungen gab.


    Gruß
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    die ruhigen zurückliegenden Tage brachten Musse für ein Studium verschiedener Quellen und so konnte die Taxierung des oben gezeigten Briefes teilweise geklärt werden.
    In den Ausführungsbestimmungen des österreichisch-toskanischen Vertrags von 1851 wurde festgelegt, dass Korrespondenz aus Russland bis auf weiteres nach dem Vertrag von 1839 zu behandeln war. Dies erklärt die zu sehende Taxierung mit 30 Crazie für einen Brief der 2. Gewichtsstufe nach diesem alten Vertrag.
    Für die dann später hinzugetretenen Staaten Modena und Parma wurde festgelegt, dass ab dem 1.6.1852 auch die Korrespondenz aus Russland nach diesem Vertragstarif zu behandeln war. Für die Toskana scheint sich diese Angleichung etwas verzögert zu haben (der obige Brief ist vom Oktober 1852). Eine diesbezügliche Verordnung habe ich leider noch nicht gefunden.


    @Dieter
    ich würde von einer Kartierungsnummer ausgehen.


    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,


    schicke doch mal dem lieben Cameo eine Mail wegen dieses Taxierungsproblems; ich meine, er hat (fast) alles an Literatur und kann dir weiterhelfen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    zu dem im Beitrag #8 gezeigten Brief habe ich hier ein Brüderchen, das ein gutes halbes Jahr später auf die Reise geschickt wurde, nun aber schon zu den Bedingungen des ÖIPV-Vertrags taxiert wurde.



    Auch hier finden wir links eine große 2, die man für die Angabe der 2. Gewichtsstufe halten könnte, ABER

    die beiden Taxierungen 9 (Kr. CM) und 6 (Crazie) entsprechen der Taxe eines Briefes der 1. Gewichtsstufe. Bei der 2. Gewichtsstufe war das doppelte Porto anzusetzen. Und wieso überhaupt 2 Taxen? Und was macht das rote Frankokreuz hier. Wenn es denn ein Frankobrief war, würde ich noch die notierten 9 Kr. verstehen, aber was soll dann die 6?


    Die Rückseite bietet auch was neues:



    Die Stempel an sich sind bekannt: Aufgabestempel von St. Petersburg vom 1.3.1853 (jul., nach unserem Kalender 13.3.), Leitung durch Polen zum österreichischen Grenzpostamt Szezako (7.4. , eine erstaunlich lange Zeit), über Laibach Bahnhof (9.4.) nach Livorno (13.4.).

    Nun wurde aber der Laibach-Stempel sowie der erste Ankunftsstempel mit einem Strichstempel entwertet. Kennt jemand diese Stempel und hat evtl. eine Idee, warum dies gemacht wurde?


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    die 2 stammt von der selben Hand - todsicher. Ich kann nicht sehen, dass sie etwas mit Gebühren zu tun gehabt hätte, weil 2 in keinen Kontext passen.


    Österreich hat ihn ab der Grenze als Portobrief angesehen und mit 9x CM taxiert - diese "9" kenne ich und bin mir sehr sicher. Demzufolge müsste er in Russland bezahlt oder portofrei gewesen sein - ein Franko sehe ich aber nicht und die vorderseitigen "2" können es auch nicht sein, weil 2 Kopeken viel zu wenig waren.


    Vlt. kann Cameo helfen?

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo Michael,


    vielleicht kann Italienfreund etwas zu den durchbalkten Stempeln von Livorno und Laibach beitragen. Ich habe manchen Italienbrief gesehen, aber so etwas ist mir bisher nicht begegnet.


    beste Grüße


    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    mit der "2" kannst Du recht haben, sie ist anscheinend bei beiden Briefen von der selben Hand geschrieben. Also möglicherweise erst vom Empfänger geschrieben.

    Ich gehe auch davon aus, dass es ein Portobrief ist. Irritierend sind nur zwei Sachverhalte:

    - Wenn Österreich die Portoforderung von 9 Kr. CM notierte, warum wurde diese dann nicht in der Toskana bei der Reduktion in 6 Crazie gestrichen? Vielleicht denke ich da aber auch zu "preußisch" ;) denn eine Taxe von 9 Crazie war bei ÖIPV-Briefen wohl nicht vorgesehen.

    - Keinen Ansatz für eine Erklärung habe ich zu dem roten (Franko-)Kreuz ...


    Hallo Dieter,


    vielleicht schaut ja der eine oder andere hier noch mal rein ...


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    das FrankoX wurde nicht von einem geschrieben, der den Brief taxiert hat (2, 6, 9). Daher weiß ich nicht, ob es autentisch ist, oder nur aufgehübscht. Oder machten Russen diese Kreuze auch? Für sie scheint der Brief ja bis zur Grenze bezahlt worden zu sein, aber russische FrankoX habe ich noch nie gesehen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    auf einem russischen Brief habe ich so ein Kreuz noch nie gesehen. Rötelstift war dort auch nicht im Einsatz.
    Der Brief war bis zur russischen Grenze bezahlt, nur so passt ja auch die ÖIPV-Taxe von 9 Kr. CM bzw. 6 Crazie.


    Wahrscheinlich wird es nicht vollständig zu klären sein.
    Aber der Grund für die rückseitige Überstempelung der beiden Durchgangsstempel würde mich nach wie vor sehr interessieren ...


    Gruß

    Michael

  • Hallo Michael


    Der Strichstempel ist typisch für Livorno. Ich hab mal einen Brief aus meiner Sammlung angehängt, an dem sich die Funktion dieses Stempels ableiten lässt. Der Brief ist aus Alexandrien/Ägypten. Der Sender schreibt, dass das englische Dampfschiff immer noch nicht angekommen ist. wohl deshalb gibt er den Brief einem anderen Schiff nach Triest mit. Dort wird er 1853 aufgegeben.

    Rückseitig sind 5 unterschiedliche Stempel in 3 Farben von aufeinanderfolgenden Tagen vom 23.- 27. August von Livorno drauf, 4 davon mit dem Strichstempel annulliert. Der Brief konnte am 23, nicht zugestellt werden, der 23. wurde annuliert und am 24. der neue Ankunfts- hier besser Distributionsstempel angebracht und wegen Nichtablieferung ebenfalls annuliert, bis er am 27.8. zugestellt werden konnte.

    Bei deinem Brief ist der Laibach Stempel wohl versehentlich annulliert worden, dann erst der Livornostempel, der Brief konte dann am nächsten TAg zugestellt werden. Mit der Route oder der TAxe hat das nichts zu tun.

    Beste Grüße Martin