Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Liebe Freunde,


    Aufgabescheine aus dem 70/71er Krieg kann man mit etwas Glück, und vorausgesetzt man kann lesen, günstig erwerben.


    Das Beste an meiner Seite sind die wertvollen Informationen, die den Beleg zum Leben erwecken!


    Anhängend ein württembergischer Schein zu einem Wertbrief über 5 Gulden. Schaut euch mal genau die Rückseite an und äußert euch dazu. Aufgabescheine der Norddeutschen sind mir ebenfalls bekannt.


    Besten Gruß


    1870/71

  • Lieber Rudolf,


    am 21.12.1870 sandte man 5 Gulden als Weihnachtsgeschenk als Regierungs - Sache an die Front! Sehr nett von den Leuten.


    Die Quittung 2 Jahre später wurde von mehreren Männern unterschrieben - oder soll ich sagen quittiert?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Wie bereits angedroht hier der nächste Brief, der vor allem auch wegen seines Inhaltes interessant ist. Am 18.3.1871 schrieb der Bürgermeister von Urspringen als Vertreter des dortigen Armenpflegschaftsrathes an das Gräfl. Castell'sche Domainenamt in Remlingen. Der Brief wurde bei der Postablage Urspringen aufgegeben. Die Postaxpedition Rothenfels stempelte am 22.03. Aufgabe, die PE Marktheidenfeld am 21.03 Ankunft... einer der Expeditioren hatte seinen Stempel also nicht korrekt eingestellt, wahrscheinlich hatte man in Marktheidenfeld vergessen, das Datum weiterzustellen. Normalerweise würde man bei einem Brief des Armenpflegschaftsrathes die Franchise "Armensache" vermuten. Hier wurde allerdings "Militärgegenstand" notiert, was im Hinblick auf das Datum interessant ist.
    Gottseidank hat der Brief noch vollen Inhalt, der das Leid der damaligen Zeit ganz gut wiederspiegelt:


    "Urspringen, d 18ten März 1871


    Hochgräfliches Domainenamt!



    Durch hohe Verfügung Ihro Erlauchtesten Grafen und Herrn Herrn zu Castell und Rüdenhausen vom 4ten l. Mts. wurden der Armen Maria Graß zu Urspringen, deren einziger Sohn Andreas Graß seit dem Ausbruche des Krieges in Ordre stand und seit dem Monate November v. Js. sich in französische Gefangenschaft befindet, fünfundzwanzig Gulden Unterstützung wegen ihrer Krankheit und Gebrechlichkeit allergnädigst gewährt.
    Da Rubrikat noch krank zu Bette liegt, erlaubt man sich die Bitte, es mögte der erwähnte Unterstützungsbetrag per Post anher übermittelt werden und legt die einschlägige Quittung anmit vor. Hochachtungsvollst besteht der gehorsamste


    Albert Bürgermeister"


    Die Unterstützung ist dann auch bewilligt worden.
    Ein wie ich meine auch zeitgeschichtlich sehr interessanter Brief.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • Hallo kreuzer,


    das sind die APOG-Rosinen, bei denen es einen geradezu kribbelt, die dazu gehörige Transcription abgeschlossen zu haben. Damit ist wieder ein kleines Fenster der Vergangenheit geöffent, so formt sich Stück für Stück ein Einblick in die damaligen Verhältnisse. Klasse !


    Herzlichen Dank + Gruß


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo kreuzer,


    Chapeau! Ein tolles Stück PO, das jeder gerne zeigen könnte.


    Es gab, 1870/71 kennt sicher die genauen Zahlen, nur ganz wenige deutsche Kriegsgefangene und von daher nur sehr wenig Möglichkeiten der Korrespondenz. Ich kenne in über 30 Jahren auch nur 2 deutsche Kriegsgefangenenbriefe aus Frankreich nach Bayern und habe keinen kaufen können, weil man sich davon so schwer trennt.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo zusammen,


    im Deutsch-Französischen Krieg 70/71 gab es relativ wenige deutsche Kriegsgefangene. Den etwa 400.000 französischen standen etwa 4.000 deutsche Gefangene gegenüber. Da kann man sich ja leicht ausmalen, wie selten deutsche Kgf.-Briefe sind!


