• Liebe Sammlerfreunde,


    ein spezielles Hobby von mir sind Overland-Briefe über Triest vor 1850. Hin und wieder kann es einem damit ganz schön fad werden, weil man halt nur wenig findet. Dafür ist die Freude umso größer, wenn einem einmal ein wirklich edles Stück in die Hände fällt.


    So geschehen bei diesem Brief aus dem schönen Casendorf. Auch wenn es sich um die Beförderung mittels Forwarder handelt, kann er doch ein bissl was.
    Aufgegeben wurde er 1846 als Portobrief, erhielt aber keinen Postvertragsstempel! Dafür wurde er mit 14 Kr rh angeschrieben (!?) und "frei Grenze" vermerkt! Die Österreicher ignorierten dies selbstverständlich und verlangten die vollen 12 KrCM + 24 KrCM für den Lloyd Austriaco bis Alexandrien (Bruch 12/24).
    Bezahlt hat diese 36 KrCM die Firma Todd & Comp in Alexandrien, wo dankenswerter Weise auch der österreichische Zweizeiler draufgekommen ist.
    Die Todds schickten den Brief mit der britischen Post weiter an Edmond & Co in Bombay. Dafür waren am Empfangsort die üblichen 1 Shilling zu berappen.


    Vielleicht kann mir jemand von euch die ominösen durchgestrichenen 14 erklären?


    Mit Dank und Gruß
    Ö-transit

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ö-Transit


    Ein wunderschöner Brief. Danke fürs Zeigen :thumbup: :thumbup:


    Die überstrichene 14 ist vielleicht falsch ausgerechnete Porto von Casendorf nach österreichische Grenze der bei diese Briefe wohl Salzburg war. Der Postbeamter hat vielleicht nicht herausgefunden wohin der Brief gerichtet war und sicherheitshalber den Porto für Bayern vermerkt. Es ist aber ein reiner Spekulation (etwas muss man ja schreiben :) ).


    Viele Grüsse
    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ö-Transit,


    da hast Du ein sehr schönes Stücke gefunden! Ist der Brief vom 31.12.1846? Casendorf (heute Kasendorf) war eine Postexpedition mit bewegter Geschichte: 1810 errichtet, 1811 bereits nach Thurnau verlegt, dann 1834 wieder eröffnet und 1847 erneut nach Thurnau verlegt. Erst am 1.3.1878 wurde dann endgültig dort eine Postexpedition errichtet.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • Lieber Ö-Transit,


    wenn du den mal weg werfen möchtest, fahre ich mit meinem Mülleimer zu dir nach Hause. :D


    Die 14x hat der Casendorfer Expeditor, der in Auslandsbriefen sicher nur ein geringe, fachliche Tiefe erreicht haben dürfte, für einen einfachen Brief über 36 - 42 Meilen (bis Salzburg) taxiert.
    Die segensreiche Wirkung des bilateralten Postvertrages mit Österreich vom 1.10.1842 war offenbar spurlos an ihm vorüber gegangen.


    Österreich hat die Forderung in der Briefkarte und auf dem Brief korrekt abgestrichen und auch sonst alles richtig gemacht (wenn ich mir die Stempelqualität ansehe).


    Die Weiterleitung nach Indien gibt dem ohnehin schon phantastischen Brief noch den letzten Kick, dessen es aber gar nicht bedurft hätte. Wow! Wenn den @kibiz sieht, schläft der diese Nacht nicht mehr ...


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Kibitz,


    ja, er ist ex Wolfsbauer. Habe ihn über Umwege in meine Sammlung bekommen.


    Leider kann ich mit Bayern-Indien nicht mehr glänzen. Es scheint mir, dass die Bayern nicht so viel nach Indien geschrieben haben ;)


    Aber da hätte ich einen, der vielleicht auch ganz interessant ist:


    1849 in Dresden geschrieben sollte er ursprünglich via England gehen. Auch Marseille war für den Absender denkbar. Aber offenbar bestand man seitens der Dresdener Post auf den Weg über Triest (dem Postmeister bin ich heute noch dankbar dafür!).
    Über Wien-Graz-Laibach ging er nach Triest und wurde mit dem Lloyd nach Alexandrien verschifft. Wie schon gewohnt mit 36 Kr (12+24) taxiert, wurde er in Alexandrien vom österr. Postamt in Empfang genommen und vertragsgemäß dem englischen Postamt Alexandria übergeben. Von da lief er dann mit britischen Schiffen weiter nach Calcutta. Der rückseitige Taxstempel zeigt, dass für den Brief 8 Anna kassiert wurden.


