Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • ...manchmal schon etwas merkwürdig, wie sich hier so die Diskussionen entwickeln. Zu dem w.o. befürchteten Sachverhalt folgender gesetzeshistorischer Sachverhalt:

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    1851 enthielt der § 143 des preußischen Gesetzbuches bereits einen Tatbestand, der über das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes von 1870 letztendlich mit dem § 175 in das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 Eingang fand, bis 1935 Gültigkeit behielt und danach mit einem § 175a und b noch weiter verschärft wurde. Der § 175 lautete:

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    „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts (...) begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“

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    + Gruß!

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    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,


    ich zeige ein Kuvert (leer) des Festungscommandos in Ingolstadt vom 13.12.1870 eines französischen Kriegsgefangenen an die Adresse:


    "Monsieur Duprat Capitaine adjudant-major du 23. d´Infanterie prisonnier de guerre Brême Prusse"


    Der Brief war also nach Bremen gerichtet, zwei eine Hansestadt, aber Preussen als Hinweis konnte man auch noch verstehen.


    Im Netz habe ich (natürlich wieder) nichts zu franz. Kriegsgefangenen in Bremen gefunden.


    Der Brief wurde portofrei befördert und kam am 15.12.1870 dort an, konnte jedoch nicht zugestellt werden. Siegelseitig lesen wir: "Addressat befindet sich nicht in Bremen. Unterschrift ??? Adjutant".


    Er wurde dann wieder seinem Absender in Ingolstadt retourniert. Vorne ergänzte man: "Retour 17/12 W.". Am 19.12.1870 kam er in Ingolstadt wieder an. Da hat die Suche wohl etwas gedauert in dem Kriegs - Chaos.


    Kriegsgefangenenbriefe unter sich, die retour liefen, kenne ich von Bayern sonst keinen weiteren, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

  • Liebe Freunde,


    schöner, aber vlt. nicht ganz so interessant und selten, ist dieses Damenkuvert (Frauen kämpften aber wohl eher nicht damals) an "Monsieur Foatelli 1ere Commis D´Economat au Lyeée Imp. de Bourges Cher" von Dillingen nach Frankreich, bei dem der Absender (siegelseitig genannt) am 29.12.1870 natürlich wußte, dass seine Post über "Suisse" nach "France" geleitet werden würde, also über die Schweiz nach Frankreich.


    Offen aufgeliefert, klebte die bayerische Kommandantschaft dort den Brief zu und versah ihn mit ihrem Dienstsiegel. Über die Bahnpost Bayerns, Württembergs und Badens lief er quer durch die Schweiz und wurde mit dem Bahnpoststempel "SUISSE - AMB - M-CENIS B" am 2.1.1871 versehen nach Bourges geleitet, wo er am 6.1.1871 (!!) eintraf.


    Mit der Farbkombination blau, orange und schwarz macht er mir viel Spaß.

  • Über die Bahnpost Bayerns, Württembergs und Badens lief er quer durch die Schweiz und wurde mit dem Bahnpoststempel "SUISSE - AMB - M-CENIS B" am 2.1.1871 versehen nach Bourges geleitet, wo er am 6.1.1871 (!!) eintraf.




    Lieber Bayern Klassisch,


    nur kurz aus dem Büro/Mittagspause: allerbeste Gratulation zu den beiden Bomben, die das von Dir so gut illustrierte Thema der Leitungen im 1870/71 Krieg ideal abrunden. :thumbup:


    Die Beförderungszeit für den Postweg ist schon besonders beachtlich, oder :):)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social




    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo zusammen,
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    was an den beiden Belegen doch recht gut deutlich wird, ist die breite Verteilung der kriegsgefangenen französischen Soldaten, weit weit hinter den Fronten. Immerhin wurden davon während des Krieges 374.995 auf deutschen Boden verbracht, 13.349 davon verstarben in Lazretten. Wie an der nachstehende Quelle ersichtlich wird, ließ sich das wohl auch am Aufgabeort des Belegs aus Dillingen / Donau nicht vermeiden.

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    Habe jetzt ad hoc keine Quelle über ein Kriegsgefangenenlager in Dillingen / Donau finden können, nur mit dem ersten link im Anhang, dass dort im November 1870 ein französischer Kriegsgefangener verstorben war. Die Gefangenen waren aber in der Regel in Garnisonsstädten untergebracht und bei Dilligen / Donau handelt sich sogar um eine der ältesten Garnisonsstädte Bayerns.

