Aktive und passive Portofreiheiten

  • Liebe Freunde,


    heute zeige ich einen Brief aus Passau vom 26.8.1844, der am 28.8. seinen Empfänger erreichte, der im damaligen Bayern kein gänzlich Unbekannter war:


    "Seiner Excellenz Dem hochgebornen Herrn Herrn Maximilian Grafen Seyssel d´Aix, k. b. Kämmerer, Generallieutnant, Capitaine des Gardes, Inhaber mehrerer hoher Orden p.p. München".


    Ob der Absender aktiv portobefreit war, muss ich dahin gestellt sein lassen. Jedenfalls taxierte man den Brief nicht und stellte ihn auch so in München zu.


    Der Empfänger, immerhin der seiner Majestät nähest stehende Militär in Bayern, für Leib und Leben des Königs zuständig, durfte sich kostenloser Zustellungen in Bayern erfreuen.

  • Liebe Freunde,


    zwei ähnliche Briefe, könnte man meinen, zeige ich heute.


    Der kleine Brief aus Regensburg vom 5.4.1824 wurde an Herrn Staats- Minister Grafen von Rechberg in München verschickt. Da der Absender nicht frankierte, notierte die Aufgabepost 6 Kr. für den einfachen Brief über 12 - 18 Meilen. Dann aber stellte man fest, dass der Empfänger portofrei gestellt war und man musste die 6 Kr. wieder abstreichen, weil der Herr Minister in seinem Amt keine Gebühren bezahlt hätte.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Aloys_von_Rechberg


    Ähnlich wirkt ein Brief aus München vom 22.5.1831 an Herrn Willibald Grafen von Rechberg in Donzdorf über Ulm und Geislingen. Dort wurden von der Aufgabepost 6 Kr. bis zur württembergischen Grenze notiert, zu denen Württemberg 3 Kr. für sich addierte und so auf total 9 Kr. Porto kam.


    Willibald Graf von Rechberg und Rothenlöwen war weder in Bayern, noch in Württemberg portofrei gestellt, daher war die Portoforderung gerechtfertigt und der Herr Graf (nicht Yoster!) hat sie auch sehrwohl bezahlt.

  • Hallo Freunde,


    der Brief, den ich heute zeige, passt sehr gut zu dem Brief von bayern klassisch im Beitrag davor.


    Beide Briefe haben den gleichen Empfänger: den Grafen Aloys von Rechberg in München. Von Rechberg war von 1817 bis 1825 Minister des königlichen Hauses und des Äußeren in Bayern.


    Während man bei dem Brief von bayern klassisch zuerst einmal 6 Kreuzer Porto vermerkt hatte - und sie dann später wieder gestrichen hat - findet sich bei meinem Brief aus Würzburg weder ein Frei-Vermerk auf der Vorderseite noch irgendeine Taxziffer vorder- und rückseitig.
    In Würzburg war dem Expeditor bei der Briefaufgabe also bekannt, das der Herr Graf in München portobefreit war.
    Absender bei meinem Brief war ein Georg Ludwig Geys, Kaufmann aus Würzburg. Und der war sicherlich nicht portobefreit.


    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Lieber Wolfgang,


    was für ein Pendant! Herrlicher Abschlag des Zweizeilers und mit dem PO - Hintergrund eine Augenweide. Danke fürs Zeigen dieses Schmankerls. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    aus Sommerhausen von der Familie derer zu Rechteren Limpurg an den Herrn Grafen von Rechteren Limpurg, erblichem Reichsgraf, derzeit in München. Am 6.6.1849 beließ ihn die Aufgabepost ohne Taxansatz und setzte nur einen Diagonalstrich an, als Zeichen der Portofreiheit.


    Am Folgetag kam er in München an, wo jemand "baysch. Hof" notierte, was ich für den Bayerischen Hof halte.


    Gewöhnliche Leute hätten hierfür ab dem 1.1.1843 bis zum 30.6.1849 bei einem zu vermutenden Gewicht von unter 1/2 Loth für die 209 km = 28 Meilen immerhin 10 Kreuzer zahlen müssen. Seiner Erlaucht blieb diese Entnahme aus seiner Portokasse (hatte der überhaupt eine?) erspart.