    Besten Gruß


    1870/71

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,


    im Vergleich zu den Franzosen waren also deutsche Kriegsgefangene in verschwindend geringer Zahl zu beklagen. Daher verwundert es mich auch nicht, wenn so wenige Kriegsgefangenenbriefe erhalten geblieben sind. Aber auch die Anzahl der Briefe wie dieser, anhand derer sich das Schicksal der Familien "zuhause" ablesen lässt, wird wohl nicht viel höher sein.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • Den etwa 400.000 französischen standen etwa 4.000 deutsche Gefangene gegenüber. Da kann man sich ja leicht ausmalen, wie selten deutsche Kgf.-Briefe sind! Besten Gruß 1870/71

    Auch wenn 1870/71 nicht mein spezielles Sammelgebiet und vielleicht schon bekannt ist, hier zwei Hinweise:


    Das zeitgemäße Medium Film ermöglicht uns durch beeindruckte Bilder eine Ahnung davon zu bekommen, wie es damals im Kriege 1870/71 den Soldaten erging.Die Dokumentation "Die großen Schlachten 1870 - Die Entscheidung von Sedan" folgt mit den Figuren Florian Kühnhauser, einem jungen bayerischen Schreiner ...
    http://www.google.de/imgres?st…ed=1t:429,r:23,s:100,i:73


    Die Mitteilungen der gefangengenommenen Soldaten über das Erlebnis der Gefangenschaft fallen recht knapp aus; das gilt insbesondere in bezug auf die Beschreibungen der Internierung. Die Gefangenschaft der deutschen Soldaten kann in drei Phasen unterteilt werden, nämlich die der Gefangennahme, die des Gefangenentransports zum Ort der Internierung und die der Internierung selbst. Die Gefangennahme war jene Situation der Gefangenschaft, die für die Soldaten im allgemeinen mit den größten Gefahren verbunden war. ...


    Ist das Bild der Situation der deutschen Soldaten bei ihrer Gefangennahme also recht differenziert, wobei davon ausgegangen werden kann, daß die deutschen Soldaten von ihren französischen Gegnern überwiegend gut behandelt wurden, so stellte sich ihre Situation auf den Gefangenentransporten anders dar. Diese Transporte waren das herausragende negative Erlebnis der Gefangenschaft der deutschen Soldaten. ...


    Die Bestimmungsorte dieser Gefangenentransporte lagen im Süden und Südwesten Frankreichs, manche auch im Nordwesten. Zumeist wurden die deutschen Gefangenen in französischen Festungen gefangengehalten. Ein großer Teil war auf der Insel Oléron in der Nähe von La Rochelle interniert. Während die deutschen Gefangenen in der Behandlung seitens des französischen Militärs in der Regel keinen Anlaß zu Beanstandungen sahen und sie teilweise sogar als entgegenkommend schilderten, bemängelten sie oft die Art der Unterbringung: Die deutschen Gefangenen seien in den französischen Festungen in stickigen Kasematten sehr mangelhaft untergebracht worden. Auch die anderen Unterkünfte seien schlecht gewesen. Die schon während des Transportes vielfach angewandte strenge Haft wurde von den Soldaten als unwürdig empfunden. Wenn die Verwahrung von militärischen Gefangenen stets Ähnlichkeit mit der Verwahrung von kriminellen Gefangenen aufweist, so waren diese Parallelen zur Zeit des Deutsch-Französischen Krieges doch noch besonders deutlich. Die Verpflegung war ebenfalls ein häufiger Gegenstand der Kritik durch die Gefangenen. ...
    Aus Die deutschen Soldaten im Krieg von 1870/71 von Frank Kühlich


    Insgesamt sollen die deutschen Feldposteinrichtungen bis zum 31.3.1871 - sowohl von als auch nach Frankreich - ca. 100 Millionen Briefe und Postkarten befördert haben. Davon ist sicherlich noch einiges erhalten (evtl. in den Staatsarchiven usw.) und zu dem Thema Kriegsgefangene sind Neufunde nicht auszuschließen.


