Kgr. Sizilien über Frankreich nach Bayern

  • Liebe Freunde,

    die meisten von uns sammeln vlt. nicht die Incoming-Mail, aber ich mache das seit über 20 Jahren. Einen frankierten Brief des Königreichs beider Sizilien über Frankreich zu bekommen, ist nicht einfach, denn man sandte in den 50er Jahren üblicherweise Portobriefe, die auch nicht oder nur unwesentlich teurer waren.

    Heute möchte ich einen barfrankierten Brief von der Insel Ischia 1.6.1855 nach Nürnberg vorstellen. Barfrankiert 1855? Ja, weil man dort erst zum 1.1.1859 (!) die ersten 7 Marken emittierte - und es sollten auch die einzigen bleiben. Daher sind auch alle Briefe mit Marken Siziliens nach Bayern handverlesen und kaum zu bekommen (es soll einen markenfrankierten geben).

    Dieser hier auf der Insel Ischia im Golf von Neapel am 1.6. geschrieben, wurde nach Neapel aufs Festland gebracht, wo er am 3.6.1855 ankam und postalisch bearbeitet wurde. Man forderte für den einfachen Brief mit einem Bogen Papier (in Frankreich bis 7,5g) 27 Grana, die oben rechts ausgewiesen wurden. Diese entsprachen ca. 33 Kreuzer rheinisch.

    Die damaligen Währungsverhältnisse im Kgr. beider Sizilien waren folgende: 1 Oncia = 6 Ducati (1 Ducato = 4,24 Lire) = 100 Grana = 100 Tornesi.

    Alle notwendigen Vertragsstempel brachte man dort an. Nun wurde er einem französischen Dampfschiff übergeben, bei dessen Ankunft er in Marseille am 7.6.1855 den blauen Achteckstempel "SICILE S. E. - MARSEILLE" (S. E. = "Service Etranger" = Ausländischer Postdienst) erhielt. Van der Linden kennt diesen Stempel nur von 1859 und auch nur in blau wie hier.

    Über Lyon und Paris wurde er dem Kartenschluß Forbach zugeleitet, von wo aus er über Preußen (Saarbrücken) und Frankfurt (TT) und Würzburg nach Nürnberg lief, wo er am 11.6. zugestellt wurde.

    Die Besonderheit des Briefes ist aber, dass man in Neapel oft zu hohe Franki ansetzte und die Kundschaft schröpfte. Hier wurden 27 Grana angesetzt für einen einfachen Brief nach Preußen. Tatsächlich wären nur 22 Grana für einen Brief nach Bayern zu zahlen gewesen. Schön, wenn es nach einem keine Kontrolle mehr gab und man sich so die Taschen voll machen konnte, ohne Gefahr zu laufen, erwischt zu werden.

    Für Liebhaber von Inhalten (wie ich einer bin) habe ich den Inhalt auch gescannt - der Absender war ein "Promi" und Weltreisender; schön, wenn man das vor über 150 Jahren von sich behaupten konnte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Liebe Freunde,

    Briefe aus den 50er Jahren des Königreichs beider Sizilien nach Bayern sind keine Massenware, frankierte schon überhaupt nicht. Ich möchte euch hier mein jüngstes Baby vorstellen, das ich für kleine Münze ergattern konnte.

    Am 1.6.1855 schrieb man auf Ischia im Golf von Neapel einen Brief nach Nürnberg. Er konnte jedoch noch nicht mir Freimarken des Königreichs beider Sizilien beklebt werden, weil es diese dort erst am 1.1.1859 gab. In Folge dessen musste der Absender bar frankieren lassen (es soll einen markenfrankierten Brief von dort nach Bayern geben). Er zahlte, wie oben rechts vermerkt wurde, 27 Grana bis zum Empfänger in Bayern. In Sizilien galt 1 Oncia = 6 Ducati (1 Ducato = 4,24 Lire) = 100 Grana = 200 Tornesi. Erst zum 1.10.1862 wurde die italienische Währung auch im Königreich beider Sizilien übernommen und 1 Lira galt 1 franz. Franken, so dass unser Brief des Absender etwa 30 Kr. kostete.

