von und nach Russland nach dem Postvertrag vom 24.12.1821

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Altsax,


    meine Interpretation der 5 Scans:
    1) ein Vermerk des Empfängers bearbe(itet) 30
    2) die 45 1/2 Pr. Groschen
    3) eine russische Kartierungsnummer
    bis Anfang der 40er Jahre findet man rückseitig diese typische Notierungsart Kartierungsnummer --------------- Taxe
    4) möglicherweise das Grenzporto von 1 1/2 Pr. Gr. (nur recht vereinzelt auf Briefen notiert)
    5) die 11 Sgr. preußisches Transitporto


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    vielen Dank für diese Deutungen. Ohne eine Fülle passenden Materials gesehen zu haben, kommt man darauf sicherlich nicht.


    Liebe Grüße


    Altsax

  • Lieber Michael,


    nachdem du uns mit deinen tollen Rußlandbriefen, auch wenn ich zur innerdeutschen Leitung deines letzten nichts beitragen kann, stets erfreust, möchte ich einen nach legen, den ich dank deiner Zurückhaltung günstig bekommen konnte.


    Geschrieben wurde er in Moskau am 22/11 bzw. 4/121833. Die Adresse lautet: Monsieur Monsieur Juste de Charrière à Lausanne Canton de Vaud en Suisse.


    Ausweislich des PV Bayerns mit Preußen von 1816 musste Preußen alle Korrespondenzen aus Russland und Polen nach der ganzen CH an Bayern übermachen. Bayern verpflichtete sich für Briefe aus Russland bis Hof 11 Gute Groschen = 44x zu ersetzen (ab Memel, heute Klaipeda), wenn diese unfrankiert einliefen, was hier nicht der Fall war. Dieser hier lief über Tilsit und bekam das "R" für Russland dort gestempelt (van der Linden Nr. 2383, da erst 1836 bekannt).


    Obwohl ich, wie so oft, bei russischen Briefen Probleme habe zu erkennen, was der Absender bis wohin bezahlt hatte, könnten es 61 1/2 Silberkopeken gewesen sein, die siegelseitig notiert wurden. Jedenfalls tendiere ich zu der Ansicht, dass er für die Postgebiete Russlands, Preußens und Bayerns bezahlt war. Nach dem oben angezogenen Vertrag sollte Bayern 16x für seinen Transit für einfache, bis 1 Loth schwere Briefe erhalten, die Hof (hier: preußisch!) in weinrot mit fr. 4 Ggr. ausgewiesen hat und die Bayern mit 16x oben reduzierte. Interessant ist dabei, dass Preußen ja seit 1821 von Guten Groschen auf Silbergroschen umgestellt hatte (zuvor 24 Ggr. ein Thaler, dann 30 Sgr.), Bayern aber auf der alten hohen Umrechnung zu seinen Gunsten beharrte, da man ja den Guten Groschen mit 4x, den Silbergroschen aber nur mit 3,5x rechnete. Hier waren die 4 Ggr. also 16x wert und nicht 4 Sgr. = 14x.


    Die weiteren Taxen entziehen sich erfolgreich meiner Interpretation. Die blaue 5 - oben würde ich in dieser Zeit Nürnberg zuordnen. Die mittigen 1 1/2, wenn das so überhaupt heißen soll, tendieren auch in Nürnberger Blautinte. Oben rechts in roter Tinte könnte es 465 heißen. Der Empfänger zahlte offensichtlich 20 Centimes, aber auch das ohne Gewähr.


    Hier hoffe ich auf kompetente Hilfe aus den Reihen des Forums.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Hallo bayern klassisch,


    meiner Meinung wurde das vom Absender bezahlte Gesamtfranko von 465 Kopeken Assignaten auf der Vorderseite angeschrieben. Dies beinhaltet die 61 1/2 Silberkopeken die Russland an Preußen vergüten musste, sowie 96 Kopeken Assignaten für die russische Inlandsstrecke. Der Brief war damit auf jeden Fall bis zur bayerischen Ausgangsgrenze bezahlt.


    Ich glaube nicht, dass die angeschriebene 16 mit Bayern etwas zu tun hat. Ich habe etliche Briefe aus Russland, bei denen Bayern ein Weiterfranko von 4 gGr. bzw. Sgr. erhielt, dies jedoch nicht umgerechnet wurde. Vermutlich handelt es sich bereits um eine Schweizer Taxe.


    Wie lief der Brief in die Schweiz? Wohl nicht über Baden. Eher über Lindau. Hier käme dann der Vertrag Bayern-Zürich von 1829 ins Spiel. Mehr fällt mir im Moment leider nicht ein.