    Interessant ist der rückseitige Bruch 12/18, das Tinten-X und der Vermerk PP, denn das sächsische Franko wurde von Österreich ganz eindeutig nicht anerkannt.


    Liebe Grüße
    Ö-Transit

  • Lieber Ö-Transit,


    ein herrlicher Brief und mit dieser Beschreibung ein Objekt der Begierde jedes PO - Sammlers. :P


    Leider kann ich die 8 Annas nicht finden ...


    Danke fürs zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber bayern klassisch,


    die 8 Annas sind im Taxstempel hinter dem britischen Alexandria versteckt. Sie sind handschriftlich angebracht und wie immer bei diesen Briefen sehr schlecht lesbar.


    Auf diesem Brief, der ein Gegenstück zu dem von Kibitz ist, sieht man den Stempel besser. Hier sind die 8 Annas Transit und dazu noch 1 Anna Inland notiert Der Stempel ist hier neben und nicht über dem Alexandria angebracht.
    Sonst alles wie gehabt: Der Absender zahlt bis Alexandria 12+24 KrCM, dann geht er vom österr. ans britische Postamt usw.


    Liebe Grüße, Ö-Transit


    PS: Für unsere Social Philately: Die Clarks waren Waffen- und Munitionsfabrikanten in DumDum/Calcutta. Der Filius war als Agent in ganz Europa unterwegs und schrieb brav nach Hause bzw. erhielt Briefe aus Calcutta (wir kennen dzt 4 Stück). Und noch was: Die DumDum-Geschosse haben ihren Namen von dort!

  • Lieber Ö-Transit,


    vielen Dank für den Ortungshinweis zu den 8 Annas - die sind aber schon sehr versteckt notiert worden. ^^


    Das sind tolle Briefe und die Sophie dahinter ist auch sehr beeindruckend (wenn gleich ich mit Dum - Dum - Geschoßen bisher glücklicherweise noch keine Bekanntschaft haben machen müssen).


    Wenn möglich bitte viele weitere Briefe dieser Art zeigen, denn man lernt gerne dazu und damit nie aus.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ö-Transit,


    könntest du die Rückseite des Briefes aus Dresden etwas "größer" und gefaltet einstellen?
    Die 8 Anna waren das "Red Sea" Postage bis zu einer 1/2oz.
    Aber mit der 4 und dem Strich davor (unter dem Alex. Stempel) kann ich nichts anfangen.


    Hezekiah Clark, ich bin mir unsicher ob er ein Waffenfabrikant war.
    Bisher dachte ich er gehörte zum Medical Staff der Bengal Army.


    H.C. hat übrigens ein Buch über seinen Besuch 1854 in Kashmir geschrieben.


    Beste Grüße


    kibitz

  • Hallo Kibitz,


    also meinen Recherchen nach handelte es sich um genau die Firma, die die Armee belieferte... Mit regen geschäftlichen Kontakten in ganz Europa. Daher haben wir ja auch diese schönen Briefe (s.Scan), die du ja auch kennst.


    Die Beschreibung dieses Briefes würde aber jetzt zu lange dauern, die liefere ich sicher noch nach. Ebenso den Detailscan des Dresden-Briefes.
    Jetzt habe ich es leider eilig - ich hab ja auch noch einen Hauptberuf und das Büro höre ich schon rufen 8)


    bayern klassisch: Danke für die Komplimente. Also "viele weitere Briefe".... ja, das würde ich gern. Langsam geht aber auch mein Vorrat zur Neige. Vor 1850 waren wie gesagt die Kontakte zwischen Mitteleuropa und Indien nicht gerade intensiv. Leider!



    Ganz herzlich, Ö-Transit

  • Lieber Ö-Transit,


    wir warten gerne - bei dem Material. :P:P:P


    WAB = Wiener Abzugs Brief - ja, den hätte ich auch gerne mal gezeigt. Wunderbar!


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo Kibitz,


    interessant... da muss ich jetzt wirklich nachfragen. Ich hab die Waffengeschichte von einem sehr guten Freund, der an sich keine Märchen erzählt, auch wenn er aus der Levante stammt... Oder vielleicht doch?


    Bin gespannt, was er sagt, wenn ich ihm deinen Brief maile :D


    Melde mich, sobald ich eine Rückmeldung bekomme.


    Liebe Grüße
    Ö-Transit

  • Hallo Kibitz,


    so, die Antworten sind hier: Die Quelle dieses - wie sich nun endgültig herausstellt - Missverständnisses war die Beschreibung in einem Exponat, in dem diese Geschichte von der Waffenfabrik drinstand. Mein lieber Freund quittierte mein Mail mit den Briefhinweisen lapidar: If it is not true, it´s a good story anyway...