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    Für die Unterkunft diente zunächst die Hofstallkaserne, seit 1722 die heutige Alte Kaserne. Nach der Übergabe an Bayern rückte 1810 ein Chevauleger-Regiment in Dillingen ein; dem folgte der Bau zweier Kasernen im 19. Jahrhundert, zunächst mit der Ludwigskaserne (1839 - 1844) später noch - weit nach dem Krieg 70/71 - die Luitpoldkaserne (1898 - 1899).

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    Was mich etwas verwundert ist der fehlende Vermerk, dass es sich bei dem Absender um einen Kriegsgefangenen handelt, denn wir kennen ja Belege, bei denen wegen dem Fehlen dieses Vermerks sogar französischerseits ein Nachporto erhoben worden ist. Auch der Absendevermerk auf der Rückseite lässt da schwer drauf schließen, am stärksten noch das Siegel vom Landwehr-Bezirkskommando.

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    Das alles hat man in Bourges im Department Cher wohl nicht so eng gesehen, was ja eigentlich auch nur mehr recht als schlecht gewesen ist. Auch mit dem Vermerk France - Suisse ist zwar eine sehr eigene, aber interessante Art eines Leitvermerks für diesen Vermittlungsweg über neutralen Boden angebracht, der mit dem dann eindeutig passenden Bahnpoststempel ja nicht schöner hätte bestätigt werden können.

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    Viele Grüße

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    vom Pälzer

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    PS: lycée impérial à Bourges / département cher

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    verwendete Quellen:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer ()

  • Liebe Freunde,


    vielen Dank für die wohlwollende Kommentierung bzw. die Angabe von Daten zu den franz. KGF.


    Vlt. findet einer noch etwas zu einem Lager in Bremen - 1870/71 vlt., der ja alles dazu wissen sollte. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Ralph,


    zum Kriegsgefangenenbrief aus Ingolstadt 13. Dezember 1870 nach Bremen kann ich bestätigen, dass dort ein Gefangenen-
    lager bestand. In Bremerhaven befand sich ebenfalls im "Auswandererbüro" ein Lager.


    Die Nachweisung der Kriegsgefangenen-Depots vom 19. Februar 1871 ("Die Mobilmachung von 1870/71" Anlage 22 von
    G. Lehmann, Berlin 1905, E. S. Mittler u. Sohn) führt in Bremen die Anzahl von 2.123 Gefangenen auf.


    Bekannt ist mir ein Brief vom 31. März 1871, der in Bremen-Bahnhof aufgegeben wurde und nach Nantes lief. In
    umgekehrter Richtung ein Brief vom 17. Dezember 1870 aus Castelnaudary / Aude nach Bremen.


    Gruß


    1870/71

  • Lieber Rudolf,


    wer, außer dir, könnte solch wertvolle Informationen, die offenbar im Internet nicht zu finden sind, zu meinem guten Stück sonst beitragen? Eine rhetorische Frage ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Emmanuel,


    vielen Dank - schaue ich mir gleich an . :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Emmanuel,


    der 1. Link zeigt bei mir nichts, aber die beiden anderen schon, vielen Dank dafür!


    Liebe Freunde,


    ich bin mir hinsichtlich der Thematik bei diesem Brief nicht sicher, ob er wirklich etwas mit dem Krieg 1870/71 und seinen (Um-)Leitungen zu tun hat, schreibe aber mal das ab, was bei dem Stück als Beschreibung dabei war:


    1871: Indien - Ägypten - Italien - Österreich - Bayern - Württemberg - Baden - NDP - Belgien - England:


    Das G.P.O. (General - Post - Office) in London verfügte am 19.10.1870 wegen der Sprengung der Eisenbahnbrücke bei Creil (Frankreich) die Benutzung der Brindisi - Route mit Weitertransport der Post über den Brenner - Paß, anstatt der Leitung über Frankreich bis Marseille.


    Hier: Simla (Indien) 18.9.1871, Bombay 19.9., dann über Aden nach Suez am 4.10., mit der ägyptischen Eisenbahn bis Alexandria am 7.10 und per Schiff nach Brindisi am 10.10.. Mit der italienischen Eisenbahn über Bologna, Padua, Verona nach Ala, Innsbruck, München, Ulm, Heidelberg, Mainz, Köln, Ostende, Dover nach London.