    Grüsse von liball

    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    ein schöner Brief ! :)


    Russische Briefe in die Schweiz waren in dieser Vertragsperiode zwingend mit Grenzfranko bis zur bayerischen Ausgangsgrenze zu versehen.
    @liballs Einschätzung zu den vorderseitig notierten 465 Kop. Ass. als Gesamtfranko teile ich. Die vorderseitige Notierung des vom Absenders bezahlten Gesamtfrankos ist allerdings recht selten auf russischen Briefen zu finden - macht den Brief nicht schlechter.
    Die rückseitig notierten 61 1/2 Preußischen Groschen (die festgelegte Verrrechnungswährung, entspricht 1:1 Silberkopeken, allerdings waren damals Silberkopeken zum Portozahlen nicht gebräuchlich) sind das Weiterfranko an Preußen.
    Hiervon wurden 4 gGr. an Bayern vergütet.
    Der R-Stempel ist ab 1826 belegt, für Tilsit ab 1833.


    Viele Grüße
    Michael

  • Liebe Freunde,


    habt vielen Dank für eure Aufklärung - jetzt fehlt nur noch der Laufweg in der Schweiz. Ich glaube auch, dass er über Lindau lief, weil es für andere Leitungen keine Hinweise gibt.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo bayern klassisch,


    ich habe einen ähnlichen Brief angehängt, gelaufen aus Dorpat nach Lausanne vom 21.9./3.10.1827. Bis Lindau identische Taxierung wie dein Brief aus Moskau. Ab Lindau bis Zürich 6 Kr., ab Zürich in die westliche Schweiz Transitporto wiederum 6 Kr. = 12 Kr. ZZgl. 4 Kr. waadländer Kantonalpost = Gesamtporto 16 Kr.


    Grüsse von liball

  • Hallo liball,


    besten Dank - der ist meinem ja um Meilen überlegen und die Adresse von Manteuffel ist für Anhänger der Sophie natürlich noch ein Schlag Obers drauf.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo lieber Michael, bayern klassisch und alle,


    es sind ja interessante Stücke die gezeigt werden. Zum Grenzübergang "Rheinhausen" ist angegeben, das dieser für die Korrespondenz in die Schweiz, ab ca. 1780 angegeben ist. Wie lange dieser noch im 19. Jhd. zuständig war, konnte ich nicht richtig eruieren. Die rote "465" , auf dem Brief vom Michael, ist richtig erkannt in Assignaten Kopeken angegeben, mit diesen zahlte man im normalen Geldverkehr. Die russische Post rechnete aber nur in Silberkopeken ab! Der Umrechnungskurs zwischen beiden Währungen ist schlecht bestimmbar, ich denke er könnte in dem Zeitraum um ca. 1810 1: 3 gewesen sein?


    Die Post in die Schweiz ist sehr interessant, aber nicht oft zu finden.


    Ich habe hier einen Brief, von 1841 in die Schweiz, wurde von Petersburg bis Stettin mit dem Postschiff befördert, ging dann über Berlin und Baden? mit rotem OP gestempelt, nach Basel.


    Liebe Grüße Hans

  • Lieber Hans,


    dein Brief ist auch nicht ohne - "offene Einlagen" lese ich da - wie muss ich mir das vorstellen? Hat man ihn offen zur Post gebracht, damit dort der Inhalt kontrolliert werden konnte?


    Bezahlt war er bis zu pr. Ausgangsgrenze. 12x erhielt Baden für seinen Transit, das hast du ganz richtig gesehen. Mit dem Inlandsporto kamen 16 Schweizer Kreuzer in Ansatz. Schönes Stück!


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • lieber bayern klassisch,


    die "offene Einlage", war durch die Schiffspost interessant geworden. Man war ja in Russland sehr "erfindungsreich", und verschickte in einem größeren Brief, mehrere kleinere Brief mit, die mit Agenten zum nächsten Hafen gebracht wurden, um dann im Ausland weiter geschickt wurden. Um das zu verhindern, wurde die Post kontrolliert, und der Vermerk außen angeschrieben. Außerdem hatte man Listen die aufführten, was in einem Brief nicht befördert werden durfte. Um dies zu verhindern hat man die Briefe kontrolliert und dann beim Postamt verschlossen, durch Siegel des Einlieferers oder Trockensiegel, soweit diese vorhanden waren. Wenn der Brief eine Einlage hatte, so wurde dies angeschrieben.


    Liebe Grüße Hans

  • Lieber Hans,


    tolle Hintergrundinfo - kannst du da noch mehr zeigen - es muss ja nicht in die Schweiz gelaufen sein. :)


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo die Runde


    Darf ich dann mal diesen Brief zeigen. In St. Petersburg geschrieben aber durch Postumgehung nach Bern gebracht im Jahr 1834. Und von dort nach Geneve gebracht. Ob es ein "eingelegter" Brief war weiss ich nicht.