    Grüße von Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Hallo zusammen,


    freut mich zunächt, dass @kreuzers feiner Beleg so einen interessanten Gedankenaustausch angeschoben hat. Luitpold ist zu dem Thema der POW`s noch einmal im Speziellen auf deren Unterbringungsverhältnisse eingegangen. Ich war nun schon mehrfach in Bitche / Lothringen auf der vom Kommandant Louis-Casimir Teyssier energisch gegen die bayerischen Truppen verteidigten Zitadelle zu Besuch. Wer sich neben dem Museum auch die - wirklich imposante- Zitadellenanlage betrachtet...


    http://www.musees-alsace.org/P…Musee=269000007&Langue=De


    ...und durch deren Felsganglabyrinth streift, wird feststellen, dass das mit den stickigen Kasematten selbst für die französischen Verteidiger nicht ganz so angenehm gewesen sein muss. Kalter nasser Fels, nur ein bischen Tageslicht an den schmalen Schießscharten, schlecht belüftete Räume etc., das müssen auch für gut verpflegte Soldaten harte Verhältnisse gewesen sein. Man kann sich das kaum vorstellen, ohne es selbst einmal gesehen zu haben. Ein Besuch dort lohnt.


    Schönen Gruß


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer ()

  • Hallo Sammlerfreunde,


    trotz betrüblichen Tagesereignissen wage ich noch einen Vorstoß mit einem 70/71er-Neuzugang, welcher Pfalzbezug vorweist. Ich glaube zu lesen:


    Herrn Pastor Foerster - Randau bein Schönebeck - Provinz Sachsen.


    Kaiserslautern - Rhein-Pfalz 14. Aug(ust) 70 - 6 Uhr


    Soeben haben wir die Officiere des Batallions in einem vom Commandeur, dem Oberst Schmelzer ausgebrachten Toast (auf) Dein Wohl lieber Vater (?) getrunken, wozu ich den Wein gekauft hatte. Ich rufe noch hinterher privaten Vivat ! Heute Nacht werden wir auf Homburg touren und Bivuoag (franz. bivuoarc) beziehen. Tausend Grüße von Eurem....Unterschrift.


    Falls hier etwas anders zu lesen sein sollte, ich bin um jede Korrektur dankbar. Wenn Offiziere auf einen in der Heimat befindlichen Kameraden einen Toast ausbringen, was könnte das für einen Grund haben ? Handelte es sich evtl. um einen Feldgeistlichen, dem man aus irgend einem besonderen Grund Respekt zollen wollte ?


    Oder bspw. einen Gruß in den Heimaturlaub, ein Genesungswunsch wegen evtl. Kriegsverwundung ? Auf jeden Fall müsste die Karte in Kaiserslautern in einen Bahnpostwagen der Strecke Worms-Neunkirchen geworfen worden sein. Ein interessanter logistischer Aspekt.


    Schönen Gruß


    vom Pälzer

  • Liebe Forumsmitglieder,
    mit euren Granaten kann ich mich als kleiner Heimatsammler natuerlich nicht messen ;) , damit aber Wuerttemberg in diesem thread nicht zu kurz kommt, moechte ich Euch aber dennoch 2 Briefe die in meiner Heimatsammlung Altensteig schlummern vorstellen.