    Gesamtfranko: 8 Annas, davon 8 Pies (8 Pennies) = 24 Kreuzer für Indien.


    Italien erhielt 2 Annas je halbe Unze = 15g. Wie die Aufteilung des Rests war, entzieht sich meiner Kenntnis. Wer kann helfen und die Angaben verifizieren bzw. rektifizieren?

  • Hallo Sammlerfreunde,

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    auch wenn der Beleg anbei (...Inhalt unvollständig und ohne Ankunftsabschlag) weder postalisch (...Nomalbrief zu 10 C bis 15 gr mit Mi-Nr. 5 I) noch vom Inhalt her (...gläubige Christin schickt ihre Gebete für gläubige Empfängerin) viel hergibt: Er bietet gleichwohl Anlass einmal näher auf die Stimmung in den von den deutschen Truppen besetzten französischen Gebieten einzugehen, hier vom Aufgabeort Nancy / Lothringen.

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    Die Stadt sah sich nach den für Frankreich Anfang August 1870 ungünstig ausgegangenen Grenzschlachten recht schnell einer Besetzung durch deutsche Truppen ausgesetzt. Der im Unterelsass zweifach geschlagene Marschall Mac Mahon zog mit den Resten seines 1. Armeecorps vorbei an Nancy in das große Militärlager nach Chalons (südl. Reims) um sich neu zu formieren und der Bedrohung der Hauptstadt Paris entgegenzuwirken.


    Auch der Kommandeur des 5. franz. Armeekorps, General Failly, der es von seinem Festungsstandort Bitche aus versäumt hatte, den zuletzt in der Schlacht bei Woerth-Froeschviller unter Druck geratenen Mac Mahon und den von der Grenze bei Spicheren auf Metz zurückgedrängten General Frossard zu Hilfe zu eilen, rückte am 11. August mit seiner gesamten, nahezu unbehelligt gebliebenen Streitmacht durch Nancy Richtung Chalons ab. Die Stadt war somit der Übermacht des Gegeners ausgeliefert.

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    Die Enttäuschung darüber, dass auch Vogesenfestungen wie Marsal und Lützelstein (La Petit-Pierre) nahezu kampflos übergeben worden waren und dass jene in Bitche, da bedeutungslos geworden, einfach umgegangen und nur mit vergleichweise geringem Aufwand belagert werden konnte, war groß. Am 12. August um 3 Uhr nachmittags durchzogen dann die ersten preußischen Ulanen die für offen erklärte Stadt, mit dem Befehl die Eisenbahnlinie und Telegraphenleitungen nach Epinal zu zerstören.

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    Zuerst hatte man von Bürgermeister Welche 50.000 Francs Kriegscontribution und weitere 300.000 Francs aus der Staatskasse gefordert, reduzierte dies dann zwar auf 50.000 Francs, verlangte dafür zur Versorgung der eigenen Truppen jedoch 1,06 Mio Pfund Brot, 134.000 Pfund Hafer und 250.000 Liter Wein. Das von König Wilhelm I. am 13. August über die besetzten Gebiete ausgesprochene Kriegsrecht gestattete letztendlich nur Requisitionen für das, was von den Truppen nach eigens definierten Maßstäben benötigt wurde.


    Alternativ zur Naturalentschädigung kam auch eine Geldentschädigung von 2 Francs pro Soldat täglich in Betracht. Am 14. August passierten schon ca. 30.000 Preußen Nancy, am 17. August folgten dann bayerische Truppen. Der Bürgermeister hatte anschlagen lassen, sich gegenüber den feindlichen Truppen ruhig zu verhalten. Ähnlich wie im Fall Colmar warfen laute Pressestimmen der Stadt unzureichenden Widerstandswille vor.

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    Die Bewohner konnten aber nur machtlos der Masse von Kriegsgefangenen und Verwundeten zuschauen, welche nach den großen Schlachten bei Metz und Sedan auf der durch das Stadtgebiet führenden Eisenbahnlinie abtransportiert wurden. Erduldet werden musste auch das zwangsweise Einquartieren von Soldaten und das bisweilen schikanöse Gebaren der deutschen Besatzer.