    In Neapel kam er am 3.6. an und erhielt alle notwendigen Vertragsstempel. Die Leitung über Frankreich war nicht unüblich, wenngleich es auch über den Kirchenstaat und Österreich gehen konnte. Jedenfalls wurde der Brief einem französischen Dampfschiff in Neapel übergeben, welches ihn am 7.6.1855 in Marseille anlandete. Dort erhielt er den Stempel "SICILE S E - MARSEILLE", der bei van der Linden nur aus dem Jahr 1859 in blau bekannt ist (S.E. stand für "Service Etranger", also ausländischer Postdienst).

    Über Lyon, Paris, Forbach und Würzburg lief er dann nach Nürnberg, wo er am 11.6. eintraf. Die Besonderheit war aber, dass man in Neapel mit 27 Grana den Tarif für einen einfachen Brief nach Preußen angesetzt hatte, während ein Brief nach Bayern nur 22 Grana gekostet haben würde. Aber von Neapel sind häufiger solche kostenintensiven Erhöhungen vorgenommen worden und man verdiente sicher nicht schlecht daran, denn eine Kontrolle gab es später nicht mehr.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    P.S. Für Liebhaber alter Briefe Inhalte haben ich diesen komplett eingescannt - ein kleiner Promi war der Absender damals und es war ja auch ganz nett, wenn man ein Weltreisender in der Mitte des 19. Jahrhunderts sein konnte.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch

    WOW, sehr schön. Glückwünsche :) :) :P :P

    Und danke für die Beschreibung. Als ich dieser Brief gesehen habe, dachte ich dass es ein Brief mit abgefallene Marke war. So kann man sich irren wenn man die Postgeschichte nicht kennt. Jetzt habe ich etwas gelernt, und nächstes Mal hoffe ich dass ich solche Schmankerln finden kann :)

    Danke fürs Zeigen.

    Viele Grüsse
    Nils

    PS! Wer ist der Absender?

  • Hallo Nils,

    der Absender war Carl von Schlitz, Generalmajor und Weltreisender (steht so auf der letzten Seite unten rechts mit Bleistift).

    Wenn du einen findest, freue ich mich mit dir. Vlt. stelle ich in den nächsten Tagen noch welche nach Bayern von dort hier ein? 8)

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    herzlichen Dank für das Zeigen und Beschreiben
    dieses wunderbaren und sehr seltenen Briefes.
    Habe mir schon gedacht, daß Sie dieses Stück
    kaufen würden. Ist noch dazu für einen annehm-
    baren Preis weggegangen.
    Liebe Sammlerfreunde,
    möchte dazu einen Hinweis geben.
    Dr. Joachim Helbig hat zu diesem interessanten Thema
    einen ausführlichen Artikel in der "POSTGESCHICHTE
    Heft Nr.101 vom März 2005 - mit dem Titel "Sizilien -
    Bayern" veröffentlicht.

    Liebe Grüße von VorphilaBayern

    Einmal editiert, zuletzt von VorphilaBayern (4. März 2011 um 06:11)

  • Lieber VorphilaBayern,

    danke für die netten Worte. Achim hat derzeit ein anderes Projekt in der Pipeline, daher konnte ich ihn (auch) günstig erwerben. Ich war aber auf stärkere Gegenwehr gefasst. :D

    Da ich die angesprochene, hervorragende Zeitschrift besitze, werde ich mal nachlesen, was er dazu geschrieben hat. 2 weitere Briefe kann ich auf jeden Fall noch mit diesem Laufweg zeigen und versuche heute schon den 1. davon zu zeigen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Sammlerfreunde,

    heute möchte ich einen Portobrief aus Neapel vom 10.8.1856 nach Würzburg zeigen (bitte nicht neidisch werden, lieber Luitpold). Die Leitung erfolgte auch hier über Frankreich. 18 Kr. erhielten das Königreich beider Sizilien und Frankreich von Bayern vergütet, 9 Kr. flossen in die eigene Tasche.

    Die Leitung war vergleichbar mit dem vorigen Brief von mir - mit dem franz. Paketboot (Dampfer) von Neapel nach Marseille (Stempel in blau) und von dort via Lyon und Paris nach Forbach. Hier durfte der Brief aber nicht, wie der obige Frankobrief, 7,5g wiegen, um noch einfachen Gewichts zu sein, sondern bis zu einem halben Loth = 8,75g. Der Postvertrag Bayerns mit Frankreich war nicht reziprok!