    1. Feldpostbrief eines Soldaten aus Hagenau (Elsaß) an das Stadtschultheißenamt in Altensteig, geschrieben am 14.09.1870. Der Brief trägt vorderseitig einen zweikreisigen preussischen Feldpoststempel "K. PR. FELDPOST-RELAIS No 17. 14 9", den Durchgangsstempel "RASTATT 16. SEP" und auf der Rückseite den Ankunftsstempel "ALTENSTAIG 17 SEP. 1870".
    Der Oberheilsgefreite im 6. Württ. Feldspital , Albert Janisch , med. stud., Sohn des verstorbenen Doktors Janisch aus Altensteig, bittet das Stadtschultheißenamt Altensteig ihm die Zahlung, die jeder ausmarschierte seine Militär-pflicht erfüllende Bürger erhält, zu bezahlen.
    Das Stadtschultheißenamt schlägt vor Albert Janisch 10 Gulden zu bezahlen, obwohl nur sein Vater, nicht aber er selbst, Altensteiger Bürger ist. Die Zahlung der 10 Gulden wird durch Stimmenmehrheit im Gemeinderat und Bürgerausschuß am 3. Oktober beschlossen, das Geld am 4. Oktober abgeschickt.


    2. Antwortschreiben des Oberheilsgefreiten Janisch auf die Überweisung von 10 Gulden Wehrsoldausgleichszahlung (siehe vorigen Brief). Der Brief trägt einen württembergischen Feldpoststempel "K. W. FELDPOST LEBENSM. FUHR. 14 X 70" sowie den Vermerk "Feldpost-Brief". Rückseitig befindet sich der Ankunftsstempel "ALTENSTAIG ?? OKT. 1870".
    Anschrift:Wohllöbliches Stadtschultheißenamt Altenstaig Württemberg - Text: Geehrter Herr Stadtschultheiß , für das empfangene Geld Ihnen und den Herrn bürgerlichen Collegien in Altenstaig meinen herzlichen Dank. Die Verzögerung meiner Antwort rührt von unserem Marsch vom 19. Sep. bis 11. Okt. von Hagenau nach La Ferriere her.
    Mit Hochachtung , Janisch med. stud.
    La Ferriere den 13. Okt. 70


    Was micht jetzt wundert ist: Wenn der Oberheilsgefreite Janisch im 6. Wuertt. Feldspital war, weshalb traegt dann der 1. Brief einen Preussischen, der 2 . einen Wuerttembergischen Feldpoststempel?
    Ausserdem finde ich den Zeitverlauf sehr interessant – in den nur 10 Tagen (Auszahlung des Geldes am 4. Oktober – Antwortschreiben vom 14. Oktober dass das Geld erhalten wurde) war es also moeglich selbst unter Kriegsbedingungen Briefe von Altensteig ins Elsass und zurueck zu schicken – eine doch recht beachtliche Leistung.


    Mit freundlichen Gruessen,
    “Altensteiger”

  • Liebe Forumsmitglieder,
    und gleich noch ein weiterer Feldpostbeleg von 1870 aus meiner Heimatsammlung,


    "Correspondenz-Karte" an das Wohlloebliche Stadschultheissenamt Altenstaig O/A Nagold, welche der Soldat Stickel beim zweiten Infanterie-Regiment mit der königlich württembergischen Feldpost am 16. August 1870 versandt hat.
    Aufgabestempel: DBr, "K. W. FELDPOST. II INF. REG. 16 VIII 70"
    Ankunftsstempel: K2, "ALTENSTAIG 31 AUG. 1870"
    Es handelt sich um ein Dankschreiben für von der Stadtpflege erhaltenes Geld.


    Kann jemand vielleicht den Aufgabeort (Granzei??) entziffern?


    Mit freundlichen Gruessen,
    "Altensteiger"

  • Hallo Altensteiger,


    zu deinem interessanten Briefpaar kann ich folgende Informationen beisteuern, welche deine Fragen beantworten.


    - Das Feld-Spital Nr. 6 der Württembergischen Feld-Division befand sich vom 27. August bis 4. Oktober 1870 in Hagenau.


    - In Hagenau wurde spätestens am 10. September 70 eine zivile Postanstalt eingerichtet. Bereits am 16. August 70 stand dort das Norddeutsche
    Feld-Post-Relais Nr. 17, das lt. Feldpost-Ordre Nr. 79 vor dem 20. November 70 aufgehoben wurde.