    So ließ man bspw. durch Franktireurs durchschnittene Telegraphenleitungen oder auf Schienen gelegte Steine die Stadt jeweils 500 - 1.000 Franc Strafe kosten, Kaufleute die ihren Laden nicht öffneten, wurden mit 50 Franc Bußgeld täglich bedroht, wer es wagte die am 4. September von Gambetta ausgerufenen Dritte Republik mit der einhergehenden Regierung der nationalen Verteidigung zu bejubeln, landete im Gefängnis.


    „Fake-news“ hatten damals schon Hochkonjuktur: Kleine Scharmützel der in den Vogesen stark vertretenen Franktireurs wurden als große Feldzüge verkauft. Nach Verbreitung des Gerüchts, Marschall Bazaine - welcher ab 20. August mit der Rheinarmee (Armée du Rhin) in Metz eingeschlossen war - habe von Metz aus die 1. Deutsche Armee geschlagen, wurde schon ein umfallendes Weinfass als Kanonendonner der "Befreiungstruppen" gedeutet. Illusionen im Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Verzweiflung.

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    Unserem guten Erdinger ist zu verdanken, dass man aus den z.T. kaum leserlichen Fragmenten des Schreibens wenigstens noch ein bisschen Inhalt herausdeuten kann, dieser ist jedoch wenig repräsentativ für diese - im besetzten Frankreich schwere - Zeit. Ich habe gleichwohl für die Mühewaltung recht herzlichst zu danken.

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    Viele Grüße

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    vom Pälzer

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    verwendete Quelle:

  • Hallo Pälzer,


    danke fürs Mitnehmen in diese interessante, wenn auch brutale Zeit.


    Ich kann dem Brief viel abgewinnen - wäre er perfekt, brächte er nur halb so viel herüber an Historie.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde
    recht herzlichen Dank für das positive feedback, das motiviert für Weiteres.
    Viele Grüße !


    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,


    heute zeige ich einen Brief aus Landshut vom 27.9.1870 nach Doulevant (heute: Doulevant-le-Chateau), der für einfache Frankreichbriefe mit 12 Kreuzern korrekt frankiert wurde.


    Ab der Kriegserklärung vom 19.7.1870 mussten alle Briefe aus Bayern nach Frankreich, egal von woher genau, immer und ausschließlich der Hauptbriefpostexpedition München zugeleitet werden - dieser hier zeigt dieses Vorgehen in perfekter Weise, da er noch am selben Tag dort eintraf.


    Dort wurden alle Briefe Bayerns nach Frankreich täglich gebündelt und in einem Paket verschickt und über die Schweiz nach Paris geleitet, wo sie den Stempel "BAVIERE STRASBOURG 3", oder "BAVIERE FORBACH 3" von Paris erhielten.


    Dies galt jedoch nur bis zum 18.9.1870, weil am Folgetag Paris von deutschen Truppen eingeschlossen war und die Postleitung somit unterbrochen wurde. Folglich waren die Briefpakete von München ab dem 19.9.1870 über Basel und Pontarlier nach Dijon zu leiten, wo sie geöffnet wurden und die Briefe von hier aus weiter nach Frankreich geleitet wurden.


    Ab dem 7.11.1870 leitete man dergleichen Briefe übrigens über Basel, Genf und Lyon nach Dijon, womit mein Briefchen an Madame Berthelin, auf dem Schloß zu Doulevant residierend, ihren Brief in der Phase 2 erhielt, die vom 19.9.1870 bis zum 6.11.1870 währte und also nicht eben lang galt.


    Siegelseitig sehen wir den Ankunftsstempel von Doulevant vom 4.10.1870, so dass man getrost sagen kann, dass sich die Leitung in Frankreich sehr verzögert hatte, weil in Friedenszeiten ein solcher Brief bei den schnellen Franzosen maximal 3, eher nur 2 Tage bis dorthin benötigt hätte.


    Der Zielort lag im Niemandsland, weil die deutschen Truppen ihn und seine Umgebung nicht abdeckten und die französische Post dort noch funktionierte.


    Für mich sind alle Briefe Bayerns (oder über Bayern, noch seltener) in das Frankreich der Kriegsmonate Juli 1870ff immer sehr spannend und ich danke dem lieben Rudolf ( 1870/71) für seine präzisen Laufwegsangaben. :)