Dienstsachen

  • Berlin - Ludwigshafen am Rhein 11.09.1875


    Hallo zusammen,


    als Auftakt dieses threads kann man wohl kaum etwas passenderes finden als einen Beleg der sogenannten "Dienstmarkenvorläufer".


    Es handelt sich dabei weder um Freimarken noch um Dienstmarken, sondern um Gebührenzettel für Dienstbriefe der Eisenbahngesellschaften, die im Buchdruckverfahren auf gelbem Papier hergestellt wurden. Hierbei ist - im Groben - zu unterscheiden zwischen den Ausgaben allgemeiner Art (D I - doppellinige Einfassung) und der sogenannten OPD-Ausgabe mit einfacher Einfassung (D II - ohne Hilfslinie).


    Auf den Zetteln stand: Frei laut Entschädigungs-Conto, d.h. dass nach Aufhebung der Gebührenfreiheit der Eisenbahnen durch den Norddeutschen Bund im Jahre 1869 für die damals rd. 37 Eisenbahngesellschaften immer noch eine Vereinfachung dahingehend erfolgen sollte, dass die nunmehr von ihnen zu erhebenden Portobeträge gestundet und erst später (bspw. monats- oder quartalsweise) einer Verrechnung zugeführt wurden.


    Die Briefe wurden in der Regel unten links mit dem Kürzel E.D.S. (Eisenbahn-Dienst-Sache) oder D.E.V.S. (Deutsche-Eisenbahn-Vereins-Sache) und darüber mit einer Journalnummer versehen (Sendungsnummer + Jahrgang). Es handelte sich bei letzterer um eine bahninterne Aktennummer, die von der annehmenden Postdienststelle (vorliegend das Postamt Berlin W9) gemeinsam mit der zu erhebenden Briefgebühr in das dort geführte "Entschädigungskonto" einzutragen war.


    Auf dem Poststück selbst wurde der entsprechende Betrag - in der Regel 10 Pf für Sendungen bis 15 gr und 20 Pf für Sendungen von 15-250 gr - handschriftlich austaxiert (siehe Rötelnotierung) und schließlich mit dem gelben Gebührenzettel beklebt. Die Abrechnung mit der jeweilgen Eisenbahngesellschaft (im vorliegenden Fall der Berlin-Potsdamer-Eisenbahngesellschaft) erfolgte quartalsweise.


    Grundlage dieser Vorgehensweise war die General-Verfügung No. 147 des General-Postamtes der Deutschen Reichspost vom 18.06.1874. Die Verausgabung der gelben Gebührenzettel (in Bögen zu 198 Stck) erfolgte kurz darauf zum 01.07.1874, so dass deren Verwendungsmöglichkeit (noch) während der Kreuzerzeit auf ein relativ schmales Zeitfenster gestellt ist.


    Im einschlägigen Werk von Gotwin Zenker - Die Gebühren-Zettel für Dienstbriefe der Eisenbahn-Gesellschaften D I und D II - (Infla-Berlin-Band Nr. 55, München 2005) ist die Rede von über 30 Jahre hinweg 500-600 registrierten Belegen und darüber hinaus einer geschätzten Anzahl von weiteren ca. 400 in noch unregistriertem Sammlerbesitz. Wieviel davon in die Kreuzerzeit fallen, geht aus dem Werk leider nicht hervor.


    Leider, leider haben wir im vorliegenden Fall auch keinen Inhalt, aber immerhin einen Ankunftsstempel vom Zielort in Ludwigshafen am Rhein im linksrheinischen Bayern. Da man bei Unkenntnis des Inhaltes nicht spekulieren soll, würde es mich freuen, hier irgendwann vielleicht einmal Belegmaterial mit Inhalt vorfinden zu dürfen.