    - Die deutschen Postverwaltungen gewährten der gesamten Armee Portofreiheiten. Es stand dem Absender gleich welcher Nationalität frei,
    seine Post bei jeder deutschen Feldpost-Anstalt, bzw. zivilen Postanstalt aufzugeben. (siehe hierzu die württembergische Feldpost-Verfügung Nr.
    10650. vom 29. Juli 1870)


    - Die Laufzeit der Briefe ist völlig normal. Bedenke, am 10. September 70 nahm die (deutsche) Administration der Posten das Postgeschäft wieder auf,
    und Hagenau liegt grenznah.


    Besten Gruß


    1870/71

  • Lieber 1870/71,
    vielen Dank fuer die umfassenden Informationen bezueglich meiner Briefe - dass ein Soldat des Wuerttembergischen Regiments auch die Preussische oder andere Feldpost benutzen konnte war mir neu - wo kriegt man solches Wissen her?
    Ich werde gleich mal versuchen mir die württembergische Feldpost-Verfügung Nr. 10650. vom 29. Juli 1870 zu beschaffen (zumindest digitalisiert).
    Bei der Laufzeit gebe ich Dir recht - trotzdem erstaunt es mich: Altensteig liegt im Wuerttembergischen Schwarzwald und wurde zu dieser Zeit normalerweise ueber Bahnpost Pforzheim - Nagold versorgt. Eine Geldueberweisung (oder in bar) an eine Soldaten im Feld in Hagenau der ausserdem auf dem Marsch nach La Ferriere war (also nicht unbedingt direkt aufgefunden werden konnte), mit Antwort von Ihm nach nur 10 Tagen finde ich sehr schnell. Das wuerde mit der Post heutzutage auch nicht viel schneller gehen.


    Nach Deiner hervorragenden Analyse der ersten 2 Briefe -kannst Du vielleicht auch noch etwas zu der Correspondenz-Karte sagen?


    Liebe Gruesse,
    "Altensteiger"

  • Lieber @ Altensteiger,


    ich denke, es handelt sich bei "Granzei ?" nicht um einen Aufgabeort, sondern um einen Familiennamen.


    Besten Gruß


    1870/71

  • Werte Sammlerfreunde,


    als selbst einmal im Sanitätswesen gedient Habender freut es mich den nachstehenden Feldpostbeleg vorstellen zu dürfen. Er wurde am 11.08.1870 von einem offenbar schon etwas in die Jahre gekommenen Oberstabsarzt der II. deutschen Armee aus Potsdam an dessen Frau verfasst, offenbar in großer Eile und mit ein wenig Schwermut. Auch wenn es ein durchaus nicht einfach zu entziffernder Schriftsatz ist, was könnte uns diese außerordentlich ereignisreiche Zeit noch näher bringen als derartiges Material ? Insofern war es eine besondere Herausforderung hier in die Transcription einzusteigen, @bk sei (großen !) Dank, dass die ganz ganz harten Nüsse nun auch geknackt sind und der Text wie folgt vollständig vorliegt:


    An Frau Ober Stabs Arzt Gielen - Potsdam Gaditzer-Straße 10 / Absender: Dr. Gielen Feld-Lazarethdirektor des Garde, Corps der General-Etappen-Inspection der II. Armee


    Nur wenige Worte bin ich im Stande Dir zu schreiben. Die Karte aus Bingen wirst du wohl erhalten haben. Seitdem hat es mir an Zeit und Gelegenheit zum Schreiben gefehlt. Am 8. war ich in Kaiserslautern, seit gestern in Homburg mit der Einrichtung des Lazareths beschäftigt. Letzte Nacht nach gänzlicher Ermattung zum ersten Mal wieder im Bette gut geschlafen, sehr früh munter. In Cöln hatte ich einen kleinen Eisenbahn - Unfall: Quetschung und Abscheuerung des rechten Knies, zwar schon in Heilung, hat mir aber die ohnehin übergroße Strapaze sehr erschwert. Wir rücken nach harten Kämpfen siegreich vor. Die General - Etappen - Inspection geht in einer Stunde über die Grenze nach Saargemünden, ich bleibe noch kurze Zeit, 2-3 Tage, hier, muß heute, 11 Uhr, aber nach Zweibrücken, um dort eine Lazareth-Einrichtung zu treffen. Ich finde wegen meiner Kränklichkeit die möglichste Berücksichtigung, bin nur mein eigener größter Feind, weil ich eine wahrhaft fieberhafte Thätigkeit zu entwickeln, mich inweitig gezwungen sehe. Wüßte ich doch, wie es Dir und den Kindern ergeht, was aus Paul geworden ist. Schreibe fleißig, auch wenn mich Deine Briefe gar nicht, oder spät erreichen sollten. Die herzlichsten Grüße an Dich und die Kinder. Dein Dich innig liebender alter Mann. Homburg den 10.8.1870