    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,


    so etwas sieht man ganz besonders gerne. :P


    Auf Grund der Laufzeit glaube ich nicht an einen Reisenden, der ihn auch hätte transportieren können, sondern an eine Kuvertierung, wie du sie angesprochen hattest. Die Russen hatten wohl Erfahrung in diesen Dingen ... :D


    6x für Bern und 2x für Waadt = 8x vom Empfänger.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    wir haben in diesem herrlichen Thread schon hin und wieder Briefe aus Russland sehen dürfen, die den Vermerk trugen, wonach in ihnen keine "Einschlüsse" vorhanden waren und diese Art des Postbetruges dürfte auch damals weit verbreitet gewesen sein, so dass man seine Briefe u. U. offen der Post aufgeben musste, welche sie nach Kontrolle dann zu verschließen hatte.


    Da die Bucht für alles Gute und Schlechte gut ist, hat sie mir diesmal zum Ausrufpreis einer Pizza mit Softdrink einen Brief in die Sammlung gespült, den man so kaum einmal wieder finden wird.


    Er wurde in St. Petersburg am 13.5.1825 geschrieben, aber der Post nicht aufgegeben, so dass er seinen Weg auf andere Weise über Preußen in die Pfalz nach Kaiserslautern gefunden haben muss.


    Der Absender spricht mehrfach vom Versand von Pflanzen und Samen, so dass es möglich wäre, dass er diesen Brief in eine solche Sendung oder in den obligaten Paketbegleitbrief gesteckt haben könnte. Wir werden es wohl nie erfahren ...


    Es versteht sich von selbst, dass Briefe aus dieser Zeit in die bayerische Pfalz, welche historisch, personell und wirtschaftlich so gut wie keine Beziehungen zu Russland unterhielt, denkbar selten sind.


    Zwar hätte ich lieber einen gehabt, der mit der ordinairen Post die Pfalz angelaufen hätte, aber ich fürchte auf diesen noch lange warten zu müssen. Bis dahin vertreibe ich mir mit diesem die Zeit ...


    Besten Dank auch an den lieben Michael für die geübte Zurückhaltung. :)


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Lieber bayern klassisch,


    ein schönes sauberes Stück! Man kann hier vieles konstruieren, der Brief kann wie Du das beschreibst in einer Warensendung als Beistück gelegen haben, oder vielleicht von einem Reisenden, direkt mitgenommen worden sein. Eventuell auch in einem anderen Brief als "Offene Einlage" ehrlich mitbefördert worden ist. ich denke das diese Einlage dann ein Prüfzeichen oder eine Markierung haben sollte, denn die Post war in dieser Sache sehr streng, und hat dies auch so gehandhabt. Als Beilage in einer Warensendung, ist mir ehrlich gesagt der Brief zu sauber, außerdem müßte er dort aufgefallen sein und wurde spätestens beim Zoll an der Grenze markiert oder entfernt!


    Trotzdem als Betrugsdokument nicht zu verachten - Glückwunsch dazu!


    Liebe Grüße Hans

  • Lieber Hans,


    ein Prüfzeichen oder eine Markierung habe ich nicht gefunden - er zeigt sich so, wie ich ihn eingescannt habe. Auch war er garantiert verschlossen, denn er war gesiegelt, so dass die offene Einlage ausscheiden muss.


    Wenn Samen im größeren Stil versandt wurde, hätte man ihn ja in ein größeres Samenpäckchen "eintüten" können, weil Samen, wenn er nicht gerade sehr ölhaltig ist, kaum schmutzt.


    Ein Reisender von St. Petersburg nach Kaiserslautern wäre natürlich möglich, aber das war eine extreme Strecke für die damalige Zeit und auch dieser wäre u. U. ein paar Monate unterwegs gewesen und hätte vermutlich bezahlt werden wollen.


    Ich halte nach allem Abwägen die Wahrscheinlichkeit des Unterschleifs durch verpacken in eine größere Fahrpostsendung am größten, weil das wenig Arbeit machte und die Post in der Zeit vor den Eisenbahnen schneller war, als jeder gewöhnlich reisende Mensch.


    Wie du schon schreibst, "als Betrugsdokument nicht zu verachten" sah und sehe ich genau so - wer hat schon so etwas nach Bayern? Sicher nur eine rhetorische Frage. ;)


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Nils,


    danke für den Link - ein Promi der guten alten Zeit also und damit Sophie at it´s best. :P


    Jetzt fehlt mir nur noch ein postalisch gelaufener Brief von Russland in die Pfalz, aber das wird wohl noch etwas dauern ...


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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