    + Gruß


    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,


    nettes Spezialthema, das du da aufmachst. Einen habe ich auch in der Ecke liegen - stelle ich heute ein, wenn es Zeit gibt. Nach Bayern in der Kreuzerzeit soll es 3 geben, hat mir mal ein Kenner der Materie anvertraut. Wenn das stimmte, hätten wir hier bald 2/3 des Weltbestandes im Forum ... :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo bk,


    noch einer nach BY, Klasse ! Da bin ich ja gespannt ob evtl. sogar mit Inhalt, was lt. Zenkers Werk auch deutlich wertsteigernd ist. Gestatte noch eine Frage zum w.o. gezeigten Beleg: Was ist Deiner Einschätzung nach für eine Taxierung vorgenommen worden: 10 oder 20 Pf ?


    + Gruß


    vom Pälzer


    (Anm.: Es soll lt. Zenker einige "Spezialisten" geben, die die handschriftlichen Austaxierungen als - man soll`s wirklich nicht glauben - "störend" empfinden und wegradieren (!), was die Authentizität und den Wert eines Belegs dieser Art natürlich sehr deutlich mindert)

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,


    superdeutlich ist es nicht, aber ich lese eher 10 Pfg,, als etwas anderes.


    Ja, die "Spezialisten" haben vieles an Briefematerial ruiniert. Aber Weitblick war immer schon ein Privileg von Wenigen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Pälzer,


    in die Pfalz lief er (leider!) nicht, aber auch so sieht er für mich ganz passabel aus, weil hier alles richtig gemacht wurde:


    Aus dem schönen Magdeburg vom 2.12.1874 kann ich (m)einen zeigen:


    "An das Fiscalat der General - Direction der Königlich Baierischen Verkehrs - Anstalten in München" ist sauber geschrieben. Der Vermerk "E.D.S. fr." für Eisenbahn - Dienst - Sache franco ist auch adrett und die Rötel - 1 für einen Silbergroschen, der später im Reich verrechnet wurde und Bayern nichts anging, ist auch klar zu erkennen.


    Besonders schön und ein wichtiger Kaufgrund war, gerade weil der Inhalt mangelt, das wundervolle blaue Siegel "Directorium der Magdeburg - Coethen - Halle - Leipziger Eisenbahngesellschaft".


    Die Ankunft am Folgetag, dem 3.12.1874, bestätigte der Münchener Ankunftsstempel.


    Derzeitiger Bestand in der Kreuzerzeit also einer in die Pfalz und 2 ins rechtsrheinische Bayern - viel ist anders ...

  • Hallo bk,


    da wird selbst der frühjahesmüdeste Postgeschichtler wieder wach. Ein wirklich sehr schönes Stück, das den in die Pfalz optisch um Längen schlägt. Vor allem die Rückseite besticht durch einen astreinen Siegel-Abschlag, die lt. Zenker in den seltesten Fällen gut lesbar waren.


    Bei Briefen mit Siegeloblaten wurden jene gerne von Spezialsammlern entfernt, so dass man bei fehlendem Inhalt über den Absender schon spekulieren muss. Gewisse Rückschlüsse sind dann zwar über die Aufgabepost möglich, das aber auch nur begrenzt.


    So haben wir aber hier wohl den vom Feinsten aus der Kreuzerzeit nach BY vor uns !


    + Gruß :P


    vom Pälzer

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  • Liebe Sammelfreunde


    natürlich kann ich solche tollen Belege nicht präsentieren, da diese nicht unbedingt für mich Priorität haben.


    Am 01.01.1903 wurden die sogenannten Zähldienstmarken eingeführt - für Preussen mit der Nummer 21. Die Behörden bezahlten pauschal ihren Postaufwand - nun wurde er mit Hilfe dieser Marken geprüft.
    Dazu konnte ich nun einen Beleg finden, welcher am 17.10.1903 von Magdeburg nach Aschersleben gesendet wurde. Die 10 Pfennig, was der Brief kostete, wurde hier mit 2 Marken von je 5 Pfennig der Zählmarke dargestellt.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Magdeburger,


    vlt. kann es dein Brief wertmäßig nicht ganz mit den beiden "alten" aufnehmen, aber so schön, ja perfekt dürfte man diese 21er auch nicht oft finden - Glückwunsch zu dieser Schönheit. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



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