    Zum historischen Hintergrund: Am 02.08.1870 war der französische General Charles Auguste Frossard von Kaiser Napoleon III beauftragt die Stadt Saarbrücken zu nehmen, um in dem beginnenden Krieg aus französischer Sicht eine erste positive Nachricht vermelden zu können. Die preußischen Truppen unter Oberstleutnant von Pestel wurden daraufhin von den Franzosen unter Artilleriefeuer genommen. Von Pestel zog sich zunächst aus der Stadt zurück, die Truppen von General Frossard positionierten sich auf den Höhen von Spicheren südlich von Saarbrücken.


    Dort entwickelte sich am 06.08.1870 eine der ersten Schlachten des deutsch-französischen Krieges. Sie verlief knapp zugunsten der der I. und II. deutschen Armee, jedoch nur unter allerschwersten Verlusten. Die Kirche von Spicheren lag voll Verwundeter und Sterbender - Freund und Feind durcheinander. Da die Feldlazarette noch nicht eingetroffen waren, wanderten lange Züge mit Verwundeten nach Saarbrücken, von wo aus sogar die Zivilbevölkerung dem Schlachtfeld zur Hilfe eilte.


    Eine selbstlose Samariter-Rolle spielte dabei Katharine Weißgerber, ein Kindermädchen aus Saarbrücken. Sie brachte unter Lebensgefahr auf dem Schlachtfeld zahlreiche deutsche und französische Verletzte in Sicherheit und versorgte sie mit Wasser, für Sterbende suchte sie im Kugelhagel nach einem Priester. Die nachstehende Zeichnung von Karl Röchling zeigt einen provisorischen Verbandsplatz in einem Häuschen an der Straße nach Forbach.


    Wenn man bedenkt, dass kurz nach Aufgabe des nachstehenden Schreibens vor den Toren von Metz am 14.08.1870 die Schlacht bei Colombey, am 16.08.1870 die Schlacht bei Vionville und am 18.08.1870 eine der entscheidenden Schlachten, nämlich jene bei Gravellotte geschlagen wurde, dann kann man sich vorstellen, aus welchem Grund der in der Etappe die Feldlazarette organisierende Oberstabsarzt Gielen seinerzeit ermattet vor gezwungen fieberhafter Thätigkeit war. 11 Jahre nach Solferino und 7 Jahre nach der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes immerhin ein Fortschritt.


    + Gruß


    vom Pälzer

  • Hallo Sammlerfreunde,


    hier ein weiterer Beitrag zu meiner "Urlaubsplünderung der Briefmarkenhändler".


    Von der Feldpost des 70/71er Krieges habe ich wenig Ahnung.
    Die Seite war aufgemacht und beschriftet angeboten und hat mir irgendwie gefallen. Folglich habe ich diese kurzerhand gekauft.
    In meine Chargé-Sammlung passt sie zudem sehr gut.



    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo bayernjäger,


    2 gute Briefe, die man gerne kaufen kann. :P


    Die Besonderheit war die Portofreiheit der Absender, aber diese erstreckte sich nicht auf Postsonderdienste, das heißt, jeder, der einen chargierten Feldpostbrief schrieb, musste die Chargégebühr von 7x bei der Aufgabe bar bezahlen. Die allermeisten wollten das nicht ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.