    Naja, die Wahrheit ist, dass James Fenn Clark, geb. 1823 in Calcutta und hoch betagt 1910 verstorben genauso wie sein Vater Hezekiah Chirurg war. Dankenswerter Weise schien er sich im zarten Alter von 24 Jahren in Europa weiterzubilden und pflegte einen regen Schriftverkehr.


    Was den gezeigten Brief betrifft, versuche ich einmal eine Erklärung - mit Dank im Voraus für weitere Ergänzungen:
    Der Brief lief von Calcutta zunächst nach Suez. Von dort mittels der Egyptian Transit Company (blauer Ovalstempel) nach Atfeh am Nil und dann am Nil bis zum Mahmoudieh-Kanal, über den er nach Alexandria schipperte, wo er der französischen Post übergeben wurde.
    Mittels "Paquebots de la Mediteraranee" gelangte der Brief nach Marseille und lief über Paris im geschlossenen Transit nach Wien. Dort war der gute Clark aber längst Richtung Frankfurt abgereist. Wien musste also die geforderten 55 Kreuzer (43 KrCM entspr. Vertrag von 1844 für den Schiffstransport + alle anderen Transite + 12 KrCM österr. Inland) abschreiben. Daher stempelte Wien "WAB" = Wiener Abzugsbrief.


    Gemäß dem Vertrag von 1844 mit T+T rechnete Wien großzügig um auf 1 fl 11 Kr rh. und addierte 18 Kr.rh. für den Transport Wien-Ffm. Die Summe von 1 fl 29 wurde nochmals unterstrichen und mit dem Wort "Reclamee" bekräftigt.


    Dass Herr Clark sen. sorgfältig auf all seinen Briefen vermerkte "per Waghorn Agency" ist nett, dürfte aber zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr funktioniert haben, da 1847 Waghorn nicht mehr aktiv war.


    Was der Vermerk "Wien 125" mit grüner Tinte bedeutet, hat sich mir bislang nicht erschlossen. Gebühr kann es keine sein, da 125 Kr viel zu hoch wären. Ein französischer Vermerk ist ebenfalls auszuschließen, da man dort nie "Wien" geschrieben hätte. Am ehesten scheint mir eine Registrierung zu sein, die mit dem Abzugsbrief in Zusammenhang steht.


    Zur Erinnerung lege ich den Brief nochmals bei.


    Liebe Grüße
    Ö-Transit

  • Lieber Ö-Transit,


    ein tolles Stück - ich könnte mir vorstellen, dass Wien 125 eine Nummer war, die vor Ort für Briefe gezogen wurde, die nicht sofort zugestellt werden konnten, die aber auch nicht poste restante gestellt waren, also gewissermaßen eine Nummer, unter der man auf Nachfrage den weiteren Weg von Briefen feststellen konnte, die nicht am Ort verblieben waren und deren Porto auch nicht berichtigt werden konnte.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ö-Transit,


    1847 war Waghorn noch aktiv (oder eine Firma mit seinem Namen).
    Er hat Pakete usw. befördert, allerdings keine Briefpost.
    Da ich keine Briefe mit den Egyptian Transit Company ... Stempeln kenne die in Indien zur Post gegeben wurden
    vermute ich einen Postbetrug von Waghorn und oder seinem Agenten oder ..... .
    Ich habe einen Brief von 1848 aus Bombay in dem von einem, von der Waghorn Agency beförderten, Katalog die Rede ist.
    Ab 1847/8 war es wohl Wheatley der die Geschäfte übernommen hat.


    Mich würden die Rückseiten deiner Briefe interessieren.


    Beste Grüße


    kibitz

  • Hallo,


    bayern klassisch: ja, das vermute ich auch. Sonst fällt mir dazu keine Interpretation ein.


    kibitz: Das ist der 3. Brief dieser Art, den ich kenne. Einer geht über Malta und Livorno, einer über Triest mit einem sensationellen "lloyd Alexandria"-Agenturstempel. Alle haben den ovalen Egyptian-transit-company-Stempel und den Vermerk "Waghorn Agency" und alle sind aus derselben Clark-Korrespondenz. Vielleicht hat ihn ja doch ein Waghorn-Agent unter seine Fittiche genommen? Jedenfalls sind alle diese Briefe nummeriert. Die höchste bekannte Nummer ist 7. Ergo: Irgendwo müssten noch 4 ähnliche Briefe liegen - ein Fall für den Detektiv ;)


    Liebe Grüße
    Ö-Transit