Bayern - Deutsche Besetzungen 1914/18

  • Hallo Sammlerfreunde,


    folgender aussergewöhnlicher und alles andere als häufiger Beleg liegt mir vor:


    Einschreibebrief portorichtig zum Inlandstarif (!) von München vom 26. Dezember 1914 in das deutsch-besetzte Flandern nach Gent. Dort angekommen am 1. Januar 1915. Der Brief musste zwar frankiert werden, weil es sich um keinen offiziellen/amtlichen Absender handelte, da er jedoch an die Zivilverwaltung in Gent gerichtet war, blieb ihm die Zensur erspart. Briefe an offizielle zivile oder militärische Dienststellen blieben i.d.R. unzensensiert. Das genaue Datum, von wann bis wann Briefverkehr in die Etappe West möglich war, muss ich noch eruieren.


    Übrigens der erste und einzige, den ich in den letzten Jahrzehnten IN die Etappe gesehen habe. AUS der Etappe sieht man die Belege häufiger, i.d.R. dann mit den sogenannten Bankzensuren.


    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

  • Hallo Sammlerfreunde,


    interessante Belege gibt es natürlich auch aus den oder in die besetzten Gebieten im Osten:


    Eilbotenbrief in der 1. Gewichtsstufe von Lodz vom 3. Mai 1915 über die Postüberwachungsstelle in Posen nach Lindenberg im Allgäu. Das Porto (10 Pfg. Brief + 25 Pfg. Eilgebühr) dankenswerterweise dargestellt mit 7x5 Pfg. Germania/Russisch Polen.


    Der zweite Beleg ist schon ein bisschen "aufregender":
    Fernbrief in der 1. Gewichtsstufe von Lindau nach Warschau vom 5. Dezember 1916. Der Brief durchlief zunächst anstandslos die Zensurstelle in Lindau - "Freigegeben ! Mil. Überwachungsstelle Lindau i.B.".
    Dennoch wurde er dann nochmals in Posen von der Zensur bearbeitet. Hier wiederrum wurde der Brief beanstandet und erhielt einen Zurück-Vermerk - "Zurück ! Nur offen und in deutscher Sprache zulässig".
    Ein weiterer Stempel "Aus militärischen Gründen verzögert" wurde vermutlich ebenfalls in Posen angebracht. Der Sinn erschließt sich mir jedoch derzeit noch nicht. Natürlich können "militärische Gründe" vielfältig sein, jedoch habe ich den Stempel bis dato immer nur in Zusammenhang mit konkreten Ereignissen (z.B. eigene oder gegnerische Offensiven) gesehen. Vielleicht hat ja jemand aus der Leserschaft eine Idee.


    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

  • ...und dann war da noch der...


    5 Pfg. Ganzsachen-Antwortteil der Deutschen Besetzung Polen portorichtig (seit 1.8.16) auffrankiert von Lindau (Bodensee) am 27.9.1916 über Zensurstelle Posen retour nach Warschau. In Warschau ausserdem noch frankiert mit einer 6 Gr. Stadtpostmarke. Dabei handelt es sich um eine Gebühr, die vom Empfänger für die Zustellung innerhalb Warschau zu bezahlen war.
    Derartige Kombinationen hatte ich noch nicht viele in der Hand.


    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

  • Hallo Schorsch,


    das muss mal gesagt werden: Ganz großes Kino, grandiose Beschreibungen ! Der "Schikanesebeleg" nach Warschau (post2) ist so ziemlich genau das, was das Sammlerherz begehrt. ^^


    Das mit dem "Aus militärischen Gründen verzögert" liegt m.E. in der Regel daran, dass die in Richtung Front rollenden Nachschubtransporte "Vorfahrt" hatten.


    Immerhin hatten die Mittelmächte im Dezember 1916 gerade erst drei, seit Juni 1916 aufeinander folgende russische Offensiven abzuwehren gehabt (erste, zweite, dritte Brussilow-Offensive).


    Greetz !


    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Sammlerfreunde,


    einen hab' ich noch:


    Paketkarte von Kirchenlamitz für ein 5kg-Paket vom 25. November 1916 nach Lodz im besetzten Polen. Das Paket lief laut rs. Stempeln über Hof (25.11.) und die Bahnpost Hof-Leipzig (26.11.) nach Skalmierzyce (26.11.). Dies war nach meinen Informationen das Austauschpostamt für Paketsendungen ins besetzte Polen. Dort wurde das Paket verzollt - Gebühr hierfür 2o Pfg., vom Empfänger zu tragen. Der etwas unleserliche Stempel unter dem Verzollungszettel ist das Dienstsiegel des "Nebenzollamt Neu-Skalmierschütz" (= dt. Bez. 1908-1920 f. Skalmierzyce).
    Anschließend lief das Paket weiter nach Lodz. (30.11.) Dort wurde durch die Pressestelle des General Gouvernements der Inhalt des Paketes überprüft, freigegeben und am 1.12.1916 gegen eine weitere Gebühr in Höhe von 10 Pfg. an den Empfänger ausgehändigt.
    Mir ist derzeit keine weitere bayerische Paketkarte mit frankierter Aushändigungsgebühr der deutschen Besetzung Polen bekannt. Viel Spass beim Betrachten.


    Beste Grüße
    Postgeschichte-kemser

  • Hallo Schorsch,


    eine echte Bombe - noch nie gesehen und verdammt schön obendrein. Gib zu, die hast du in einem vorherigen Leben selbst gebastelt. :thumbup:


    Danke fürs zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ralph,

    Zitat

    Gib zu, die hast du in einem vorherigen Leben selbst gebastelt.

    nein - vor einigen Jahren nur den Katalog einer Münchener Auktionsfirma genau gelesen und die hatten die Rückseite dankenswerterweise weder erwähnt noch abgebildet. :D
    Auch der nachfolgende Beleg stammt nicht aus meinem früheren Leben sondern entsprang reinstem Firmenbedarf:


    30 Pfg.-Wert der zweiten Ausgabe portorichtig auf eingeschriebenen Geschäftspapieren von Warschau am 9. April 1918, auch wieder über die Zensurstelle Posen, an die Münchener Rück in - natürlich München.
    Das Porto setzt sich zusammen aus 10 Pfg. für Geschäftspapiere bis 250gr und 20 Pfg. Einschreibegebühr. Eine der ganz wenigen möglichen Verwendungen des 30 Pfg-Wertes als Einzelfrankatur. Bedarfsbelege sind nicht häufig - die vorliegende Portostufe "handverlesen".


    Beste Grüße
    Postgeschichte-kemser

  • Hallo Schorsch,


    heute verwöhnst du das Forum aber mit einem Zuckerle nach dem anderen - supi!


    Frage vom Laien: Waren diese Belege mit Geschäftspapieren nicht offen aufzuliefern?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ralph,


    man tut, was man kann... :D


    Zu Deiner Frage: Du hast Recht - das hat aber alle Brief-Sendungen betroffen, wie Du an dem Brief im Post #2 erkennen kannst: "Nur offen und....zulässig". Dass es davon auch Abweichungen gab, ist an den vielen Belegen mit Verschlusszetteln der Postüberwachungsstellen zu sehen. Dies rührt daher, dass man sich entweder die Arbeit der Rückgabe an den Absender ersparen wollte - oder der Brief am Empfangsort nochmals "unter die Lupe" genommen wurde. Aber Du weißt ja - keine Regel ohne Ausnahme. ;)


    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

  • Hallo Schorsch,


    danke für die Antwort - ich wollte nur auf die Spezifika der Versendungsform eingehen, nicht auf die spätere Behandlung durch die Zensurstellen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.