Frankobriefe

  • Beschreibung des Belegs:
    Frankobrief von Cottbus nach Stradow bei Spremberg (19 km Entfernung) aus dem Jahre 1844.

    Stradow war ein typisches Straßendorf bei Spremberg in der Niederlausitz.
    Der Anschluss an die elektrische Stromversorgung erfolgte 1922.
    Das ehemalige Gemeindegebiet wurde am 1. Januar 1984 nach Spremberg umgegliedert.
    Der Ort ist vollkommen durch den Tagebau Welzow-Süd devastiert. In der ehemaligen Ortsmitte erinnert heute ein Gedenkstein an seine Geschichte.

    Stempel:
    Aufgabestempel Cottbus Feuser 612-4 K2 (schwarz) vom 7.12.1844

    Rückseitiger Ankunftsstempel vom 7.12.1844


    Taxierung:
    Vorderseite unten links der Vermerk "frei" --> Frankobrief

    Rückseitig 12 Sgr. Frankogebühr


    Absender & Empfänger:
    Empfänger: Sehr Wohlgeboren dem Administrator der Gräflich Castellschen Güter Herrn Hauptmann Schlegel


    Inhalt des Briefes:
    Der Brief an Herrn Hauptmann Schlegel ist leider nicht mehr vorhanden, lediglich ein recht kurzes Antwortschreiben vom 13.12.1844 aus Stradow.

    Textauszug: "[...] ich Sie ergebenst bitte, mich dem Herrn Prediger Paulinus und den lieben Seinigen bestens zu empfehlen [...]"


    Sonstige Bemerkungen:
    keine


    Fragen:

    • Was ist unter dem "Administrator der Gräflich Castellschen Güter" zu verstehen?
    • Wie konnte das Antwortschreiben in dem gleichen Brief verfasst sein und dennoch ist nur eine Anschrift auf dem Brief vorzufinden?
    • die Rötelnotierung auf der Briefvorderseite links unten neben dem Vermerk "frei" - hat diese eine besondere Bedeutung? Für eine Gebühr erscheint sie mir zu klein?
  • Hallo Don Stefano,


    Zitat

    Fragen:
    1. Was ist unter dem "Administrator der Gräflich Castellschen Güter" zu verstehen?
    2. Wie konnte das Antwortschreiben in dem gleichen Brief verfasst sein und dennoch ist nur eine Anschrift auf dem Brief vorzufinden?
    3. die Rötelnotierung auf der Briefvorderseite links unten neben dem Vermerk "frei" - hat diese eine besondere Bedeutung? Für eine Gebühr erscheint sie mir zu klein?


    1) Die Grafen von Castell (es gab mehrere Linien) hatten in Preußen Güter, um die sich ein Verwalter = Administrator zu kümmern hatte. Er handelte dort also im Auftrag und Namen seines Grundherren.


    2) Oft waren Faltbriefe innen nur teilbeschriftet. Dann konnte man den verbleibenden Raum mit der Antwort füllen und gab den Brief - zum Beispiel mit einer Geldlieferung oder anderen Briefen in einem Paket - bei der Post auf und sandte es zurück.


    3. Vorne stand in Rötel, was der Absender bezahlt hatte: 1 Groschen. Siegelseitig könnte es 1/2 Groschen für die Zustellung nach Stradow sein.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Da lag meine Interpretation der Gebühren ja komplett daneben. Also 1 Sgr. Porto + 0,5 Sgr. Franko = Teilfrankobrief? Der Vermerk "frei" sollte diese These ja stützen.
    "Frei" steht doch eigentlich eher für einen reinen Frankobrief oder irre ich mich da? "1/2 frei" und ähnliche Notierungen hingegen für einen Teilfrankobrief.

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Hallo Don Stefano,


    wenn bei Preußen vorne unten links "frey" steht und einen kleine rote Zahl rechts daneben, dann ist das die Gebühr, die der Absender zahlte. Bei einem pr. Inlandsbrief kamen keine weiteren Gebühren in Ansatz.


    Siegelseitig hat man 1/2 Groschen für die Zustellung notiert. Der Terminus "Teilfrankobrief" bezieht sich im allgemeinen auf Briefe, deren Postgebühren mehreren Ländern zufloß und deren Höhe vorauszuzahlen dem Absender mißfiel. Daher frankierte er nur bis an die oder eine Postgrenze und überließ die restlichen Gebühren dem Empfänger.