  • Liebe Freunde,


    ein rätselhafter Brief: Am 5. April 1843 sandte die Maschinenfabrik J. W. Engelhardt in Fürth (über sie findet man in der Franken-Wiki ein paar Informationen) einen Brief an Christian Croninger in Uffenheim.
    Darin geht es um die Anfertigung einer von Croninger bestellten Presse sowie die Übergabe- und Bezahlungsmodalitäten.
    Interessant sind an dem Brief das vorderseitige liegende Tintenkreuz und der Vermerk "fro. 0".
    Auch rückseitig sind links schwach erkennbar die durchgestrichene Null und rechts oben ein durchgekritzelter Frankobetrag zu sehen.
    Der Brief wiegt heute 6 Gramm, hätte nach der ersten Gewichts- und zweiten Entfernungsstufe mit 4 Kreuzern taxiert werden müssen.
    Der Absender zahlte also offensichtlich nichts, obwohl der Brief rein kommerzielle Angelegenheiten betraf, der Empfänger musste immerhin den in Uffenheim erhobenen Briefkreuzer berappen.


    Warum bloß genoss Engelhardt wenigstens in diesem Fall Portofreiheit?


    Auf jeden Fall freue ich mich über einen Bestellkreuzer-Brief mit "Franco 0"-Paraphe, so etwas sieht man nicht alle Tage.


    Viele Grüße aus Erding!

  • Lieber Dietmar,


    ein feines Stück - hatte ich auch gesehen! Schön, dass er bei dir gelandet ist.


    Die Aufgabepost hat ihn wohl als portofrei akzeptiert - über die Gründe kann man nur rätseln. In der bayer. Primärliteratur ist ja auch hin und wieder die Rede von missbräuchlichen, persönlichen Portofreiheiten, bzw. gleich von Defraudationen. Ich könnte mir, ohne es zu wissen, dergleichen hier auch vorstellen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    ein entzückendes Briefchen vom 16.3.1847 erblickte mein Auge in der Bucht - mit leidlich lesbarem Halbkreisstempel Günzburgs versehen, las ich die Anschrift: "S= des Ttl. Herrn Fidel von Baur - Breitenfled Kl Bayr. Landgerichts - Assessor wohlgeboren Lindau Ablage im Gasthaus zur Krone"


    Der Brief weist darüber hinaus noch einen fast nachträglich anmutenden Vermerk "fro" für franco auf. Siegelseitig ist jedoch kein Franko zu erkennen. Statt dessen hatte der Absender notiert: "Vom Kl. Postv. G´hey".


    Der Brief wurde mit einem kleinen Siegel versehen und erhielt je zwei Parellelstriche, aber keine Frankonotation, so dass ich davon ausgehe, dass man in Günzburg nichts bezahlte. Pro memoria: Günzburg - Lindau im Bodensee sind genau 110 km, also wäre selbst ein einfacher Brief auf ein Franko von 6 Kreuzer gekommen (über 12 bis 18 Meilen).


    Dann schaute ich nach und fand heraus, dass damals der Posthalter von Günzburg Carl Graßhey (oder Grashey) hieß und selbiger den Brief geschrieben hatte, für den er natürlich nichts hatte zahlen wollen. Lindau erhielt ihn noch am Folgetag und übergab ihn wohl dem Wirt des Gasthauses zur Krone, wo man ihm seinem Empfänger später zustellte.

  • Lieber Dieter,


    ja, 16. ist richtig. Danke für die Korrektur.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    diesen Brief konnte ich am Freitag auf der Münchner Messe noch aus einer Kiste vom Robbie ziehen. Ganz früher hätte ich für meine Heimatsammlung keine Incoming-Mail genommen. Gottlob kam inzwischen die Erleuchtung, deshalb musste dieses für einen einfachen Vormarkenzeit-Brief eher hochpreisige Stück unbedingt her.


    Sowohl der Absender als auch der Adressat sind von Interesse.


    Absender war Karl Alexander (auch Karl Theodor genannt) Graf Westerholt. Die Familie stand im Dienst der Thurn und Taxis (darüber gibt es auch ein Buch: Thomas Barth, »Wir sind unnütze Knechte«. Die Familie Westerholt in Regensburg und ihr Beitrag zur bayerischen Kulturgeschichte, Regensburg 2007). Besonders der Vater Alexander Ferdinand war eine bedeutende Figur im Regensburg der unruhigen napoleonischen Zeit und sorgte durch geschicktes Verhandeln dafür, dass sich die Position des Fürstenhauses ungeachtet trüber Aussichten entscheidend verbesserte.


    Der Empfänger Jakob Freiherr von Washington hatte einen gleichermaßen wechselvollen wie erfolgreichen Lebenslauf und starb 1848 in Notzing im Landgericht Erding. Mehr über ihn kann man hier nachlesen. Er war übrigens nur ein sehr entfernter Verwandter des Präsidenten der Vereinigten Staaten George Washington.