    Es sind nur ganz wenige Briefe mit dieser Leitung dieses Vertrages bekannt geworden.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Liebe Freunde,

    der PV Bayerns mit Frankreich vom 1.7.1858 zog i. d. R. wesentlich günstigere Gebühren nach sich, jedoch in ganz wenigen Fällen auch Verteuerungen. Eine von diesen zu finden war mein stetes Bestreben und Maria Brettl hatte tatsächlich einen Brief für mich, der dies zu dokumentieren ermöglichte:

    Ein Portobrief aus Neapel mit dem üblichen Laufweg nach München (diesmal über Strasbourg und nicht über Forbach) wurde am 30.1.1859 auf die Reise gesandt. Der Absender, in Kenntnis des Speditionsgebarens dort, notierte auf der Vorderseite "via Marsiglia p(er) vapore diretto", also über Marseille mit direktem Dampfschiff und gab so den Leitweg zwingend vor. Am 4.2. wurde der Brief in Marseille angelandet und am 8.2. in München zugestellt. Eine Leitung über den Kirchenstaat und Österreich hätte im Winter sicher länger gedauert.

    Der Empfänger zahlte 30 Kr. (zuvor nach dem Vertrag vom 1.7.1847 nur 27 Kr.), jetzt aber nicht für 8,75g, sondern für einen Brief bis 7,5g. Bayern erhielt hier für den im geschlossenen Transit durch Baden und Württemberg mit der Bahnpost laufenden Brief 7,2 Kr., Frankreich deren 22,8 Kr., musste jedoch noch das Königreich beider Sizilien entschädigen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Mein Vorredner hat alles schon gesagt, und ich habe nichts hinzufügen :)

    Ausser dass der Brief in November 1858 abgeschickt war (und nicht der schönste mehr ist).

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    der schönste ist es nicht, aber so einen Brief muss man erst einmal finden! Wenn man davon 5 Briefe in seinem Leben sieht, steht man schon ganz gut da. ;)

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Nils,

    Cameo hat noch einen, glaube ich. Aber dann wird es schon recht eng hier. ;(

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Frankreich deren 22,8 Kr., musste jedoch noch das Königreich beider Sizilien entschädigen.

    Hallo bayern klassisch

    Weisst du wie viel Frankreich hier bekommen hat? Also nicht in Kreuzer gerechnet, sondern wie man abgerechnet hatten? Ich nehme an dass es ein pauschale Abrechnung war.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    es war wohl eine pauschale Abrechnung, weil die Postanstalt des Königreichs beider Sizilien sehr wenig mit diesen Briefen zu tun hatte - einige sind auch nur in das franz. Schiff eingeworfen worden und haben das Postbüro von Neapel gar nicht erst gesehen. Die Rechnungsführung wurde in Marseille gemacht, wenn ich mich recht entsinne. Vlt. kann Emmanuel mehr darüber sagen?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch

    Ja, vielleicht weiss auch Emmanuel etwas hierzu.

    Aber du hast geschrieben dass Frankreich für den Brief 22,8 Kreuzer bekommen hat. Bayern hat wohl nicht gesagt "Hallo Frankreich, hier ist 22,8 Kreuzer für den Brief ich eben bekommen habe."?

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    Bayern erhielt je Brief 40% der 12x Gemeinschaftstaxe, also 4,8x. Demnach verblieben Frankreich bei 30x Gesamtporto 25,2x (Postvertrag 1.7.1858 ). Davon standen Frankreich selbst 7,2x zu (60% aus 12x). Wie Frankreich den Rest verteilte, immerhin 18x, weiß ich nicht, weil das Bayern nichts an ging und es nur eine Sache von Frankreich, der Schifffahrtslinie und dem Königreich beider Sizilien war.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    den folgenden Brief kann man für schlappe 20.000 € kaufen - bei Delcampe. Ich glaube aber nicht, dass die dortige Klientel sich dazu aufraffen wird, diesen Betrag zu investieren.

    Trotzdem ein Hammerbrief vom 15.7.1860 aus Messina nach Würzburg mit Weiterleitung nach Kissingen - wer hätte ihn nicht gerne, zumal die Leitung über Frankreich ihren Reiz hat, aber auch ihren Preis ...

    Tipp für die Mods - den Thread darunter könnte man in diesen Thread integrieren, oder?

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

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