    Was ich gelernt habe durch unsere lieben Preußen, ist die Möglichkeit des Absenders, auch die Bestellung am Zielort zu bezahlen ("frei mit Bestellgeld"), insofern hast du mit dem Terminus Teilfranko nicht völlig unrecht, aber üblich ist es zu unterscheiden zwischen dem Postporto (Franko) und der Zustellgebühr, auch wenn die teils in dieselbe Kasse flossen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Also handelt es sich genaugenommen um einen Portobrief mit zusätzlicher Zahlung der Zustellung des Briefes zum Empfänger seitens des Absenders (= "frei" ).

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Hallo Stefan


    die Entfernung Cottbus - Stradow (heutiger Name Tšadow) sind 18 km Luftlinie und damit etwa 2,5 Meilen. Dafür reichte der eine Silbergroschen als Franko aus. (Ab 01.10.1844 bis 5 Meilen)


    Die siegelseitige Notierung, ( sofern diese wirklich 1/2 ist ), entsprach dem Orts-Bestellgeld, welches dann aber vom Empfänger bezahlt wurde.
    Wie bayern klassisch schon schrieb, war es möglich, dass Bestellgeld vom Absender mit zu bezahlen. Dies wäre als Weiterfranco zu notieren gewesen sein und stand auch der ausgebenden Postanstalt zu. Dies hat jedoch nichts mit Teilfranco zu tun.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Ach, ich habe da was durcheinander gebracht. Ich bin ganz verwirrt, da ich davon ausgegangen bin, dass Frankobeträge immer hinten auf den Brief geschrieben werden. Wieso steht die Frankogebühr hier vorne?
    Also:


    Frankobrief 1 Sgr. vom Absender im Voraus gezahlt - evtl. 0,5 Sgr. Ortsbestellgeld, vom Empfänger gezahlt.

    Beste Grüße,
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Stefan,


    siehe Helbig, Vorphilatelie Bd. 1 , S. 47
    Dort hast einen preußischen Frankobrief - dass in dem Beispiel eine Marke verwendet wurde, ist für den grundsätzlichen Sachverhalt irrelevant.
    Entscheidend ist die Existenz eines Franko- oder Teilfranko-Vermerks (Regel 2 des Büchleins).


    In Preußen wurden die Franko-Zahlen häufig neben dem Franko-Vermerk geschrieben, während Porto-Zahlen (meistens) deutlich größer mittig auf dem Brief notiert wurden.
    In dem preußischen Tax-Regulativ von 1825 mit Erläuterungen und Beispielen (für die Postbeamten!) steht:
    Alle Postgefälle und Gebühren, mit Ausschluß des Brief-Bestellgeldes, werden auf den Adressen und Scheinen in Silbergroschen notirt ...
    Also keine Vorgabe, die Rückseite zu benutzen.


    Und eine Bitte:

    Zitat

    war es möglich, dass Bestellgeld vom Absender mit zu bezahlen. Dies wäre als Weiterfranco zu notieren

    Auch ein vorausbezahltes Bestellgeld bitte nicht als Weiterfranko bezeichnen.
    Achim Helbig definiert es in seinem Buch als bezahlten Gebührenanteil, der einer fremden Postanstalt zusteht. Und so ist auch der allgemeine Sprachgebrauch.
    Dass das Bestellgeld einem anderen Postamt zusteht, ist ein anderer Sachverhalt.


    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Michael,


    ich habe Band 1 dieser Reihe bis auf die beiden Kapitel "Das Teilfranko in der Markenzeit" sowie "Weiterfranko in der Markenzeit" komplett gelesen. Sollte es mir also doch noch zum Verhängnis werden, die beiden Kapitel übersprungen zu haben, auf Grund der Annahme, dass ich derzeit keine Markenbriefe beim Aufbau meiner Sammlung beachte. :D Dennoch scheinen die Kapitel wohl auch für Briefe ohne Marken aus der Vormarkenzeit relevant zu sein, ich werde sie mir beide zu Gemüte führen. Vielen Dank für den Hinweis und die Erklärung! :thumbup:

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Folgender Brief lief 1816 vom Kemberg, welches 1815 vom Kgr. Sachsen zu Preußen kam, nach Schmiedeberg (heutiges Bad Schmiedeberg), das ab 1815 zur preußischen Provinz Sachsen gehörte. 11 km Luftlinie.