    Im Brief geht es um die Versteigerung von Inventarstücken des Guts Giebelbach nahe Lindau, die Westerholt im Auftrag Washingtons organisierte. Letzterer hatte nach dem Tod seiner Frau die Freude an dem Haus verloren und war ins Schloss Notzing umgezogen, vielleicht auch, um dem Hof in München näher zu sein.


    Postalisch hat der Brief ebenfalls einiges zu bieten: Links unten steht "franco/gwesterholt" - Westerholt (1795–1863) genoss unbeschränkte Portofreiheit bei der Briefpost (sie wurde 1851 bestätigt, siehe Wachter). Vermutlich lag das nicht an seiner Rolle als Hofkavalier in Regensburg (er war seit 1816 auch bayerischer Kammerherr), sondern an den Verdiensten seines Vaters.


    Dieser am 3. November 1832 in Lindau aufgegebene Brief dürfte tatsächlich den in der Adresse angegebenen Leitweg genommen haben. Freising war die nächstgelegene Postexpedition (Erding hatte nur eine Briefsammlung), von dort bis nach Notzing wurden dann noch 2 Kreuzer Botenlohn fällig (links oben notiert).

  • Lieber Dietmar,


    ein kleines Sensationsstück hast du da ausgegraben - Wahnsinnshintergrund (ein Washington - Brief innerhalb Bayerns, ui, ui, ui!). :love::love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Sammlerfreunde,


    hierzu folgender Brief:

    Brief aus Sulzbach (Oberpfalz) vom 11. August 1834, an den königlich bayerischen Posthalter Johann Hubmann in Hirschau (Oberpfalz). Seit Herbst 1804 war Johann Hubmann Posthalter in Hirschau und hatte daher Gebührenfreiheit.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,


    war hier nicht entscheidend, dass der Absender eine persönliche Postportofreiheit besaß?


    Der hat wohl auch das liegende X als Zeichen der Gebührenfreiheit angebracht und dürfte auch, wenn es kein Betrüger war, portofrei gestellt sein.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber Ralph,


    da muß ich mich erst einlesen. Auf jeden Fall war der Absender im Brief ein anderer, der außen schrieb "Freundliche Grüße ...........". Evtl. ein Postbetrug ?



    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Hermann,


    das sind keine einfachen Briefe, wenn man ermitteln will (und es überhaupt kann), ob die Portofreiheit legal war, oder ergaunert wurde.


    Hier meine Sammlung die hier im Forum unter dem Ordner "Spezialthemen" eingestellt ist.


    Portofreitum in Bayern 1806-1875

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    der folgende Brief lässt mehrere Interpretationen hinsichtliche mehrerer Vorgehensweisen zu, die hier zur Diskussion gestellt werden sollen.


    Zuersts die Fakten: Brief aus München vom 22.5.1842 an "Seiner Wohlgeboren Herrn Buchhändler Manz in Regegnsburg , frey".


    Der Brief weist, trotz des Frankovermerks, vorne eine 6 auf, die aber wohl von gleicher Hand gestrichen wurde. Weil der Brief nicht innerhalb von einer halben Stunde vor dem Postabgang nach Regensburg aufgegeben worden war, konnte er am 22.5. nicht mehr abspediert werden und erhielt in Folge dessen den Verzögerungsstempel N(ach) Abg(ang) von München.

    Siegelseitig sehen wir den Verschluß des Briefes mit rotem Wachs und einen Strich. Unter dem Ankunftsstempel von Regensburg vom 24.5. steht das Wort "Clasen".


    Klappt man den Brief ohne Inhalt auf, lesen wir den Absender Schneider und Compagnie, Stuttgart im Mai 1842.


    War der Brief nun frankiert, oder nicht? Bedeutet der Strich siegelseitig eine Franchise mit dem Siegel, oder nicht? War Clasen ein Forwarder, der den Brief aus Stuttgart in München zur Post gab und damit weiter leitete?


    "Frey" wurde nicht gestrichen - man hat auch nicht "Boite", oder "aus dem Briefkasten" notiert, also die "Frankatur" anerkannt. Wieso?


    Warum stempelte Regensburg 1842 schon Ankunft, wiewohl das erst mit königlichem Erlaß am 31.1.1843 eingeführt wurde? Wegen des Verzögerungsstempels?

  • Lieber Ralph,

    ich hatte im Hinterkopf, dass die Post den frei-Vermerk gar nicht streichen darf?

    Mir gefällt der Nebenstempel N: Abg: sehr gut, ich bin ein Fan von Nebenstempeln.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,


    darf sie auch nicht - aber mit dem Zusatz "Aus der Boite" usw. kann sie ihn korrigieren.


    Nebenstempel? :thumbup::thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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