    Der Brief trägt u.l. den Frankovermerk "Frei", jedoch kann ich keine Gebühr auf dem Brief erkennen - oder handelt es sich bei dem Vermerk in roter Tinte o.l. um eine postalische Gebühr?
    Siegelseitig ist nichts notiert.


    Des Weiteren fehlt ein Aufgabestempel. Wie ist dies zu erklären?


    Transliteration:


    "Sr. Hochwohlehrwürden
    Des Herrn Pastor
    M. Rosenhahn
    in Schmiedeberg


    P. P.
    (Anmerkung - P.P. = praemissis praemittendis, man nehme an der gebührende Titel sei vorausgeschickt)


    Auf unserm Convent soll und wird es nach meinen Wünschen ganz friedlich u. einig zugehen, wenn wir nur selbst diesem Zweck durch Bildung von Partheien, die es gegenwärtig nicht giebt, ______________________. Ich werde nur kurze Übersicht der Gesetze geben, dann diejenigen ______ ausheben (?), die einer Verbesserung bedürfen, Vorschläge dazu thun, die Meinung
    der Mitglieder füren (?) u. den Beschluss protocolliren. Letzteres muss ich schon selbst thun, da mir die Legg. (?) solches ausdrücklich zur __ machen.
    Und so denke ich wird alles in Güte abgehen (?) werden u. wir wollen, anstatt zu hadern (?) und uns zu ärgern, einen vergnügten Tag haben, da ich für eine anständige und gute (?) Beköstigung,
    wobey es nicht an Wein (?) gebrechen soll, sorgen werde.
    Gleichmal (?) wird es uns sehr lieb seyn, wenn Sie (?) den Tag vorher bey uns eintreffen und es sich eine Nacht bey uns gefallen (?) lassen wollen. Wir bitten darum hier nach und haben das
    Zutrauen zu Ihnen u. Ihrer bekannten ________, dass Sie unsre Bitte nicht vergeblich seyn lassen werden.
    Hochachungsvoll
    ______


    Kemberg
    am 11 M / Novemb.
    1816


    ergebenster
    ________"

  • Hallo Don Stefano,


    eigentlich sollte neben dem Franko - Vermerk die bezahlte Gebühr stehen. Hier lese ich ? Pfennige oben links. Die Zahl ist für mich nicht lesbar. Demnach sollte das das Franko darstellen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Danke für die Antworten. Wann wurden denn Aufgabestempel in Preußen eingeführt? Während der französischen Besetzung einige Jahre zuvor gab es doch auch schon solche.


    Ich lese o.r. eine 3, demnach 3 Pfennige. Wobei das nicht mit 1 Ggr. übereinstimmen würde.. ?(

    Beste Grüße,
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Stefan,


    dieser moderne Kram aus der Besatzungszeit wurde nach Ende derselbigen erst mal wieder flugs abgeschafft (bzw. in die Schublade gelegt). ;)
    Aufgabestempel gab es in Preußen ab 1817 bei den Postämtern und ab 1825 bei den Postexpeditionen.


    Ich lese da auch eine 3, vielleicht lagen beide Orte im Zustellbereich eines Postamtes und es galt hierfür eine ermäßigte Taxe. Aus dieser Zeit habe ich nur Portotabellen für die Reitpostkurse, die die größeren Orte miteinander verbanden.
    12 gute Pfennige waren ein guter Groschen.


    Gruß
    Michael

  • Danke vielmals! :) Ich muss mich unbedingt mal in das mir vorliegende Heftchen "Zusammenstellung der Preussischen Poststempel nach Form und Zeitfolge" einarbeiten. Vor lauter neuen Briefen komme ich ja kaum dazu.. :D

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Wenn du dir den Feuser (alt oder neu) zulegst, wirst du das geschriebene anhand vieler Daten leicht nachvollziehen können.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Feuser Band 1 + 2 besitze ich bereits und nutze ich vor allem für das Nachschlagen der Währungen oder der Schreibweise von Taxzahlen.
    Dennoch wäre ein erneutes Lesen der beiden Bände sicher sinnvoll, das stimmt.


    //EDIT: Ich meinte natürlich Helbig Band 1+2. Den Feuser habe ich jedoch auch und verwende ich stets zur Stempelrecherche.

    Beste Grüße,
    Stefan

    Einmal editiert, zuletzt von Don Stefano ()

  • Hallo Don Stefano


    ich habe einen Link des Briefes an einen Wittenberg-Sammler gesendet. Soweit ich mich erinnere, hatten Kemberg und Schmiedeberg was mit Wittenberg zu tun.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf